Silver Surfer – Senioren im Internet

Irgendwann im Frühjahr diesen Jahres habe ich mich dazu entschlossen bei der Seniorenuniversität der Universität Zürich einen Kurs zum Thema „Silver Surfer – Senioren im Internet“ anzubieten. Mein Ziel war es, „das Internet aus dem Blickwinkel älterer Menschen“ zu betrachten. Soweit das Vorhaben. Die Motivation lag für mich zum einen darin, mit einer Zielgruppe zu arbeiten, mit denen ich es bisher noch nicht zu tun hatte. Zum anderen bereite ich ein Projekt vor, in dem es um den Einsatz von Web 2.0 in dem es um die Weiterbildung älterer Arbeitnehmer geht. Der Kurs sollte daher auch der Einarbeitung in das Thema dienen.

In der Vorbereitung kamen dann einige Fragen, wie z.B. was macht eigentlich eine Seniorenuniversität aus? Was ist Ihr Anspruch? Was unterscheidet die Angebote von z.B. Computerkursen? Wenn man sich ein wenig im Netz umschaut, findet man eine ganze Reihe von Seniorenuniversitäten (in der Schweiz neben Zürich z.B. auch in Bern und Luzern). Das diese nicht immer auch was mit einer Universität zu tun haben muss, zeigt z.B. die Seniorenuniversität Schaffhausen. Die Seniorenuniversität Luzern formuliert dabei den Anspruch einer Seniorenuniversität als eine „Senioren- und Seniorinnenbildung auf Hochschulniveau“. Das war auch ungefähr das, was ich mir vorgenommen habe.

Für das Thema „Senioren im Internet“ bedeutet dies nicht weniger als den Anspruch der Reflexion des eigenen Internetverhaltens der TeilnehmerInnen. Dafür habe ich mich z.B. ein wenig in den Nutzerstatistiken umgesehen. Interessant war in diesem Zusammenhang z.B. der aktuelle (N)Onliner Atlas. Daraus ein paar Ergebnisse:

14-29jährge: 91.3% (2008) – 94.5% (2009)
30-49jährige: 81.5% (2008) – 85% (2009)
50Plus: 40.3% (2008) – 44.9% (2009)

Wie wir auch in der Diskussion mit den Studierenden (ich meine hier jetzt die Senioren) festgestellt haben, sind Kategorisierungen wie die gerne und oft verwendeten 50Plus wenig hilfreich. Dies heisst z.B., dass Berufstätige und Rentner hier nicht unterschieden werden. Dabei führt gerade die Arbeit wohl noch am ehesten dazu, sich auch im Alter mit dem Computer oder dem Internet auseinanderzusetzen bzw. auseinander setzen zu müssen. So zeigt sich, dass mit zunehmendem Alter die Unterschiede in der Nutzung exponentiell zunehmen.

Von Marketingseite wird die Zielgruppe der Senioren gerne in den Fokus genommen. Zwar ist der Anteil der Onliner in der Altergruppe 50+ am geringsten, dennoch wir ihnen hohe Kaufkraft zugeschrieben:

„An den 10 Mio. Euro, die 2006 durch den Onlineversandhandel umgesetzt wurden, haben Senioren einen bedeutenden Anteil, denn Silversurfer bestellen deutlich mehr als der Bevölkerungsdurchschnitt im Internet.“ (Quelle)

Das man dies auch deutlich differenzierter sehen kann, beweist Gerhard Naegele vom Forschungsgesellschaft für Gerontologie:

„Es gibt immer mehr reiche, gutsituierte Alte, aber es wird in Zukunft auch mehr ökonomisch schlechter gestellte Alte geben.“ (Quelle).

Da Senioren unter Umständen nicht so mobil sind wie jüngere Menschen, bietet das Internet viele Vorteile. Neben dem Online-Shopping sind es auch andere Dienste, wie E-Banking oder der Austausch mit anderen Menschen, der durch das Internet erleichtert wird. (Die Frage der Bedeutung realer sozialer Kontakte möchte ich hier mal ausklammern, mit dem Hinweis darauf aber auch deren Bedeutung betonen.) Die Frage der „Vorteile“ der Nutzung wird aber zunehmend überlagert durch die „Nachteile“ der Nicht-Nutzung, von denen gerade auch Senioren betroffen sind, da sie die Bevölkerungsgruppe sind, die am wenigsten im Netz sind. Diese Nachteile fangen bei preisgünstigen Online-Shopping an und hören beim Nicht-Zugang zu Informationen auf.

Was sind aber Gründe, warum Senioren so wenig im Internet sind? Wie eine Schweizer Untersuchung des Bundesamtes für Kommunikation zeigt, können es z.B. Ängste sein, Unsicherheiten. Dies sind auch Punkte gewesen, die im Kurs oft von den Senioren angesprochen wurden. Was die Usability betrifft, habe ich zwei Aussagen gefunden: Die einen sagen, dass die Anforderungen an eine gute Gestaltung eher allgemein sind und Senioren hier Anforderungen haben, die anderen Anfänger auch haben – und worüber sich auch fortgeschrittene Nutzer freuen (z.B. übersichtliche Gestaltung, klare Benennung von Eingagebmöglichkeiten, Rückmeldungen bei Aktionen). Im Gegensatz zu anderen Altersgruppen wird aber behauptet, dass sich Senioren Probleme mit der Nutzung oft selbst zuschreiben. Und nicht zuletzt ist wohl auch eine Vorliebe für persönliche Kommunikation auszumachen. Aber empirisch gute Studien habe ich nicht dazu gefunden.

So habe ich also die Teilnehmer am ersten Tag mit einer Reihe von Studien zur Internetnutzung von Senioren konfrontiert. Dabei habe ich dann auch öfter auch Abfragen unter den Teilnehmern gemacht, wobei sich zum einen gezeigt hat, dass diese auf der einen Seite viel weiter fortgeschritten waren, als ich dachte (z.B. Nutzungsdauer des Internet und genutzte Anwendungen). Zum anderen waren aber auch die Unterschiede in den Voraussetzungen besonders gross und die Erwartungen daher auch sehr unterschiedlich. So habe ich mich dann entschlossen im zweiten Teil eher konkrete Angebote für Senioren zu zeigen, wobei das was für Senioren interessant ist für anderen nicht uninteressant sein muss und umgekehrt.

Es war eine wirklich spannende Erfahrung und ein sehr angenehmes Arbeiten (Pünktlichkeit, Ruhe und hohe Motivation!). Momentan wird zwar viel über die Digital Natives diskutiert, aber vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, auch intensiver über die Internetrandgruppen zu sprechen und sich dort für mehr Kompetenz und Zugang zum Internet einzusetzen.

Comments

Wie Senioren das Internet nutzen ist und bleibt ein spannendes Thema. In meiner Verwandtschaft habe ich ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass die älteren Herrschaften im Umgang mit dem Internet fitter sind, als man gemeinhin annimmt. Allerdings nutzen sie das Internet auf andere Weise als die jüngere Generation. Statt Videos auf youtube zu schauen, wird gezielt in Suchmaschinen nach Informationen gesucht. Für die Kommunikation untereinander wird weniger Facebook genutzt, sondern mehr ein Dienst wie http://www.50plus-treff.ch/, wo die Senioren unter sich sind.

Mich würde sehr interssieren, wie sich die Situation heute darstellet. Es gibt bestimmte Informationen für uns „ältere“ aber communities in denen wir uns über die letzte Herzklappen-OP austauschen gibt es wohl nicht.

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