Blockchain for education … the „next big thing“?

Es gibt einen neuen Hype, der die Technologiewelt begeistert und – möglicherweise - auch den Bildungsbereich erfassen wird, ohne dass er in den meisten Trendberichten zu aktueller Bildungstechnologie je Erwähnung gefunden hat (Ausnahmen gibt es natürlich immer, siehe hier): Blockchain (Erklärung z.B. hier, hier).

Es zeigt, dass Prognosen in der heutigen Zeit schwierig sind und der Bildungsbereich (mehr und mehr) von technologischen Entwicklungen getrieben ist. Dabei stellt sich zwar auch die Frage der pädagogischen Relevanz, viel entscheidender ist mittlerweile aber die Frage, welche Durchdringung die Technologie (im Bildungsbereich) erreichen wird und welche Aus- und Wechselwirkungen sich dadurch für das System formaler (staatlicher) und non-formaler Bildung (insb. Weiterbildung) ergeben werden. Dabei sind sowohl mögliche Innovationspotenziale gemeint, aber auch mögliche Gefahren und Risiken.

Die Beantwortung dieser Fragen ist angesichts des frühen Entwicklungsstatus schwierig, gleichzeitig werden aktuell, so scheint es, die Weichen für die Zukunft gestellt. Die Bedeutung von Blockchain ergibt sich dabei vor allem aufgrund der prognostizierten wirtschaftlichen Bedeutung. Vor allem große Banken und IT-Unternehmen, allen voran IBM, beschäftigen sich mit der Technologie und entwickeln mögliche Geschäftsmodelle. Es wäre naiv zu glauben, dass hier altruistische Motive ausschlaggebend sind, um revolutionäre Ideen zu unterstützen. Es geht um die Frage, wie auf mögliche technologiegetriebene Veränderungen in der Finanzwelt, aber auch im Gesundheits-, Energie-, Versicherungs- und auch Bildungsbereich (Branchenbeispiele z.B. hier) reagiert werden kann, um die eigenen Marktposition zu verbessern und für die kommenden Entwicklungen gewappnet zu sein. Dabei ist es zunächst irrelevant, ob die Technologie so bedeutsam ist, dass sich „die Großen“ damit beschäftigen, oder die Technologie so bedeutsam wird, weil sich „die Großen“ damit beschäftigen. Trotz allem ist die Zukunft nicht vorhersehbar und die Feststellung  „Blockchain is clearly more than just hype.“ (Quelle) bewegt sich wohl eher irgendwo zwischen Hoffnung und Fazit.

Für den Bildungsbereich ist Blockchain für die Frage der Dokumentation und Validierung von Kompetenzen/Qualifikationen/Abschlüssen von Bedeutung (siehe hier), also einem Thema, welches von aktueller Relevanz ist (siehe hier). Wie weit die Entwicklungen bereits sind, zeigen folgende Beispiele:

  1. Das MIT Media Lab hat Zertifikate für die Media Lab Community eingeführt und diese mit der Blockchain-Technologie als Plattform verbunden (siehe hier).
  2. Die Holberton School hat in Partnerschaft mit  Bitproof Blockchain eingeführt, um ihre Abschlüsse zugänglich zu machen und nachzuweisen (siehe hier). Auch die University of Nicosia bietet diese Möglichkeit an (siehe hier) und die Open University arbeitet mit APPII an der Entwicklung entsprechender Lösungen (siehe hier).
  3. Die Open Badges Community beschäftigt sich mit der Verbindung von Badges und Blockchain (siehe hier).
  4. Sony Global Education entwickelt eine Bildungsinfrastruktur auf Basis von Blockchain, um (akademische) Abschlüsse zu teilen und nachzuweisen.

Es gibt noch viele weitere Beispiele. Donald Clark hat eine Übersicht über grundlegende Einsatzmöglichkeiten zusammengestellt (siehe hier) und auch Knowledgework gibt eine Übersicht über mögliche Anwendungsfelder und damit verbundene Veränderungen für den Bildungsbereich (siehe hier). Auf den Seiten der Open University gibt es auch einige Anwendungsbeispiele zu sehen (hier).

Am Ende bleiben für mich vor allem viele Fragen. Wird Blockchain (wie erhofft) zur Demokratisierung der Bildung beitragen? Welche Auswirkungen wird die Einführung von Blockchain für das das Bildungssystem haben? Deutet sich hier eine Lösung für die Dokumentation und den Nachweis von Kompetenzen an?  Wer wird die Lösungen anbieten? Wie werden sich solche Systeme finanzieren? Welche Geschäftsmodelle werden (ergänzend) entwickelt? Und warum wird in Deutschland darüber so wenig diskutiert?

Comments

Warum wird in Deutschland so wenig darüber diskutiert?
a) Technologiefeindlichkeit
b) Obrigkeitsdenken & damit Marktängste
c) Bequemlichkeit
d) BildungsbürgerInnen bilden sich selbst nicht weiter
e) fehlende Diskurskultur
f) Rückwärtsgewandtheit
g) Arroganz und damit Abschottung
h) …

Nur erste Assoziationen, die sich mir spontan aufdrängen.

