GMW 2010 | Digitale Medien für Forschung und Lehre

Nun ist sie wieder vorbei, die GMW Tagung und traditionell folgt an dieser Stelle ein Rückblick.

Gestartet ist die GMW mit einem neuen Format der PreConference: EduCamp meets GMW (hier der tolle Film der Studierenden der Universität Augsburg, der das Konzept sehr gut veranschaulicht). Ich habe mit Sandra eine Session angeboten, die sich aus einem vergangenen Blogbeitrag entwickelt hat. Hier gibt es eine Dokumentation, die einen Einblick gibt, wie die Diskussion in ungefähr gelaufen ist. Spannend war für mich, dass sich wirklich keine/r an der Metapher des Liebhabermarkts gerieben hat. Ist gute Lehre wirklich nur was für Liebhaber? Die Session mit Alex zum Open Study Review, dem Tool zur Sammlung bildungswissenschaftlicher Studien, ist leider nicht zustande gekommen, dafür haben wir das Thema am Mittwoch in einer Posterpräsentation präsentiert (s.u.).

Nach der Keynote war dann ich an der Rolle. Ich habe über digitale Medien und forschendes Lernen gesprochen. Nach dem Vorstellen unseres Modells zum forschenden Lernen (einen Blick und ein Video findet sich hier) habe ich vor allem die Medienfrage im Forschenden lernen thematisiert, die sich m.E. nach in dreifacher Art stellt:

  • Medien (und Medienwechsel) als Lern- und Forschungsgegenstand und somit als Gegenstand der Reflexion
  • Medien des Forschenden Tuns, des wissenschaftlichen Austauschs, als Kommunikationsform von Forschung
  • Medien des Lernens an Universitäten, zum Aufbau medialer Kompetenz als Teil akademischer Persönlichkeit

Dabei habe ich dann folgende Thesen in den Raum gestellt, zu denen es auch einige positive Reaktionen und Anregungen gab:

These 1: Digitale Medien eignen sich vor allem zur Unterstützung des Prozesses und zur Zusammenarbeit von forschenden Studierenden. Vor allem Web 2.0-Medien bieten die Chance, aus Studierende/r auch in die Scientific Community zu wachsen. Dennoch ist es wichtig, dass nicht der gesamte Prozess des Forschenden Lernens öffentlich gemacht wird – denn (forschendes) Lernen hat auch viel mit Fehlern zu tun, die nicht unbedingt öffentlich im Internet dokumentiert sein sollten. Es braucht auch in Lernsettings geschützte Räume.

These 2: Die Darstellung der Ergebnisse forschenden Lernens dagegen geschieht häufig in „traditionellen“ Medien. Es war eher verwunderlich, dass sich Studierende in der Lehrveranstaltung meist für traditionelle Formen der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse votierten. Anscheinend gibt es eine unterschiedliche „Wertigkeit“ von Medien (vgl. auch den Bericht von Harley et al. 2010, auf den ich hier schon hingewiesen habe). Zusammen mit dem Publikum haben wir kurz überlegt, woran es liegen kann: ist es die Forschungspolitik, die bestimmte Formen von Publikationen fordert, und überträgt sich das auch auf Studierende? Ist es etwas „Haptisches“, dass das In-der-Hand-halten eines Buches etwas anderes ist als ein Online-Artikel? Oder liegt es doch daran, dass Studierende gewisse Vorstellungen davon haben, was Wissenschaft ist – nämlich ein Professor, der irgendwas vorliest, und das Wissen steht in einem Buch; eine gewisse Vorstellung davon, wie Wissenschaft aussieht, die auch früh schon durch Medien geprägt wird?

Die Gefahr des forschenden Lernens besteht meines Erachtens nach darin, dass man eher „systemstützend“ wirkt und wissenschaftliches Kapital reproduziert. Somit können auch für neue Generationen von potenziellen Forschenden kaum Veränderungen mittels digitaler Medien in der Wissenschaft wirksam werden. Wenn Studierende schon auf traditionelle Formen der Publikation und der Darstellung von Forschungsergebnissen pochen, wo ist dann die Wissenschaft auf dem Weg in die nächste Gesellschaft (Baecker, 2007)?

Aus dem Publikum kamen durchaus spannende Rückmeldungen zu meinem Vortrag: Zum einen sollte nochmals genauer geschaut werden, welche Rolle (digitale) Medien zum Aufbau wissenschaftlicher Kompetenz leisten können. Ebenso ist noch offen, wie sich Wissenschaft sowie Wissenschafts- und Forschungskommunikation mit Hilfe digitaler Medien verändern. Gut anknüpfen lässt sich auch hier die Diskussion von Basti Hirsch zum Thema Leitmedienwechsel, die auf der Preconference geführt wurde.

