Bildung und Zeit

Im neuen upgrade der Universität Krems lese ich gerade ein Interview mit Fritz Reheis zum Thema «Zeit ist Leben». Wie gehen wir in den Bildungsinstitutionen und im Lernen eigentlich mit der Zeit um, Stichwort FastFood-Bildung?
Reheis sieht Bildung als Reifeprozess, für den es Zeit benötigt.

Bildung ist ein Gestaltungs-, ein Reifungsprozess. Dass Zeit im Hinblick auf Bildung fundamental ist, kennt jeder aus eigener Erfahrung. Wenn man unter Stress in fest vorgegebenen Zeitfenstern lernt, ist das wenig effektiv und bedient bestenfalls das Kurzzeitgedächtnis. Wenn man Reifungsprozesse insgesamt beschleunigt, muss man damit rechnen, dass nachhaltige Schäden entstehen.

Ich frage mich gerade, was dies für die Studierenden heisst, die in Master- und Bachelorstudiengängen studieren. Kommen sie denn noch in den «Genuss», sich in einer Sache zu bilden, oder steht die AUSBildung im Vordergrund? Und was unterscheidet dann ein Studium an einer Hochschule von Fachhochschulen und Ausbildungslehrgängen?

Update: Oder um es mit den Worten von Konrad Paul Liessmann sehr pointiert auszudrücken:

«Vieles, was so unter dem Titel der Effizienzsteigerung zur Reform des Bildungswesens unternommen wird, gehorcht schlicht dem Prinzip der Industrialisierung. Die vielgegrühmte Modularisierung von Studien etwa stellt die Übertragung des Prinzips funktional differentierter Fertigungshallen auf den Wissenserwerb dar, Stück für Stück werden Kurse und Lerneinheiten zu den Abschlüssen montiert. Auch die Einführung der ECTS-Punkte (Leistungspunkte) etabliert eine Norm zur Bewertung von Studienleistung, die bis in das Berechnungssystem diversen Industrienormen entspricht. Und nicht zuletzt erweisen sich das vielgerühmte Teamwork und die allerorts forcierten Forschungs- und Projektgruppen als Einrichtung von Produktionsbrigaden, denen problemlos Ziele, Steigerungsraten und Verwertbarkeitsberechnungen vorgegeben werden können und in denen nichts so sehr stört wie individuelle Abweichungen» (Liessmann, K.P. (2006) Theorie der Unbildung. Wien: Zsolnay Verlag, S. 41-42)

Gesteht man in der heutigen Gesellschaft, in der vor allem Schnelligkeit und Trends zählen, denn noch Reflexion und Zeit zu? Oder boomen aus diesem Grund gerade Methoden zur Reflexion wie Lerntagebücher und Blogs? Haben wir noch dIe Zeit, sich ausführlicher mit einem Thema zu beschäftigen, ohne direkt an das nächste Meeting oder den Gewinn, den man mit der Idee schlagen könnte, zu denken?

Update 07.05.2007: Auch die Zeitschrift duz Magazin widmet sich in ihrer neuesten Ausgabe dem Thema: Unter dem Titel «Avanti Simultanti!» kann man lesen

Der Wissenschaftsarbeiter erobert das Terrain der Wissenschaftler. Die Figur des tiefschürfenden, grenzüberschreitenden, in höchstem Grade selbstmotivierten schöpferischen Denkers verblasst genausso wie das Ideal der Universität als einem Ort ‚freier‘ Arbeit. Das Leitprinzip der Beschleunigung zieht über die digitalen Arbiets- und Denkwerkzeuge in die universitären Institute ein […]. (Quelle: Geißler, K.A.; Ortehy, F.M. (2007). Avanti Simultanti. In: duz Magazin, 04/07, S. 22).

Comments

hi,

ich bin irgendwie gespalten, denn ich gebe reheis eigentlich recht – bildung, lernen, kompetenzen brauchen zeit ganz klar …

aber dir frage die sich mir ganz persönlicht stellt, ist ob jemand der von klein auf diese schnelllebigkeit der zeit mitmacht, es also vielleicht also völlig normal empfindet, dann dies auch ganz anders verarbeitet …
das problem ist wohl, dass wir dazu noch keine untersuchungen finden …

mit anderen worten wird es immer wichtiger, denken, meinung bilden usw. an sich zu erlernen ….

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