JIM Studie 2014 und LehrerOnline: Das „echte“ Leben?

Auf lehrer-online habe ich einen Hinweis auf die diese Woche erscheinende JIM-Studie gefunden. Nun ist es schon Ritual, im Herbst einen Blick auf die neuen Ergebnisse zu werfen, aber dennoch lässt mich der Beitrag von Lehrer online stutzen.

Ãœberschrift und Unterüberschrift rufen kurze Irritation hervor: „JIM-Studie 2014: Immer online, aber sozial engagiert. Auch wenn Jugendliche immer länger online sind, nehmen sie sich die Zeit, sich sozial zu engagieren. Das zeigt die aktuelle JIM-Studie.“ heißt es da.

Und ich frage mich: Woher kommt eigentlich das aber? Warum geht nicht beides, online sein und sozial engagiert? Ich vermute, hier hat man eine ganz gewisse Vorstellung von „online sein“. Und tatsächlich, liest man weiter, präzisiert sich diese Vorstellung:

Bei mehr als drei Stunden Online-Aktivität kommt Engagement im echten Leben keineswegs zu kurz. (Hervorhebung durch mich)

Online sein wird also als „Gegenkonzept“ zum echten Leben gesehen. Ich denke, hier liegt das Problem: Spätestens seit dem mobilen Internetzugang von jedem Ort zu jeder Zeit sind online und offline keine „Gegenkonzepte“ mehr; das Netz ist ebenso „real“ wie das vermeintlich „echte“ Leben. Und die Sache mit dem Engagement? Hier schwimmt m.E. latent eine „alte“ Sorge mit: Durch die Nutzung des Internets werden wir alle einsam und unsozial (Journalistische Beiträge zu dieser Thematik hier oder hier), daher doch die scheinbare Ãœberraschung in der Ãœberschrift.  Dass diese Vereinsamung durch Medien nicht per se und zwangsläufig zutrifft, wissen Medienpädagogen schon länger. Und auch Kommunikation findet medial vermittelt statt, ist aber deswegen nicht „unrealer“ als im direkten Gespräch.

Mit der Dichotomie von online vs. offline schaffen wir es aus meiner Perspektive nicht, die aktuellen Herausforderung einer mediatisierten Gesellschaft zu bearbeiten, auch und gerade in der Schule nicht. Dort sehen wir aktuell eine immer größere Notwendigkeit, sich mit dieser Grauzone auseinanderzusetzen – und dazu sind aus meiner Perspektive differenziertere Betrachtungen als on- und offline notwendig.

Comments

Liebe Mandy,
Danke für diesen Beitrag. Ich finde dieses Trennen von online und offline in zwei Welten ebenfalls schwierig, treffe es aber vielerorts an bei Eltern, Lehrpersonen, Schulleitungen an – bevorzugt bei Leuten und an Orten die bis anhin die reine Offline-Welt gel(i)ebt haben. Der Wert und die neuen Möglichkeiten der Online-Welt werden zwar erkannt, aber am liebsten isoliert zu ganz bestimmten Zeiten kontrolliert eingesetzt. Spannend finde ich jeweils, mein Gegenüber die Gefahren und Ängste beschreiben zu lassen und dann gemeinsam darüber zu diskutieren, ob diese nun effektiv mit der Online-Welt in Zusammenhang stehen bzw. ob man diesen mit einem Offline-Setting sinnvoll begegnen kann. Häufig nämlich nicht! Ich finde die Ängste und Gefahren dürfen aber auf keinen Fall ignoriert werden, es gibt jedoch andere Wege als die strikte Trennung in zwei Welten die nichts miteinander zu tun haben sollen.

Freundliche Grüsse
Stephan Göldi

Lieber Stephan, danke für deinen Kommentar – und ja, es ist a) nicht einfach, die Verbindung „beider Welten“ zu verdeutlichen und b) auch die Ängste und Sorgen angemessen aufzunehmen. Von daher finde ich deinen Ansatz auch wichtig, Ängste müssen auch thematisiert werden, ohne dies ist sinnvolle medienpädagogische Arbeit ja gar nicht möglich. Was mir allerdings Sorge bereitet, ist das Zuschreiben von Gefahren lediglich einer dieser beiden Seiten, und daher halte ich die Trennung auch für gefährlich. Es vereinfacht die Diskussionslage, die bei weitem und vor allem im Zusammenspiel komplex(er) ist. Und dieser Herausforderung angemessen zu begegnen, wird noch viel Arbeit für Medienpädagog_innen bedeuten 😉

Comments are closed.