Die Covid19-Pandemie hat sich gravierend auf alle pädagogischen Handlungsfelder ausgewirkt. Einen Weg zurück zur „alten“ Normalität wird es wohl nicht mehr geben. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass vor allem die Digitalisierung von Lehr-/Lernprozessen einen enormen Schub erhalten hat. Diese Veränderungen zu beschreiben, zu analysieren sowie kritisch zu reflektieren ist eine aktuelle Aufgabe der Forschung, und so haben wir drei Forschungsprojekte über die Bereiche Schule, Hochschule und Weiterbildung gestartet. Leider stehen für entsprechende Forschung aktuell kaum Fördermittel bereit, was auf der einen Seite hinsichtlich dringenderer Aufgaben nachvollziehbar ist, aber auch eine verpasste Chance darstellt, frühzeitig die Auswirkungen der Pandemie zu detektieren.
Folgend wollen wir einen kleinen Einblick in unsere aktuelle Forschung sowie (wo vorhanden) erste Ergebnisse haben) geben:
Ethnographische Studie zu schulischen Praktiken im Elternhaus (1/3) (Mandy Schiefner-Rohs)
Wie greift Schule aktuell ins Elternhaus ein? Wie gestaltet sich die Praxis der Bearbeitung schulischer Aufgaben im Privaten? Das sind Fragen, denen wir in einer Teilstudie des Projekts EduGraphie (https://www.sowi.uni-kl.de/paedagogik/forschung/projekte-allgemeine-paedagogik/projektuebersicht/edugraphie/) nachgehen. Hierbei schauen wir uns ethnographisch an, wie Kinder und Jugendlich aktuell die schulisch gestellten Aufgaben bearbeiten und wie schulische Praktiken ins Elternhaus reichen. Da ethnograpische Forschung vor allem Zeit braucht, ist hier erst im zweiten Halbjahr mit Ergebnissen zu rechnen.
Einstellungen von Studierenden zur Digitalisierung in der Hochschule (2/3) (Mandy Schiefner-Rohs/Matthias Rohs)
Die Lehre wurde bei uns, wie überall, von Präsenz- und Online-Lehre umgestellt. Wie bereits hier dargestellt, habe ich in den letzten Jahren im Rahmen des Seminars Medienpädagogik Essays über die Vorstellungen der Studierenden über eine „Universität im digitalen Zeitalter“ schreiben lassen, in dem sie ihre persönlichen Idealvorstellungen beschreiben sollten. Dabei hat sich ein Großteil der Studierenden für mehr digitale Lehre ausgesprochen, bis hin zu einer vollständigen Digitalisierung, bei der nur noch sporadisch eine Anwesenheit an der Uni notwendig ist. Diese Vorstellungen sind nun recht kurzfristig Realität geworden und uns stelle sich die Frage, wie die Studierenden damit klarkommen und ob sich ihre Einstellungen zur Digitalisierung geändert haben. Insbesondere interessieren uns die Zusammenhänge zwischen den persönlichen Lebensumständen, der Fähigkeit zur Selbstorganisation (welche aktuell eine wichtige Rolle spielt) und Selbstregulation und den Einstellungen zur Online-Lehre.
Um die Veränderungen nachzuvollziehen sind zwei Erhebungszeitpunkte geplant, wobei die erste Befragung bereits abgeschlossen ist. Hier zeigt sich, dass ca. ein Drittel der befragten Studierenden (n=143) sich dieses Semester für mehr Lehrveranstaltungen eingetragen haben. In der Lehre dominieren (bis zu Beginn des Semesters) klassische Learning Management Systeme (OLAT), während Virtual Classrooms oder Videokonferenzen ohne Bedeutung waren. Die Qualität der Online-Lehre und die Kompetenz der Lehrenden in der Online-Lehre wird dabei tendenziell gut eingeschätzt. Ungefähr die Hälfte der Studierenden präferieren einen Mix von 25% Online- und 75%-Präsenz-Lehre. Eine reine Präsenzlehre möchte fast niemand. Als Wesentlich stellen die Studierenden dabei heraus, dass der soziale Austausch nicht darunter leidet, also z.B. Treffen auf dem Campus möglich sind. Die Studierenden versprechen sich vor allem einen besseren Zugriff auf Informationen und mehr Flexibilität.
Schwierigkeiten mit der Online-Lehre zeigten sich kaum, auch wenn die Studierenden in Teilen angaben, dass Online-Lehre anstrengender als Präsenz-Lehre ist.
Die Rückmeldungen werden aktuell noch ausgewertet und sollen uns Orientierung für die Gestaltung der Lehre bieten.
Auswirkungen der Pandemie auf die Digitalisierung an Volkshochschulen (3/3) (Matthias Rohs)
Nicht unwesentlich sind die Auswirkungen der Pandemie auf den Weiterbildungsbereich. Aufgrund der Heterogenität des Feldes der Weiterbildung sind dabei Pauschalisierungen nicht möglich (mmb 2020, Weiterbildung Hessen 2020). Während Online-Anbieter möglicherweise profitiert haben, stehe Anbieter mit Fokus auf regionalen Zielgruppen und geringem Digitalisierungsgrad vor großen Schwierigkeiten – die Startbedingungen und zielgruppenbezogenen Aufträge scheinen eine wichtige Rolle zu spielen.
In Zusammenarbeit mit dem Landesverband der Volkshochschulen Rheinland-Pfalz haben wir uns überlegt, wie wir die aktuelle Situation erfassen können. Dabei haben wir uns gegen eine Online-Fragebogenerhebung entschieden, sondern stattdessen für qualitative Interviews bei 10 Volkshochschulen. Dadurch erhoffen wir uns erklärende Einblicke in die aktuelle Situation, wobei wir durch ein entsprechendes Sampling auch die gesamte Breite der Volkshochschullandschaft, wie sie sich in Rheinland-Pfalz darstellt, adressiert haben. Die Befragung ist abgeschlossen.
Die ersten Eindrücke sind dabei auf der einen Seite, was die konkrete Situation oder den Anteil der digitalisierten Angebote betrifft, sehr unterschiedlich, wobei sich eher Auswirkungen grundsätzlicher Ungleichheiten auf die Digitalisierung zeigen (Lage, Finanzierung u.a.). Große Übereinstimmungen gibt es darin, dass die Digitalisierung in den befragten Volkshochschulen einen enormen Schub erfahren hat und davon ausgegangen wird, dass sich die Angebotsformate auch nachhaltig ändern werden. Volkshochschulen sehen sich aber auch in der Verantwortung Weiterbildung für alle anzubieten, was einer breiten oder gar vollständigen Digitalisierung entgegensteht.
Quellen
mmb – Institut für Medien- und Komptenzforschung. (2020). Die digitale Bildungswirtschaft in Zeiten von Corona: Profiteur oder Opfer? Abgerufen unter https://www.mmb-institut.de/blog/die-digitale-bildungswirtschaft-in-zeiten-von-corona-profiteur-oder-opfer/
Weiterbildung Hessen e.V. (Hrsg.). (2020). Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die hessischen Weiterbildungseinrichtungen. Abgerufen unter https://weiterbildunghessen.de/fileadmin/Bilder/Presse/200430_Befragung_Weiterbildung_Hessen.pdf