Hallo Matthias,

ich empfehle an dieser Stelle das Buch „Blockchain Revolution“ von Alex und Don Tapscott. Hinter dem reißerischen Titel verbirgt sich ein sehr gut recherchiertes und hochaktuelles Buch. Auch wenn das Thema Bildung in dem Buch eher Nebensache ist, glaube ich, dass du viel daraus mitnehmen kannst.

Insbesondere werden viele Geschäftsmodelle durchgespielt, die ein paar neue Blickwinkel auf unsere (Wirtschafts-)welt ermöglichen :-).

VG
Bastian

Hallo Anja, ich beobachte, dass es (nicht nur) in Deutschland unterschiedliche Haltungen zur Technologie in Wirtschaft und Bildung gibt und eine Diskrepanz zwischen der Entwicklung und der Anwendung von Technologien. Während in der Wirtschaft die technologische Marktführerschaft gefordert wird, ist in der Bildung eine große Zurückhaltung zu verzeichnen. Gleichzeitig fehlt es mir an einer breiten Auseinandersetzung zu technologischen Entwicklungen und deren gesellschaftliche Chancen und Risiken (insbesondere in der IT). Im Zusammenhang mit Blockchain fällt mir dabei zum ersten mal auch auf, dass diese Technologien kaum noch verständlich sind und eine Auseinandersetzung damit immer schwieriger wird. Es braucht daher mehr Initiativen, die hier Aufklärung leisten und eine andere, offene(re) Haltung, sich mit diesen Entwicklungen zu beschäftigen.

Hallo Bastian, vielen Dank für den Tipp!

Hallo Matthias,

für meinen Geschmack haben wir in D einen etwas zu breiten Diskurs zu den IT-Risiken und einen fast kaum vorhandenen Diskurs zu den Chancen. Insofern stimme ich nicht ganz überein 😉

Warum die Bildungsmenschen sich selbst kaum zeitgemäß weiterbilden, um annähernd auf dem sozio-kulturellen wie sozio-technologischen Stand zu sein, ist eine gesellschaftliche Herausforderung, die aus meiner Sicht nur noch disruptiv transformativ gelöst werden kann. Das liegt vermutlich in der Natur der (Beamten- & Katheder-)Sache, dass man sich dann nur noch den erbaulichen Fächern der Weiterbildung widmet…

Ich bin mir auch gar nicht sicher, ob die Blockchain-Technologie wirklich so schwierig verständlich ist – auch wenn ich selbst weit entfernt bin, sie in ihrer Tiefe zu verstehen. Vielleicht müssen wir generell eher darauf hinarbeiten, transdisziplinärer zu arbeiten, weniger unsere engen, fachlichen Scheuklappen aufzusetzen und uns weiter zu öffnen. Diesbezüglich stimme ich mit dir überein.

Was mir bei der Blockchain-Diskussion auffällt, ist: Der treibende Impetus ist auch hier wieder eine emanzipatorische Kraft, die Probleme der aktuellen Zeit mit technologischen Mitteln transformativ zu lösen versucht. Insofern sehe ich weniger eine „technologische Marktführerschaft“ der bestehenden Industrie hier am Werk als vielmehr die Hoffnung auch vieler Sozialromantiker/innen, den Kapitalismus „gerechter“ zu machen. Ob dies gelingen mag, kann man gut und gerne bezweifeln, mir selbst ist eine produktive Aktivität aber immer lieber als eine passive Ignoranz.

Zu den mir bekannten Versuchen des Einsatzes der Blockchain-Technologie in der Bildung, kommt mir allerdings immer wieder McLuhan in den Sinn mit seiner Aussage, Menschen nutzen neue Technologien immer so, wie sie die alten Technologien nutzten, vermögen aber erst im Laufe der Zeit das Potenzial der neuen zu erahnen, weil einzelne Menschen quer gedacht haben. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob die Verwaltung der Zertifikate per Blockchain-Technologie wirklich der letzte Schrei ist, aber immerhin: Sie beschäftigen sich schon einmal mit der Technologie. Darauf kann man dann aufbauen.

Hallo Matthias,
Blockchain, egal ob in der Finanzwelt oder im Bildungsbereich setzt vernetztes Denken &Handeln voraus. Gerade das fehlt uns (in Europa und auch in Deutschland).
Ein Beispiel unter vielen? Seit 2003 gibt es die offizielle Initiative Imove, die Weiterbildung Made in Germany international verbreiten (vermarkten) soll. Trotz Förderung von oben und vieler lokaler Initiativen, ohne Interaktionen, fehlt dem teuren Projekt die Vernetzung und damit auch die Reichweite – hierzulande und auch international. Von der aktiven Beteiligung, dem ROI ganz zu schweigen.
Blockchain for education wäre eine gute Re(Aktion) zur feindlichen Übernahme des lukrativen Bildungsbereichs (jenseits der Grundschule). Was ist übrigens der beste Allierte des Training-Business? Die mangelhafte Vernetzung der Nutzer. Wobei wir wieder beim Blockchain-Dilemma wären.

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