Knowledge Blogs: Gefahr des „Einigelns“

Soeben habe ich den Vortrag von Gabi Reinmann zum Persönlichen Wissensmanagement nachgelesen und fand ihn sehr spannend, vor allem im zweiten Teil, in dem erste Ergebnisse der Untersuchungen am imb zu Knowledge Blogs kurz vorgestellt wurden. Vor allem der letzte Absatz bietet mir Denkpotenzial:

So genial es ist, dem Information Overload auf diese Weise [durch Knowledge Blogging] die Stirn zu bieten, so rasch kann sich auch der Effekt einstellen, in ein Monaden-Dasein zu verfallen: eingeigelt in sein Blog und dessen Blogroll und Leser, die sich gegenseitig zustimmen und auf die immer gleichen Fundstücke, Meinungen und News verlinken. Produktion ohne Rezeption außerhalb des eigenen Dunstkreises läuft sich irgendwann mal leer, was aus Sicht der Strukturgenese nicht verwunderlich ist. Je größer und tiefer Wissen und Erfahrung einer Person in einem oder mehreren Wissensgebieten sind, umso geringer mag diese Gefahr sein, steigt doch mit wachsendem Wissen auch die Erkenntnis, wie groß das Wissen ist, über das man nicht verfügt.

Dies kann ich auch aus aktueller Erfahrung belegen, oft hat man das Gefühl, dass manche Dinge „durch die Blogosphäre“ gereicht werden. Die Frage für mich ist, wie man dieses Spannungsfeld entschärfen kann: Wie kann es gelingen, auch andere, anders Interessierte auf den Diskurs im Weblog aufmerksam zu machen und einzubinden, wenn ein grosser Vorteil von Weblogs doch auch ist, dass sich „Gleichgesinnte“ treffen und austauschen? Eigentlich kann man noch viel weiter vorne anfangen: Wann findet überhaupt ein Diskurs oder Austausch mittels Weblogs statt? Ist die Diskussion mit anderen zwar oft gewünscht, in Wirklichkeit aber höchstens ein „Nebenprodukt“ des Bloggens, macht man es in erster Linie nicht zur (Selbst)reflexion? Wann ernetet man schon mal wirklich „kritische“ Kommentare, die zum Nach- und Weiterdenken anregen?

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nun ich würde es vielleicht anders betrachten – der Weblog an sich ist ein Medium wo man seine eigenen Gedanken formulieren kann und diese an die „Welt“ weiterreicht.

Der Diskurs ist für mich daher quasi still – man liest einfach was andere denken, tun und warum, wieso und weshalb. Und meistens gebe ich keinen Kommentar ab, aber aufnehmen tue ich es.

Auch dem Zitat von Gabi Reinmann muss man entgegentreten – ein Totlaufen befürcht ich überhaupt nicht, eher das Gegenteil. Je tiefer man eintaucht in die Welt der Weblogs umso mehr stößt man auf interessante Dinge – klar wenn der Dunstkreis immer derselbe wird dies nicht passieren, aber hier läge meiner Ansicht nach ein falscher Ansatz vor (man bloggt ja nicht für eine beschränkte Anzahl, oder?)

Also ans Einigeln glaube ich gar nicht, problematisch wird einfach die Fülle an Informationen was mich immer wieder zur Filterung führt (da auch das semantische Web noch nicht die Erfolge erzielt) …

Hallo zusammen,

aus dem Zusammenhang gegriffen wirkt das Zitat wohl auch eindeutiger als es an sich ist. Es ist – nach einer Analyse einiger Potenziale zur Förderung mentaler Prozesse – eine aus meiner Sicht notwendige offene Frage, will man eine ausgewogene Betrachtung des Für und Wider einzelner Methoden im persönlichen Wissensmanagement erreichen.

