Mitmach-Netz: Kein Mitmachen und Rücklauf von Weblogs

In der neuen Ausgabe der Media-Perspektiven ist ein Artikel unter dem Titel «Mitmachnetz Web 2.0: Rege Beteiligung nur in Communitys» von Firsch & Gscheidle erschienen. Sie halten fest:

Nur 13 Prozent der Internetnutzer zeigen sich sehr interessiert am aktiven Mitwirken. Bei den meisten Angeboten ist es nur eine geringe Zahl von Onlinern, die für die Bereitstellung der Inhalte sorgt. So rufen 51 Prozent der Onliner beispielsweise Inhalte auf Videoportalen ab, bereitgestellt werden diese aber von gerade einmal 3 Prozent der Onliner.

Dabei ist vor allem folgende Schlussfolgerung spannend:

Für zwei Drittel der Onliner aber ist das Produzieren von user-generated Content schlicht uninteressant. Es zeigt sich also, dass die Voraussetzungen zwar geschaffen sind, die Onliner aber dafür noch nicht bereit zu sein scheinen. Zwei Drittel der Onliner am Einstellen eigener Beiträge nicht interessiert

Auch hier wieder ein eher konservatives Bild: genutzt wird Web 2.0 vor allem zur Rezeption, eine aktive Beteiligung fehlt. Auch hier wieder die nüchterne Zusammenfassung der Autoren:

Massenattraktiv ist also nicht der „Mitmachgedanke“ des Web 2.0, sondern ein schlichtes Unterhaltungs- und Informationsbedürfnis, welches durch user-generierte Inhalte einer Minderheit befriedigt wird.

Weiterhin interessant ist die Tatsache, dass vor allem Weblogs einen Rücklauf in der Akzeptanz zu verzeichnen haben:

Weblogs gehören zu den Web-2.0-Funktionen, die nach den aktuellen Daten weniger gefragt sind als noch ein Jahr zuvor. Nur 24 Prozent der Onliner können mit dem Begriff Weblog überhaupt etwas Konkretes verbinden, nur 6 Prozent haben bereits Blogs genutzt (vgl. Tabelle 7). Damit fällt diese Angebotsform auf das Akzeptanzniveau von 2006 zurück. Die überwiegende Haltung beim Besuch eines Weblogs ist eine passive: 61 Prozent der Weblognutzer lesen schlicht die Beiträge, nur 39 Prozent sind aktiv und verfassen bzw. kommentieren auch selbst. Das Interesse, sich aktiv einzubringen, nimmt mit zunehmendem Alter stark ab. 63 Prozent der Teenager, die Weblogs nutzen, verfassen und/oder kommentieren auch Beiträge, unter den Twens sind es 44 Prozent und bei 30- bis 39-Jähri- gen liegt der Anteil der aktiven Teilnehmer noch bei 18 Prozent.

Ist die Zeit des Bloggens also schon wieder vorbei? Die Autoren führen dies noch weiter aus:

In der generellen Wahrnehmung von Weblogs zeigt sich, dass diese häufig zwar als interessant, aber wenig glaubwürdig wahrgenommen werden. Knapp die Hälfte derer, die Weblogs kennen oder nutzen, stimmen voll und ganz oder weitgehend der Aussage zu, dass die auf Weblogs verbreiteten Beiträge interessante Informationen enthalten (vgl. Tabelle 8). Als Informationsquelle haben Weblogs in der Wahrnehmung der Befragten aber ein Glaubwürdigkeitsproblem. Nur 29 Prozent halten die auf Weblogs verbreiteten Informationen für glaubwürdig. Eine Mehrheit von 71 Prozent ist skeptisch und misstraut dem Wahrheitsgehalt von Weblogs eher. Entsprechend sieht auch nur eine Minderheit in Weblogs eine Konkurrenz zu professionellen journalistischen Angeboten.

Wieder einmal werden Weblogs mit journalistischen Angeboten verglichen. Ein Problem ist meiner Meinung nach, dass zu wenig zwischen den verschiedenen Arten und Funktionen von Weblogs unterschieden wird: Knowledge Blogs unterscheiden sich grundlegend von journalistischen Blogs und privaten Tagebüchern. Hier lohnt es sich meines Erachtens nach, die einzelnen Blogtypen näher zu untersuchen und ausgehend davon Aussagen zu erheben.

Comments

Unabhängig von der leidigen Diskussion Blogs vs. Journalismus finde ich Sätze wie diesen klasse:

»Eine Mehrheit von 71 Prozent ist skeptisch und misstraut dem Wahrheitsgehalt von Weblogs eher.«

Das ist doch toll, wenn diese kritische Distanz auch auf die Wahrnehmung des so genannten Qualitätsjournalismus abfärbt.

Hallo Mandy,

ich stimme dir zu: Die Betrachtung einzelner Blogtypen ist meines Erachtens von entscheidender Bedeutung. Die Motive des Bloggens und die Intention, die dahintersteckt ist doch bspw. zwischen einem Weblog, der als „Tagebuch“ ausgelegt ist und einem Knowledge Blog sehr unterschiedlich. Das spiegelt sich dann auch in der Glaubwürdigkeit wieder: Es ist nachvollziehbar, dass John Doe, der über sein persönliches Interesse berichtet, weniger glaubwürdig erscheint, als ein Wissenschaftler, der über sein Fachgebiet berichtet.

Solche Pauschalaussagen sind immer schwierig zu treffen, aber zumindest freut es mich, dass weiterhin rege in Sachen Web 2.0 und Weblogs geforscht wird – sooo uninteressant kann es also garnicht sein. 😉

Viele Grüße,
Tamara

Ich finde die Art, wie diese Studie ihre Zahlen interpretiert, durchaus diskussionswürdig. Fisch/Gscheidle stellen fest, das 57% der Teenager Content produzieren. Im Absatz später dann der von Ihnen zitierte Satz, dass für zwei Drittel der Onliner das Produktionsaspekt irrelevant sei. Das kann wohl kaum wundern. Gscheidle/Fisch wissen doch selbst sehr gut, dass in absoluten Zahlen mehr als 50% der dt. Internetnutzer „Silversurfer“ sind. Dass diese das Internet in einem eher massenmedialen Habitus verwenden, ist weithin bekannt. Die Gesamtpopulation als Bezugspunkt für derart genealisierende Schlussfolgerungen zu nehmen, ist mehr als problematisch.

Mein Empfinden ist (und dies ist nicht die erste Studie, bei das so ist), dass die ARD/ZDF-Onlinestudie in ihren Interpretationen weitgehend versucht, neue Medien auf der Folie von Massenmedien zu verstehen und dabei ihre enormen und evidenten Innovationspotenziale, wie am obigen Beispiel deutlich zu sehen ist, nivelliert.

Ich werfe Gscheidle/Fisch und anderen AutorInnen der ARD/ZDF-Onlinestudie damit selbstverständlich keine Lobbyarbeit für ihre Auftraggeber vor. Aber die jahrelange Perspektive auf Massenmedien scheint eine gewisse Tendenz mit sich zu bringen, Neues auf alte Wahrnehmungsmuster zu reduzieren.

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