Im Learning Café, das ich moderierte, stand der Austausch und die Kommunikation mit digitalen Medien im Vordergrund. Dabei wurden unterschiedliche Themenbereiche gestreift: von der Kommunikation unter Wissenschaftlern durch Peer-Review oder auf Tagungen bis hin zu Kommunikation mit Studierenden zur Verminderung des Dropouts bis zur Kommunikation unter E-Learning Interessierten. Da der Zeitplan aus dem Ruder lief, habe ich die Zusammenfassung schnell auf einem OHP gemacht (zum Vergrössern das Bild anklicken). Mehr Informationen gibt es dann sicherlich in den Blogs der einzelnen Experten und Expertinnen.

Am Mittwoch habe ich dann nach der wie immer kritischen Keynote von Rolf Schulmeister zusammen mit Gabi Reinmann und Alexander Florian unser Open Study-Review (Arbeitstitel) in der Interaktiven Postersession vorgestellt. In diesem Projekt haben wir ein Tool entwickelt, das sowohl in der Forschung als auch in der (forschenden) Lehre verwendet werden kann, um bildungswissenschaftliche Studien zugänglich zu machen und Studierende zum Lesen bildungswissenschaftlicher Studien ausbildet (mehr Informationen dazu findet man in unserem Paper). Zusammengefasst verfolgen wir das Ziel, ein Online-Instrument zu entwickeln und zu erproben, mit dem die Recherche empirischer Studien erleichtert und didaktisch fruchtbar gemacht werden kann. Dabei war es sehr spannend, mit den Teilnehmenden das Projekt zu diskutieren und zum Beispiel zu erfahren, dass der Titel irreführend ist, da es ja kein Review im eigentlichen Sinne ist, sondern eher eine strukturierte Sammlung. Wir werden sicherlich die ein oder andere Idee umsetzen. Wichtig ist aber: wir suchen immer noch Personen, die es mit uns testen wollen. Wenn also Interesse besteht, einfach auf Gabi, Alex oder mich zukommen – oder hier vorbeischauen.

Aber nun zur spannenden Frage: Was bleibt von der GMW 2010? Ich habe wie immer viele nette Leute getroffen und spannende Gespräche geführt, auch wenn es aufgrund paralleler Tagungen dieses Jahr nicht so viele bekannte Gesichter waren wie sonst. Umso mehr freut es mich, dass nächstes Jahr die Delfi und die GMW Tagung wieder zusammen stattfinden werden, diesmal in Dresden. Auch wird es wohl einige Initiativen aus dem neuen Vorstand geben. Ich bin sehr gespannt und freue mich auf neue Ideen und deren Umsetzung.
Was mir diese Jahr vor allem auffiel, waren die z.T. sehr unterschiedlichen Beiträge. Viele Beiträge, die ich gehört habe, waren deskriptive Beschreibungen der Praxis, meist ohne theoretische Verortung. Diese braucht es auch nicht immer und an jeder Stelle, jedoch sollte dies vorher klar sein, damit man als Teilnehmende weiss, worauf man sich einlässt. Vor allem auch in der Preconference gab es vor allem episodische Ergebnisse der einzelnen Teilnehmenden, für eine umfassende Diskussion und Auseinandersetzung reichte aber die Zeit nicht. Ich habe die Vermutung, dass es unter anderem auch an der dispersen Zielgruppe der GMW liegt. So kommen Praxisbeispiele, politisch motivierte Statements, theoretische Aspekte sowie z.T. Werbeveranstaltungen für Tools ungefiltert nebeneinander. Hier wäre meiner Meinung nach zu überlegen, ob man nicht noch stärker prüft, für wen ein Beitrag überhaupt ist und dies explizit ankündigt, z.B. mit Praxisbeispiel. Sandra schlug in einem Gespräch die Struktur eines allgemein-theoretischen Inputs mit anschliessenden Praxisbeispielen vor, ich könnte mir auch einen Track „Praxis“ gut vorstellen, ich denke, hier kann man unterschiedlich spielen. Die Gefahr sehe ich ein wenig darin, dass sich die GMW von einer wissenschaftlichen Tagung hin zu einer eher praxisorientierten Tagung entwickelt – hier sollte m.E. nochmals überlegt werden, welche Zielgruppe man anspricht – oder die Zielgruppen auch in den Formaten stärker zu trennen. Vielleicht hängt dieser Wechsel aber auch mit einer Veränderung von E-Learning an Universitäten zusammen: die Zeit grosser Forschungsprojekte im E-Learning Bereich ist vorbei, jetzt wird E-Learning zu einem „normalen“ Teil von Lehre – und somit ändern sich vielleicht auch Tagungen, die sich mit E-Learning beschäftigen.

Ansonsten gab es wie immer spannende Gespräche rund um das Thema E-Learning bzw. digitale Medien. Auch die Tagungsorganisation hat reibungslos funktioniert, hierfür auch nochmals ein grosser Dank an das gesamte Team. Da das Thema der Formate von Tagungen auch während der Tagung diskutiert wurde, bin ich mir sicher, dass es nächstes Jahr eine spannende Veranstaltung in Dresden geben wird. Ich jedenfalls freu mich drauf. Und um meinen ROI von Tweets werde ich mich vielleicht auch dann und wann mal kümmern 😉