BYOD am Educamp: zwischen Visionen und Widerstand?

Endlich bin ich dazu gekommen, meine Gedanken zum EduCamp zusammenzufassen: Am Wochenende fand das EduCamp in Köln statt. An der Kaiserin-Augusta-Schule diskutierten langjährige Educamper vor allem – aber nicht nur – mit Lehrerinnen und Lehrern den Medieneinsatz in der Schule. Richard Heinen und ich haben auch eine Session angeboten. Die Ausschreibung unter einer bewusst eher provokativ formulierten Ãœberschrift lautete im Detail:

iPad-Projekte an Schulen sprießen zur Zeit wie die Krokusse im Frühling aus dem Boden und zeigen wertvolle neue Nutzungsszenarien digitaler Medien auf. Doch fehlt meist die nachhaltige Sicherung der Finanzierung. Zudem zeigt die Erfahrung: Nach dem iPad kommt das nächste Device und damit wieder neue Projektrunden.
Auf der anderen Seite haben Jugendliche ihre Geräte heute schon im Rucksack und in der Hosentasche. Nur nutzen sie diese nicht für die Schule. Würden sie diese jedoch im schulischen Alltag nutzen, damit könnten eine Reihe von Problemen gelöst werden
– Die Schule muss nicht mehr Engeräte bereit halten
– Jede Schülergeneration bring ihr eigenes (neues) Gerät, so dass die schulische Infrastruktur auf dem neuesten Stand ist
– Neue, vielfältige Gerätetypen wachsen in Schule hinein
Gleichzeitig stellte dieses Szenario Schulen aber auch vor Herausforderung:
– Wie geht man mit einer Vielzahl von Betriebssystem und Anwendungen um?
– Wie kann privaten Geräten Zugang zum schulischen Internet gegeben werden?
– Wie können „soziale Härten“ vermieden werden?
In der Session werden erste Erfahrungen einer Schule berichtet und das Konzept für ein deutsch-niederländisches Projekt zur Diskussion gestellt. Gerne möchten Richard Heinen und ich mit euch Vor- und Nachteile eines solchen partizipativen Konzepts diskutieren.

Uns war es wichtig, einen Gegenpunkt zu den überall spriessenden Notebook-Projekten zu setzen. Nicht, weil wir diese nicht toll finden, sondern um zu zeigen, dass es kein Weg für alle Schulen sein kann. Jedes neue Gerät wird euphorisch eingeführt und (Forschungs)Projekte beschäftigen sich damit, oft aber ausgehend von einer technologischen Geräteseite. Klar brauchen wir Erfahrungen, wie wir verschiedene Geräte zum Lehren und Lernen nutzen können, aber wichtiger ist doch die Frage: Welches Bildungsproblem möchten wir eigentlich lösen, und muss es dafür unbedingt Gerät XY sein? Oder geht es beim Einsatz digitaler Medien nicht auch darum, Schüler und Schülerinnen mit einer breiten Möglichkeit an Geräte und damit auch potenziell erwerbbaren Kompetenzen mitzugeben? Dies nur ein kurzer Einblick in die Gedanken, die wir uns so machen und warum uns das Thema so unter den Nägeln brennt.

Nun möchte ich jedoch versuchen, an dieser Stelle die Diskussionsstränge zusammenzuführen und einen Ausblick zu geben. Als Einstimmung soll das Bild von Ralf dienen, das er während der Diskussion (natürlich auf dem iPad 😉 ) angefertigt hat:

Gestartet haben wir die Präsentation mit Originalzitaten aus einer Fallstudie, in der wir eine Schule systematisch betrachtet haben, die jetzt schon ein BYOD-Konzept eingeführt hat. Ziemlich gleich drehten sich die Fragen um das Thema Finanzierung und soziale Benachteiligung. Können wir von Eltern erwarten, dass sie den Kindern und Jugendlichen ein Gerät kaufen? Eine weitere Diskussion ergab sich um den Bereich Standardisierung in der Schule (Richard hat sie hier zusammengefasst, weswegen ich mich hier nicht mehr drauf beziehe, lediglich der Vergleich von Lisa Rosa zwischen Schuluniformen und Standardgeräten gefiel mir sehr gut).

