Dokumentation und Anerkennung von Kompetenzen im Web 2.0

Die Anerkennung von informell erworbenen Kompetenzen ist ein zentrales Thema der europäischen Bildungspolitik. Mit der Empfehlung der Europäischen Kommission, Lösungen für die Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in den Mitgliedsstaaten der EU zu finden (http://tinyurl.com/kj85ntcO), wird diese Thema auch auf nationaler Ebene noch mal an Bedeutung gewinnen.

Im Rahmen meines Vortrags auf dem diesjährigen DIE-Forum habe ich mich mit den aktuellen Entwicklungen zur Dokumentation und Anerkennung von Kompetenzen im Web 2.0 beschäftigt, die sich im Schatten der oben genannten Initiativen im Netz etablieren.

Nachgezeichnet habe ich zum Beispiel die unterschiedlichen Formen der Dokumentation von Kompetenzen, angefangen von der persönlichen privaten oder professionellen Website, über den eigenen Weblog bis hin zu einem ePortfolio. Während letztere Variante eine sehr explizite und strukturierte Form der Darstellung von Kompetenzen darstellt, ergeben sich gerade durch Social Media sehr viel subtilere Formen der Kompetenzdokumentation,  z.B. in Form von Blogbeiträgen, aber auch über Kommentare, Rezensionen oder Artefakte individueller Leistungen (z.B. Fotos und Videos).  Aber auch alles das, was im Web als Spuren hinterlassen wird, kann als Nachweis der individuellen Kompetenzen dienen und aggregiert werden. So können sich z.B. auch potenzielle Arbeitgeber im Netz ein eigenes Bild über die Kompetenzen eines/einer Bewerbers/Bewerberin machen. Kompetenzdokumentation ist daher nicht immer ein bewusster, sondern kann auch ein sehr unbewusster Akt sein.

An die Frage der Dokumentation von Kompetenzen schließt sich für mich die Frage der Validierung an, d.h., ob die dokumentierten Kompetenzen tatsächlich vorhanden sind oder nicht. Eine Reihe von Social Networks haben daher Formen der Peer-Validation eingeführt, d.h. die Möglichkeit, Kompetenzen anderen Personen zu bestätigen (z.B. bei ResearchGate) oder auch im Sinne von Referenzschreiben zu dokumentieren (z.B. XING). Die klassische Trennung zwischen denjenigen die Kompetenzen dokumentieren und denjenigen die Kompetenzen validieren, werden in diesen Netzwerken aufgehoben, da jede/r beide Rollen einnehmen kann.

Während dieser Form der Validierung der Vorwurf von „Gefälligkeit“ gemacht werden kann, versuchen Badges (Was sind Badges?) qualitätsgesicherte Formen der Zertifizierung im Web zu etablieren. Zwar wird auch bei den Badges die traditionelle Rollenverteilung auf den Kopf gestellt, da jede/r Badges vergeben kann, jedoch sind die Kriterien für die Vergabe der Badges durch Metadaten eindeutig beschrieben (vgl. http://openreli.de/anleitungen/badges/). Im Rahmen des DIE-Forum haben wir intensiv über die Rolle von Badges diskutiert. Kritisch wurde dabei unter anderem hinterfragt, wie kleinteilig Zertifikate sein sollten und ob Zertifikate eine sinnvolle Lernmotivation darstellen. Grundsätzlich bleiben viele Fragen, welche Bedeutung die hier vorgestellten Entwicklungen für die Erwachsenenbildung haben. Als mögliche Forderungen könnte man formulieren:

  1. Öffnung für Dokumentations- und Anerkennungsformen des Web 2.0 auf institutioneller Seite sowohl hinsichtlich Anerkennung entsprechender qualitätsgesicherter Formen als auch Nutzung dieser Formen in den Angeboten.
  2. Sicherung der Qualität von Abschlüssen/Zertifikaten durch die kritische Auseinandersetzung und Weiterentwicklung von Formen der Dokumentation und Anerkennung informell und non-formal erworbener Kompetenzen im Web 2.0
  3. Förderung von Bildungsbenachteiligten für eine gleichberechtigte Teilhabe an den Chancen der Dokumentation und Anerkennung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen durch die Schaffung von Zugänge, Beratung und zielgruppenadäquaten Methoden.
  4. Klärung von Fragen des Datenschutzes bei der Dokumentation von Kompetenzen im Web und Sensibilisierung/Aufklärung in diesem Bereich.

Grundsätzlich bedarf es jedoch zunächst einer weiteren Auseinandersetzung und Diskussion darüber, welche Rolle das Web 2.0 für die Dokumentation und Anerkennung informell erworbener Kompetenzen in der Erwachsenenbildung spielen soll/wird, welche Chancen und Risiken sich aus der aktuellen Entwicklung ergeben und wie sich Einrichtungen der Erwachsenenbildung in diesem Kontext positionieren können.