Lehrerbildung unter Druck: Mehr Praxis? Mehr Medien?

Diese Woche beginnt wieder das Semester, und damit für mich auch wieder die Lehre in den Bildungswissenschaften. Und (fast) wie gerufen kommt da die neue Ausgabe des Stifterverband-Magazins, das sich unter dem Titel „Alleskönner unter Druck“ neuen Wegen der Lehrerbildung widmet.
Gespannt gleich von mir aufgeschlagen, scheint schon die erste Seite mit einer Grafik zur Mediennutzung von Lehrpersonen  zu ernüchtern. Medieneinsatz Auf den ersten Blick bestätigt sie das Bild, welches oft von Lehrpersonen gezeichnet wird (nämlich mehr oder minder „medienignorant“), auf den zweiten Blick sieht man, dass die Grafik und die Zahlen eigentlich wenig bis nichts aussagt. So ist die Frage, wie beispielsweise hohe Wert bei Beamer zustande kommen, wobei doch Notebooks und stationäre PCs viel seltener eingesetzt werden (was schliesst man denn sonst an Beamer an?) Viel eher könnte man aus der Grafik noch auf eher präsentationsorientierte Konzepte von Medienintegration in den Schulen schliessen, aber auch das nur als vage Interpretation. Viel wichtiger als die Frage, welche elektronischen Medien Lehrpersonen einsetzen ist doch eigentlich, was sie mit diesen Medien im Unterricht machen. Da findet man wenig(er) Hinweise.

Aber diese Grafik scheint nur der Aufhänger zu sein, um dann die Nutzung digitaler Medien als ein wichtiges Thema auch der Lehrerbildung zu identifizieren, denn …

Sie (die angehenden Lehrerinnen und Lehrer, Anmerkung M.R.) sollen ebenso selbstverständlich mit Tablet-PC und E-Book-Reader umgehen können wie mit Social Media, E-Learning, blended learning und anderen Lernformen, die eine Alternative zum Frontalunterricht bieten. (S. 12)

Das klingt auf den ersten Blick gut, wobei ich an dieser Stelle wieder auf den Gedanken von oben hinweisen könnte, dass die bloße Nutzung von Geräten noch nichts über deren Qualität aussagt. Doch wie sieht der neue Weg nun aus, den die Lehrerbildung da beschreiten soll? Da wird im Heft zuerst einmal auf die Lehrerbildung an den Hochschulen geschaut. Diese schneidet da eher nicht so gut ab: zu wenig berufsvorbereitend sei diese, nicht innovativ und praxisbezogen genug. Und dies wurde dann auch grafisch illustriert: Auf Seite 12 ist die LehrerInnenausbildung dargestellt, mit einem biederen Hochschullehrer, der Schaubilder zeigt, den Overhead-Projektor und Bücher nutzt;  und über allem noch die Spinneweben hängend. Aber, so frage ich mich, ist dies a) wirklich Wirklichkeit in der Lehrerbildung, und b) kann die universitäre Phase allein für mangelnde Medienintegration und fehlenden Praxisbezug verantwortlich gemacht werden, oder geht es nicht auch darum, verstärkt die Verzahnung der einzelnen Phasen in den Blick zu nehmen? Denn: Was ist eigentlich mit der ominösen Praxis im Lehramtsstudium, die von allen eingeklagt wird, aber immer noch zu wenig zu sein scheint? Reicht einfach ein „mehr“ an Praktika und Schulbezug aus? Darauf weist auch Frau Jorzik in der Broschüre hin:

„Es ist ein Irrtum zu glauben, die Hochschulen müssten einfach weitere Praktika ins Studium integrieren, um mehr Praxisbezug herzustellen.“

Dies halte ich auch nicht für zielführend ohne zu klären, was der Wert von „der Praxis“ ist und wie dieser im Zusammenhang mit „der Theorie“ steht. Und das, so meine ich, zeigt sich gerade auch in der „Medienfrage“: Worum geht es eigentlich? Um ein einfaches „Mehr“ an Einsatz und Nutzung, um eine reflektierte Haltung zu Medien oder um veränderte Handlungspraxen? Und inwieweit müssen Medien auch praktisch werden, nicht nur in der Nutzung dieser, sondern auch im späteren Handlungskontext? Und welche Rolle spielt dabei die erste Phase der LehrerInnenbildung? Ich denke, diese Fragen bieten einen Anknüpfungspunkt für die Auftaktdiskussion im Seminar Medienpädagogik am Freitag 🙂 .