Mir ist ein Aspekt wichtig, der auch anklang: die Frage, ob sich „das Problem der digitalen Medien in der Schule“ von selbst läuft, ob irgendwann einfach „die medienaffine“ Jugend in die Schule und später in die Lehrerbildung kommt. Je länger je mehr möchte ich dieser These vehement widersprechen. Es ist nicht so, dass man das Problem mit nachwachsenden Generationen löst, das führt sowohl der Schulleiter in unserer Schule an, als auch verschiedene Studien: so wurde beispielsweise in meiner Dissertation verschieden Kulturen der Lehrerausbildung sichtbar, und auch die nachfolgenden Generationen sind nicht homogen in ihrer Mediennutzung, worauf z.B. die Kritik von Rolf Schulmeister abzielt oder auch die Untersuchungen von Antoine van den Beemt hinweisen (hier). Es wird sich nicht einfach „biologisch“ ändern – es braucht immer noch Initiative(n) und vor allem eine Hochschul- und Lehrerausbildung, die dieses Thema ernst nimmt, und zwar flächendeckend in Deutschland, nicht nur an einigen Hochschulen, in denen Medienpädagogik als Fachgebiet angesiedelt ist.

Eine weitere Diskussion entbrannte um die Frage der Übergabe von Verantwortung durch Schülerinnen und Schüler: Durch personifizierte Geräte sind Schülerinnen und Schüler selbstverantwortlich auch dafür, wenn das Gerät mal nicht funktioniert. Während einige in den Raum warfen, dass man als Lehrperson nicht mehr kontrollieren kann, was Schülerinnen und Schüler machen, warfen andere den Blick auf die Herausforderungen. Folgende Zitate aus dem etherpad veranschaulichen die Standpunkte sehr schön:

„Warum können wir Lehrer hier nicht mal loslassen und Verantwortung abgeben. Vertrauen in die Schüler ist ein punkt, den ich an ganz vielen Stellen vermisse!!“
„Einfache Antwort: Zu glauben, dass Schüler immer so intrinsisch motiviert sind, dass sie den Verlockungen von FB auf dem Smartphone widerstehen können, ist naiv. Schule ohne Kontrolle ist eine ideologisch verbrämte Wunschvorstellung, die nicht mit der Realität zu tun hat. Mobile Geräte: Ja! Aber im Unterricht nur, wenn es Sinn macht. Und das kann man nur durch Kontrolle garantieren.“

Wie in jeder Diskussion zum Einsatz digitaler Medien in der Schule kam auch im Diskussionskreis die Frage nach rechtlicher Verantwortung auf, vor allem, wenn die Geräte persönliche Geräte sind. Was ist mit Internetnutzung, was wenn die Schüler Ballerspiele auf dem Rechner haben, was machen wir, wenn sie illegal downloaden, wie sieht das mit der Aufsichtspflicht aus usw. – Ja, was machen wir da? Richards und meine Antwort ist an dieser Stelle: abwarten, mal schauen, was kommt, den Schülerinnen und Schülern Autonomie in die Hand geben, und vor allem erstmal die Vorteile sehen, anstatt gleich in gewohnter Manier an die Probleme und Hürden zu denken. Daher auch das Statement einer/s Unbekannten im Etherpad:

„Ich wundere mich, dass hier im Etherpad immer nur Bedenken/Fragen eingebracht werden. Wo bleiben die Ideen/Visionen? einfach mal eine Sache ausprobieren!!“

Von daher gefällt mir das Statement einer Schulentwicklerin, nicht nur die „langen Listen der Formen von Widerstand“ zu betrachten, sondern den Blick auf Erfolgsmomente zu richten. Wie wurden Widerstände bislang überwunden und neue Medien in den Unterricht eingebunden? Ich denke, hier liefert die Fallstudie zumindest einen Ansatz 😉 – nun heißt es aber, mit Hochdruck weiter daran arbeiten.

Und um mit einem Bonmot aus dem Etherpad zu schliessen: „Wer etwas will, sucht nach Möglichkeiten. Wer etwas nicht will, sucht nach Ausreden.“ Quelle unbekannt

NACHTRAG 21.03.2012:

Wer die Session nochmals „nachhören“ will, für den gibt es hier eine Audioaufzeichnung. Herzlichen Dank an dieser Stelle an Tim Krumkühler