Tagung «Medienbildung im Spannungsfeld medienpädagogischer Leitbegriffe», Teil I

Heute war der erste Tag der Herbsttagung der Sektion Medienpädagogik der DGfE hier in Zürich. Diese Tagung steht ganz unter dem Motto «Medienbildung im Spannungsfeld medienpädagogischer Leitbegriffe» und hat sich zum Ziel gesetzt, die unterschiedlichen Begriffe im Bereich Medienpädagogik zu schärfen.

An der Tagung stehen Fragen im Zentrum wie:
Wie stehen die Leitbegriffe der Medienkompetenz, Medienerziehung und Medienbildung zueinander?
In welchem Verhältnis zu den beiden genannten Begriffen steht das im anglo-amerikanischen Raum favorisierte Konzept der «Media literacy»?
Wie weit ist es sinnvoll den Bildungsbegriff der erziehungswissenschaftlichen Tradition in die medienpädagogische Diskussion aufzunehmen?
Welche Bedeutung hat der Begriff der Medienbildung in den verschiedenen – schulischen und ausserschulischen – medienpädagogischen Feldern?
In welchem Verhältnis stehen Medienbildung und Medienerziehung zueinander?
Wie weit kann der Begriff der Medienbildung auch für die Bereiche ICT in den Schulen und für eLearning eine Leitperspektive darstellen?
Wie kann Medienbildung in den Curricula der Schulen nachhaltig verankert und im Rahmen vom Unterrichtsprojekten umgesetzt werden?
Wie ist das Verhältnis von Medienbildung und Mediendidaktik zu konzipieren?

Nun ist der erste Tag zu Ende, und ich versuche, ein kurzes Resümee für mich zu ziehen. Begonnen hat die Tagung mit einem Doktoranden-Workshop, den ich zusammen mit Petra Grell und Franco Rau moderiert habe. Da die Einreichungen nicht so zahlreich waren, haben wir den zweiten Teil offen gestaltet, um Diskussionswünsche der Doktoranden einen Raum zu geben. So haben wir einen Vortrag und ein Poster zu geplanten Dissertationen besprechen können. Von den Doktoranden kamen vor allem Fragen zur Legitimation pädagogischer Interventionen im Feld, zur Eingrenzung der Forschungsfragen, zu Fragen der Methodologie und Fragen zur Bewältigung der Datenflut (vor allem bei qualitativen Arbeiten). Wie es bei offenen Formaten so ist, konnten leider nicht alle Dinge besprochen werden, aber zwei Botschaften habe ich mitgenommen: zum ersten geht es darum, nochmals den Austausch unter den Doktoranden anzustossen, denn wir haben schon im Kolloquium gemerkt, dass es mehrere Personen gibt, die an sehr ähnlichen Themen sitzen. Hier können Synergien geschafft werden. Eine erste Form des Austauschs ist dabei unsere gemeinsame Plattform, zu der ich auch hier nochmals interessierte Doktoranden aus dem Bereich Medienpädagogik einladen möchte. Zweitens nehme ich mit, dass ein Austausch über Methodische Zugänge sehr von Bedeutung ist, vielleicht gelingt es ja das nächste Jahr, hier etwas für Doktoranden zu organisieren und den Kreis zu öffnen, denn ich denke, auch Nachbarcommunities sitzen an ähnlichen Fragestellungen.