Comments

Also, die 94% beim Beamer erstaunen mich, weil sie sehr stark von meiner Alltagserfahrung abweichen. Ich wollte mir dies erst damit erklären, dass einige Befragte vielleicht regelmäßig Smartboards verwenden, aber die werden ja extra abgefragt. Auch dass der stationäre PC einen recht hohen Wert aufweist (fast gleichauf mit dem OHP), finde ich erstaunlich, da dieser bestenfalls in PC-Räumen wirklich sinnvoll brauchbar ist. Vielleicht unterrichte ich aber auch nur weitab von intensiver Mediennutzung… 🙁

Praktika sind nur dann gewinnbringend, wenn an den entsprechenden Schulen ein Medieneinsatz (welcher Art auch immer) überhaupt möglich ist. Wenn über 100 Kollegen sich einen mobilen Beamer teilen oder eine verlässliche Raumplanung für Medienräume nicht möglich ist, dann mag die schöne (universitäre) Theorie für den Praktikanten vielleicht sinnvoller sein.

Studierenden sollte klar sein, wofür sie Medien einsetzen; dass sie ihre Medien im Rahmen einer Unterrichtsstruktur einsetzen; dass sie nicht planlos irgendwie etwas mit Medien machen, weil es gerade im Seminar gefordert ist. Dafür müssten sie zunächst den Aufbau von Reihen und Stunden kennen. Ich bin in meine Praktika recht planlos hineingeschickt worden – und habe dann recht ziellos irgendwas mit Filmvergleich gemacht. War nett und auch gut, aber weitab von einer sinnvollen Mediennutzung im Rahmen einer Unterrichtsstunde. Die Studierenden heute scheinen allerdings (zumindest in Bielefeld) die Struktur von Unterricht betreffend besser vorbereitet zu werden.

Hallo Herr Schneider, danke für Ihren Kommentar – dann bin ich mit meinen Irritationen über die Grafik ja nicht allein 😉 Danke auch zu den Hinweisen zu den Praktika, die Ausstattung ist ein wichtiger Faktor. Für mich wichtiger ist jedoch, was soll mit dem Praxisbezug erreicht werden? Denn „nur“ in die Schule gehen ist aus meiner Sicht in der ersten Phase der Lehrerbildung zwar wichtig, es benötigt für mich auch eine gute Rückbindung an Theorien und einer Reflexion des dort erlebten. Doch das wäre nochmals ein eigenes Thema.
Wie wichtig der letzte Punkt ist, hat Herr Krommer letztens hingewiesen, und es gibt dort auch eine spannende Diskussion zum Thema: https://plus.google.com/117900758548282738081/posts/bzRt6UAteiB

Zunächst einmal ist es klasse, dass sich jemand in der ersten Phase so viele Gedanken macht. Mich würde echt interessieren, was aus der angefachten Diskussion herauskommt.
Ansonsten stimme ich dem staunendenden Hokey zu: die Zahlen sind bemerkenswert!

Zur Verzahnung mit „der Praxis“ hilft es aus meiner Sicht nicht, einfach viele Praktika zu machen. Ich selber habe diese Eigeninitiative aber auch sehr gezielt gemacht. Studenten massenhaft in die Schulen zu drücken wird auf allen drei Seiten zu Ernüchterung führten. Zumal ja – was jetzt Medienarveit angeht – die Studenten in den Schulen oft nicht viel lernen können, da die Lehrer dort ja auch im Lernprozess stecken.Und das wäre mein Ansatzpunkt: Wieso machen sich Mandy Rohs an den Unis Gedanken, wurschteln Renés und Holeys an den Schulen rum und werden Studenten wahllos hin- und hergeschickt? Ich denke, wenn es Kooperationen gäbe, wären wir erfolgreicher. Ich gehe z.B. als Lehrer einigermaßen regelmäßig als Gastredner an die Uni und übernehme eine Vorlesung/Seminareinheit. Das könnte man doch ausbauen und gemeinsame Veranstaltungen anbieten, in denen sich ein Hochschullehrer und ein Schullehrer die Veranstaltung teilen. So bringt jeder seine Expertise ein und man gleicht sich permanent miteinander ab.
Ich könnte mir vorstellen, dass es genugLehrer gibt, die Lust hätten, mal für 1-2 Stündchen pro Woche aus der Schule an die Uni zu gehen. Lieber pro Uni ein paar Lehrer bewegen als hunderte Studenten, die dann keiner mehr gescheit betreuen kann (weder in der Schule noch an der Uni).

Ich auch! Du bringst es auf den Punkt, René. Nur, wenn wirklich eine Verzahnung stattfindet, kann der Austausch gewinnbringend sein. Die Studenten laufen bei uns oft quasi nur mit, notieren sich brav etwas für ihre Seminararbeit und verschwinden danach wieder in der Uni und absolvieren im besten Fall ein bis zwei Unterrichtsstunden.
Ich würde mir übrigens auch als Lehrer im Rahmen einer Kooperation gerne ein paar Uni-Veranstaltungen bei den Herrn Schepplers und Frau Rohs dieser Republik gönnen. Wir müssen ja nicht immer vorne stehen. 😉

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