Blogparade: Können zeigen, Können erkennen – können wir das?

Nadine Pollmeier von der Bertelsmann-Stiftung hat zu einer Blogparade zum Thema „Können zeigen, Können erkennen – können wir das?“ eingeladen und ich komme diesem Wunsch gerne nach, einige Gedanken dazu beizutragen.

Während meiner Zeit in der Ausbildung bei der Deutschen Telekom haben wir uns immer wieder mit der Frage beschäftigt, wie eine kompetenzorientierte Ausbildung gelingen kann. Der dabei verfolgte Ansatz war (und ist), das Lernen im Arbeitsprozess zu fördern und durch eine Lernprozessbegleitung zu unterstützen. Durch die individuelle Begleitung sollten die Selbstlernkompetenzen der Auszubildenden gestärkt werden, um sie auf die Anforderungen der betrieblichen Praxis (lebenslanges Lernen) vorzubereiten. Teil dessen ist es auch, den jeweiligen Lernstand zu erfassen. Dazu wurden Kompetenzmatrizen für einzelne berufliche Handlungsfelder entwickelt, mit denen auch die Kompetenzen zur Ausübung der Ausbildungsberufe abgebildet werden können (Becker, Karges & Rohs 2012). Die Erfassung erfolgt dabei durch Selbst- und Fremdeinschätzung. Die Matrizen werden als digitale Portfolios abgebildet, so dass nicht nur die individuellen Kompetenzniveaus dargestellt werden, sondern auch mit individuellen Nachweisen (z.B. Projektberichte) hinterlegt werden können. Dadurch ist es möglich, den Auszubildenden nicht nur einen allgemeinen Abschluss, sondern einen Nachweis ihrer persönlichen Kompetenzen zu bestätigen (Rohs & Feeder 2012).

Dieses Beispiel macht deutlich, dass sich Unternehmen durchaus Gedanken machen, wie individuelle Kompetenzen erfasst werden können. Nicht jedes Unternehmen ist aber in der Lage, den damit verbundenen Aufwand zu betreiben; und auch die Anforderungen und Rahmenbedingungen sind von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich, so dass es m.E. zwei grundsätzlicher Voraussetzungen für die Umsetzung der Kompetenzerfassung braucht (wobei ich nicht zwischen der Erfassung formal, informell oder non-formell erworbener Kompetenzen unterscheiden würde):

a) Qualitätsstandards für die Erfassung von Kompetenzen und

b) eine Möglichkeit, unterschiedliche Kompetenzbeschreibungen (sowohl technisch als auch sprachlich) zu transferieren.

Gleichzeitig bin ich der Überzeugung, dass die Dokumentation der persönlichen Kompetenzen nur in einen persönlichen Portfolio erfolgen kann (und sollte). Wenn sich die Erfassung von Kompetenzen durchsetzt (wovon ich überzeugt bin) und dies, je nachdem in welchem (Lern-)Kontext man sich befindet (Unternehmen, Universität, MOOCs u.a.) in unterschiedlicher Art erfolgt, kann der einzige Kristallisationspunkte aus pragmatischen und rechtlichen Gründen nur ein individuelles, persönliches Portfolio sein, zu dem ich anderen partielle Einblick gebe: Um Zugang zu Bildungsmöglichkeiten zu erhalten, Beratung  oder die Begleitung von Lernprozessen zu unterstützen, Lernempfehlungen zu erhaltenoder aber auch, um Berechtigungen für die Ausführung von Tätigkeiten zu bekommen.

Jede/r müsste also ein Portfolio erhalten und gestalten, in dem alle persönlichen Kompetenzen dokumentiert sind. Dass es sich dabei um ein E-Portfolio handelt, ist selbstredend – schon aus dem Grund, die Fülle an Kompetenzen und Nachweisen zu managen und unterschiedliche Zugänge dazu zu gewähren. Dieses Portfolio müsste (zumindest in der Grundversion) ein kostenloses Portfolio sein, das allen Menschen zur Verfügung gestellt wird. Alternativ wären auch andere Lösungen denkbar, wesentlich ist aber, dass der Zugang zur persönlichen Kompetenzdokumentation nur! von jedem selbst verwaltet wird.

E-Portfolios werden also aus meiner Sicht eine noch eine große Bedeutung bekommen, was auch Grund dafür ist, dass ich mich im German Chapter des Europortfolio-Projekts engagiere. In diesem Rahmen haben wir aktuell eine Datenbank aufgesetzt, um Beispiele für E-Portfolios in Deutschland zu sammeln. Alle sind recht herzlich eingeladen sich daran zu beteiligen: E-Portfolio-Atlas

Spannend bleiben die technologischen Möglichkeiten bei der Erfassung, Dokumentation, Verifizierung und dem Management von Kompetenzen. Insbesondere Peer-to-Peer-Lösungen scheinen dabei perspektivisch eine große Rolle zu spielen (Peer-to-Peer Verification in Online-Netzwerken, Badges, Blockchain usw.). Perspektivisch wird es auch Formen der Automatisierung in diesem Bereich geben.  Im Rahmen unserer Forschungsgruppe diskutieren wir aktuell die Frage, inwiefern die sensorbasierte Erfassung von Kontextfaktoren bei der Beschreibung von Kompetenzen unterstützen kann. Dies erscheint uns sinnvoll, da Kompetenzen situationsspezifisch sind und damit die Situation, in der Kompetenzen gezeigt werden, auch relevant für die Kompetenzausprägung ist (Van de Water 2016).

Abschließen möchte ich meine Gedanken mit einem Aspekt, auf den man in der gesamten Diskussion immer wieder stößt: die Ethik pädagogischen Handelns. Sie wird gerade im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien m.E. noch zu wenig thematisiert (Moore & Ellsworth 2014). Denn: Nicht alles was erfasst werden kann, sollte auch erfasst werden!

Quellen

Becker, M.; Karges, T.; Rohs, M. (2012) : Selbstgesteuerte Kompetenzerfassung und -entwicklung in der IT-Ausbildung. In: berufsbildung. Paderborn: EUSL, Heft 138, S. 8-10.

Moore, S. L., & Ellsworth, J. B. (2014). Ethics of Educational Technology. In J. M. Spector, D. M. Merrill, J. Elen, & M. J. Bishop (Eds.), Handbook of Research on Educationsl Communications and Technology (4 ed., pp. 113-127). New York: Springer.

Rohs, M. & Feeder, M. (2012). Selbstgesteuerte Kompetenzerfassung und partizipative Wissensarbeit mit digitalen Kompetenzmatrizen. In Hoppe, H.U., Kienle, A., Krämer, N., Martens, A., Plötzner, R., Schümmer, T. & Malzahn, N. (Hrsg.), Workshop zu Web2.0 in der beruflichen Weiterbildung im Rahmen der DeLFI 2012 (S. 25-31.) Hagen

Van de Water, David (2016). Situation criteria as a component of the judgement of human competence. In TU-Nachwuchsring und Innovationszentrum Applied System Modeling for Computational Engineering (Hrsg.), Young Researchers Symposium 2016. 14th-15th April – Fraunhofer-Zentrum Kaiserslautern. Proceedings. Fraunhofer-Zentrum Kaiserslautern, 14.-15.04.2016. Stuttgart: Fraunhofer Verlag, S. 151–153.