Gabi

Hallo zusammen
Das stimmt schon, dass es aus dem Zusammenhang herausgerissen eindeutiger erscheint. Es lag mir nicht daran, es zu problematisieren, aber es ist die Stelle, die mir im Kopf blieb. Ich finde nämlich nicht, dass man dem Zitat entgegen treten muss – denn einen „stillen Diskurs“, wie es Martin formuliert gibt es meiner Meinung nach nicht. Ich denke, er hat recht, wenn er formuliert, dass man nicht für eine beschränkte Anzahl bloggt, aber man kann nur eine bestimmte Anzahl von Blogs auch rezipieren, aufnehmen und diskutieren. Gerade im Bereich Knowledge Blogging ist dies ja eine durchaus kleine Gruppe.

Hallo,

eine sehr interessante Diskussion, die ihr da führt. Ich möchte kurz meinen eigenen Eindruck dazu schildern, weil ich durch den Stellenwechsel von Augsburg nach St. Gallen vielleicht eine gewisse Doppelperspektive auf das Thema einnehmen kann.

Also zunächst zum einigeln: Für mich war es erstmal erstaunlich, dass im neuen Arbeitsumfeld nicht jeder sofort an education&media denkt, wenn man Mandy Schiefner sagt, an e-Denkarium, wenn man Gabi erwähnt usw. Als fleissiger Rezipient dieser mehr oder weniger abgeschlossenen (so empfinde ich es mittlerweile schon), Blogging-Community habe ich schon festgestellt, dass die Gefahr des „Sich-im-Kreis-Drehens“ besteht und man möglicherweise Positionen, die nicht im Rahmen dieses Publikationskanals auftauchen, übersieht.

ALLERDINGS sollte man auch nicht vergessen, dass eine sehr aktive Blogger-Community wie die hier diskutierte natürlich sehr viel zusammenträgt und eine inhaltliche Breite abdeckt, die man mit „klassischen“ (offline) Mitteln (Zeitschriften, persönliches Netzwerk) so einfach nicht überblicken könnte.

Also m. E. wieder einmal ein sowohl-als-auch Problem. Dem kann man aber vielleicht schon durch eine kleine Diskussion wie diese begegnen. Und als Konsequenz könnte es ja ein gutes Vorhaben sein, Themen, die in der Blogger-Community gerade „hip“ sind, bewusst nach (konträren) Entwicklungen und Meinungen ausserhalb der Blogwelt abzusuchen.

Tobias

„Wenn du ein wirklicher Wissenschaftler werden willst, dann denke wenigstens eine halbe Stunde am Tag das Gegenteil vom dem, was deine Kollegen denken.“ (A. Einstein)

Dieser Spruch begegnet mir gerade als Einleitung zu einem Artikel (Zirkulation oder Fortschritt von Klaus Willimczik). Das Problem ist, das die Aufforderung „etwas anderes zu denken“ ohne fremdes Zutun gar nicht einfach umzusetzen ist. Bei aller Irritation durch elektronische Möglichkeiten hilft da doch immer noch der Besuch an einer anderen Uni, anderen Fachbereichen oder fachfremden (und interessierten) Freunden.

Vielen Dank für das passende Zitat 🙂

so, nachdem ich gemerkt habe, dass hier ganz schön weiterdiskutiert wird, muss ich nochmals nachlegen und widersprechen (gemäß dem einstein zitag – btw, weltklasse):
dem satz von mandy „dass man nicht für eine beschränkte Anzahl bloggt, aber man kann nur eine bestimmte Anzahl von Blogs auch rezipieren, aufnehmen und diskutieren“ stimme ich insofern nicht zu, weil (oder vielleicht bin ich da anders) ich zwar meine „lieblingsblogs“ habe, aber daneben (und das ist die mehrheit) viele, viele aggregatoren und suchanfragen per RSS …

dies bedeutet schlicht und einfach, dass man wesentlich mehr liest bzw. aufnimmt und dies bei weitem nicht immer dieselben sind … sprich die problematik ist mir durchaus bewusst, deshalb denkt man ja über filter, semantische algorithmen usw. nach, damit man nicht in einem dunstkreis verhaftet bleibt …

lg

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