Nach dem Mittagessen ging es dann an die Begriffsarbeit. Die Paper mit den zugrundeliegenden Statements konnten vorab gelesen werden (und befinden sich für alle, die nicht dabei sind, hier am Ende der Seite). Die Autorinnen und Autoren der drei Best Papers fassten ihre Position nochmals in 15 Minuten zusammen, anschliessend erhielten Bernd Schorb und Dieter Spanhel die Gelegenheit, aufbauend auf den Positionen ihre eigenen Beiträge zu akzentuieren. Und ich muss sagen, es war ein spannender Nachmittag, der nochmals schön sichtbar machte, was Begriffsarbeit in der Wissenschaft bedeutet: Thesen aufstellen, Prüfen, Begriffe schärfen, Repliken entwerfen, usw. Das zugrundeliegende Begriffspaar Medienkompetenz und Medienbildung gaben genug Raum zur Darlegung verschiedenster Postionen. Dabei möchte ich im Folgenden nicht die einzelnen Positionen referieren, sondern festhalten, was für mich wichtig war:

Wichtig (uns schwierig) in der Diskussion rund um Medienbildung und -kompetenz ist, dass beide Begriffe auf Begriffsnetzwerke bezogen sind, Medienkompetenz verweist auf kommunikative Kompetenz, media literacy z.B. auf die Cultural Studies. Ebenso darf die Historizität von Begriffen nicht aus den Augen verloren werden, wie Heinz Moser für den Partizipationsbegriff verdeutlichte.

Benjamin Jörissen wies darauf hin, dass es unterschiedliche Diskurse von Bildung gibt, die auch Auswirkungen auf die Definition von Medienbildung haben. Er unterschied dabei nochmals in einen öffentlichen Gebrauch von Medienkompetenz/Medienbildung und einen wissenschaftlichen Gebrauch. Die Schwierigkeit, die die Erziehungswissenschaft nämlich hat, besteht darin, dass all ihre Begriffe zugleich auch Alltagsbegriffe sind. Dies macht einen öffentlichen Diskurs einfacher, erschwert aber den wissenschaftlichen, da jeder meint, zu wissen, was man der andere sagt. Für den öffentlichen Diskurs ist es egal, ob von Medienkompetenz oder -bildung gesprochen wird, solange es „um die Sache“ gehe. Wichtig ist nur, dass beide Ebenen, also die öffentliche und wissenschaftliche Verwendung der Begriffe getrennt wird.

Isabel Zorn fokussierte vor allem die digitalen Medien strich heraus, dass Medien nicht mehr nur Mittler und Träger sind, sondern in ersten Teilen auch zum Gestalter von Sinn werden. Dabei denke ich aber, dass diese Beziehungen, von denen sie spricht, zwar von programmierten Medien generiert werden, dass es aber dennoch die Interpretationsleistung des Menschen braucht.

Bernd Schorb plädierte dafür, den „agogen“ im Pädagen wieder zu betonen, d.h. das Handeln nicht aus den Augen zu verlieren. Hier schloss Dieter Spanhel an, indem er das Handeln als komplexe Muster darstellt, das eng mit Medialität verknüpft ist. Für ihn ist Medienbildung dann die Organisation des menschlichen Handelns.

Auffallend ist, dass alle Beiträge sich um Orientierung bzw. Orientierungswissen drehten. Ebenso wurde der Begriff des Medium kritisch beäugt (auch ich hatte mich ja hier kurz damit beschäftigt), Diskutanten wie Dieter Spanhel gingen über, statt von Medien von Medialität zu sprechen. Ein dritter Punkt, der immer wieder zur Diskussion kam, war die Differenz (oder besser das Kontinuum) zwischen Theorie und Praxis  mit der Frage, was eigentlich Praktiker von dieser Diskussion hätten, oder ob es sich nicht nur um ein wissenschaftliches Glasperlenspiel handele.

Was bleibt vom ersten Tag? Auf jeden Fall ein brummender Schädel, um all die Eindrücke, Statements und Denkanker, die ich oben nur angedeutet habe, zu verarbeiten. Zum zweiten natürlich viel Literatur, auf die Bezug genommen wurde, und die der ersten Sichtung nach lohnt, weiter zu bearbeiten. Und zu aller Letzt natürlich Freude auf morgen, denn dann wird die Diskussion erweitert, zum einen um neue Begriffe (wie media literacy, Mediendidaktik und Medienerziehung) zum anderen auch mit neuen Diskutanten. Ich bin gespannt.