Bildungsdiskurs: „Analog im Digital – Zerstören Computer die Allgemeinbildung?“

Gestern hat die Mercator-Stiftung auf ihrer Bildungsreise durch das Ruhrgebiet im tollen Dortmunder U halt gemacht. Moderiert von Winfried Kneip und Thomas Laue war ich eingeladen, zusammen mit Markus Heidmeier und Wolfram Weimer das Thema „Analog im Digital – Zerstören Computer die Allgemeinbildung?“ zu diskutieren.

In Zeiten von Google und Wikipedia erscheint Wissen stets und überall verfügbar. Gleichzeitig wird die Frage gestellt, ob die ständige Verfügbarkeit von Wissen den tatsächlichen Lernprozess überflüssig macht. Kernfrage dieser Veranstaltung ist, wie jungen Menschen ein kompetenter Umgang mit Neuen Medien vermittelt werden kann.

Trotz Fussballspiel im Nacken (sprichwörtlich 😉 ) war es zumindest für mich ein sehr interessantes Podium (danke auch an dieser Stelle für die tolle Organisation). Leider kann ich hier keine Zusammenfassung des gesamten Podiums liefern, sondern möchte nur auf vereinzelte Punkte eingehen. Obwohl wir uns in unseren Positionen zum Thema Computer und digitalen Medien in der Gesellschaft kaum unterschieden, gab es eine spannende Diskussion – wenn auch an mehreren Stellen sicherlich unscharf. Denn die Frage nach dem genauen Bildungszielen, die heute aktuell sind, konnten wir natürlich nur so allgemein beantworten wie es im Moment absehbar ist. Meine Thesen drehten sich dann vor allem um den Aufbau von Reflexion von Handlungspraxen* in der Schule mit und durch digitale Medien. Sie sind für mich auch immer Anstoß zur Reflexion eingeübter Praxen und sich wandelnder Ansprüche und Zielvorstellungen von Bildung. Dies betrifft die Frage, wie digitale Medien eingesetzt werden, um zu lernen, aber auch die Frage, was man über digitale Medien eigentlich lernen muss. Und da geht es vor allem um Reflexion, aber auch Informations- und Beziehungsmanagement und den Aufbau von Werten.

Einig waren wir uns, dass es darum geht, als Eltern oder Pädagogen vor allem neugierig auf Medienentwicklung zu bleiben und somit immer wieder Potenziale und Grenzen auszuloten. Es geht letztendlich um eine reflektierte Entscheidung digitalen Medien gegenüber.

Ein schöner Einschub kam aus dem Publikum mit dem Hinweis, dass digitale Medien in der Schule insofern einen schweren Stand haben, dass sie „zu spät“ integriert werden und immer erst dann, wenn es „Probleme“ damit gibt: Soziale Medien werden vor allem unter dem Punkt des Cybermobbing in Schulen thematisiert, so fällt es schwer, positive Erfahrungen zu sammeln.

Markus Heidmeier wies auf den spannenden Punkt hin, dass es immer wieder darum geht, den Kontext des Medieneinsatzes nicht zu vergessen. Gerade die Kontextualisierung des Medienhandelns ist wichtig, wenn es um rund um den Bereich der Bildung diskutiert wird. Winfried Weimer stellte für mich spannende Vergleiche  rückblickend in der Geschichte auf: während es zu Beginn des letzten Jahrhunderts durchaus üblich war, Kinder recht früh auch mit technologischen Neuerungen vertraut zu machen (Stichwort Dampfmaschine unter dem Weihnachtsbaum), versucht man heute zum Teil das Gegenteil, Technologie so lange wie möglich aus dem Kinderzimmer zu bannen (Stichwort Holzspielzeug 😉 ). Während Kinder und Jugendliche zu Beginn des letzten Jahrhunderts vor allem Ingenieure oder Ärzte werden wollte, so seine Aussage, dominieren heute in den Berufswünschen Model, Fussballstar und Popstar – also alles Berufe mit einer gewissen Öffentlichkeit und Darstellung.  Hier machte er einen Wandel auch in den Wertigkeiten einzelner Bereiche fest, d.h. heute dominieren, verstärkt durch Medien, vor allem „Selbstdarstellungskünstler“. An dieser Stelle diskutierten wir auch kritisch nochmals die sog. Schwarmintelligenz, die wir alle drei keine überzeugenden Vorstellungen auch von Erkenntnis hielten.

Besonders gefreut habe ich mich über die vielen bekannten Gesichter im Publikum und über die spannenden Gespräche danach – für mich ein gelungener Abend, trotz des anschliessenden Ausscheidens der Deutschen Nationalmannschaft 🙁

 

* Nachtrag: Handlungspraxen scheint ein sprachliches Ãœberbleibsel meiner langen Schweizer Zeit zu sein. Ich meine es i.S. von Handlungspraktiken und Routinen.

Update 5.7.2012: Die Fotos der Veranstaltung sind hier verfügbar, und wie man sieht, hatten wir auch Spaß auf dem Podium:

Comments

Liebe Mandy, das klingt nach einem spannenden Podium.

Bei dem Satz „Und da geht es vor allem um Reflexion, aber auch Informations- und Beziehungsmanagement und den Aufbau von Werten.“ (den ich absolut unterschreibe) fragte ich mich, ob er eine Entwicklungslinie beschreibt, die mit der Reflexion beginnt und die dann zur Ausbildung und Verfestigung von Werten führt, oder ob es ein zirkulärer Prozess ist, bei dem gewisse „Werte“ den LernerInnen bereits am Herzen liegen müssen, damit dieser Prozess überhaupt zustande kommt.

Grund für diesen Gedanken ist vermutlich, dass ich seit einiger Zeit versuche, Lernenden die Reflexion schmackhaft zu machen, aber damit nicht bei allen erfolgreich bin (was dann zu manchem sehr stiefmütterlich geführtem ePortfolio führt – ärgerlich, wenn man die als Diss-Daten haben möchte). Hier und da vermute ich als Grund Persönlichkeitsmerkmale, die ich im Zuge meiner Lernveranstaltungen vermutlich nur begrenzt beeinflussen kann (so ist etwa eine Lernende auch in anderer Hinsicht keine Frau der vielen Worte und daher von der Reflexion weit weniger angetan als mitteilungsfreudigere Studierende).

Die Beobachtung zu Dampfmaschine und Holzspielzeug ist exzellent, die werde ich mir merken! 🙂

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