eXtreme working – eXtreme learning?

Der Titel der Publikation mag auf den ersten Blick etwas reisserisch wirken, dabei ist er eigentlich nur abgeleitet von „eXtreme programming„, einer Methode der Softwareentwicklung, die in erstaunlicher Weise das Lernen unterstützt, ohne das dieser Gedanke so explizit bei der Entwicklung des Ansatzes im Mittelpunkt stand. Aber der Reihe nach:

eXtreme working – eXtreme learning?: Grenzgänge zwischen Arbeiten und Lernen“ ist der Ergebnisbericht eines Wirtschaftsmodellversuch, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF und begleitet durch das Bundesinstitut für Berufbildung BIBB. Ziel des Modellversuchs war die Erforschung und Entwicklung von Lernformen für kleine und mittelständige Unternehmen in der IT-Branche. Das Projekt basierte dabei u.a. auf einer Studie vom Dehnbostel, Molzberger und Overwien (2003) zu informellen Lernformen in IT-Unternehmen.

Das Buch beleuchtet, wie in der IT-Branche Lernen und Arbeiten miteinander verbunden sind, so dass eine Trennung dieser Bereiche kaum mehr möglich ist. Anhand vieler Beispiele wird dabei gezeigt, wie diese Verschmelzung konkret aussieht und wie sie auch so gestaltet werden kann.

Ein Beispiel dafür ist das oben schon erwähnte eXtreme programming, eine Form des Pair-Programming, bei dem zwei Entwickler gemeinsam an einem Computer und einen Code arbeiten. Eine irre Erfahrung schon beim zusehen. Entwicklung und Reflexion der Ergebnisse sind hier aufs engste miteinander verwoben. Oft begegnet sind uns auch in expliziter oder eher impliziter Form Geschäftsführungstandems, also eine Geschäftsführung, die aus einem kaufmännischem und einem technischen Geschäftsführer bestand. Auch dies für uns ein Ansatz, der die Reflexion des eigenen Tuns in hohem Masse unterstützt. Und noch ein dritten Beispiel, was eigentlich viele kleine Beispiele sind, die wir Lernspots genannt haben: Kleine Reflexionsanlässe, die gezielt in den Arbeitsalltag integriert sind und als Reflexionsfolie für das eigene Tun dienen sollen, wie z.B. Kaffeetassen mit Fragen wie „Wer könnte das Problem sonst noch lösen?“ oder „Genug getestet?“ oder kleinen Applikationen, die die Teamstimmung darstellen. Diese Elemente wurden dabei nie bewusst als Lernunterstützung implementiert, tragen aber dazu bei Erfahrungen zu reflektieren und Lernen zu unterstützen.

Lernen, so vielleicht als kleinen Fazit, ist notwendiger Bestandteil in allen Firmen gewesen, die wir begleitet haben. Alle Firmen haben viel getan um Lernen zu unterstützen, ohne dass ihnen das bewusst war und dass man auf den ersten Blick von Lernen sprechen würde. Lernen wurde im Arbeitsprozess gefördert und Formen der Lernunterstützung sind deshalb im Arbeitsprozess zu finden. Für die Gestaltung von Lernen in kleinen und mittelständischen IT-Unternehmen heisst dies: Lernen viel konsequenter aus dem Blickwinkel der Arbeit zu betrachten und vor allem das informelle Lernen zu fördern.

Unsere Erfarung zeigt, das Lernen in den begleiteten Unternehmen immer ein Thema war, dass mit Schulungen in Verbindung gebracht wurde, selten mit den vielen kleinen und grössere Initiativen, die das Lernen im Arbeitsprozess unterstützt haben. Die Diskussion um Lernen im Arbeitsprozess ist bei ihnen noch nicht angekommen – und dies ist kein Vorwurf an die Unternehmen, sondern an die Wissenschaft, die es nicht schafft ihre Ergebnisse auch dieser Zielgruppe zu kommuniziern. Vor diesem Hintergrund haben wir eine neue Form der Publikation unserer Ergebnisse gesucht und versucht, unsere Ergebnisse in einem ansprechendem Format mit einer verständlichen Art zu dokumentieren. Leider erweckt diese Stil schnell den Eindruck unwissenschaftlichen Schreibens, worin vielleicht auch der Grund gesehen werden muss, warum das Buch erst drei Jahre nicht veröffentlicht wurde, bis wir es jetzt schliesslich selbst in die Hand genommen haben – dann leider ohne finanzielle Mittel und daher „nur“ als eBook.Wir sind dennoch froh, dass das Buch nun erschienen ist und in dieser Form nun vorliegt.

Quellen:

Dehnbostel, P., Molzberger, G. & Overwien, B. (2003). Informelles Lernen in modernen Arbeitsstrukturen. Dargestellt am Beispiel von Klein- und Mittelbetrieben der IT-Branche, Schriftenreihe der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Heft 56, Berlin.

Brüggemann, A., Dehnbostel P. & Rohs, M. (2010).  eXtreme working – eXtreme learning? Grenzgänge zwischen Arbeiten und Lernen in der IT-Branche. Münster: Waxmann-Verlag.