GMW 09 | Blick(e) zurück

//Während ich die Erlebnisse der letzten Tage zunächst schlafend verarbeitet habe, war Mandy schon mit ihrem Rückblick auf die GMW/DeLFI fertig. Daher kommentiere und ergänze ich an einigen Stellen noch – und das dialogisch-narrative ist ja auch  ein „Trend“, der in den letzten Tagen gesetzt wurde. Doch dazu später mehr.//

Nun ist sie wieder vorbei, die GMW 09, die dieses Jahr zusammen mit der DeLFI-Tagung in Berlin stattfand. Und ich muss sagen, es war eine sehr gut organisierte Tagung: vom Keksmangel hab ich nichts mehr gemerkt ;-), das Programmübersichtsblatt war sehr hilfreich, und auch sonst merkte man die professionelle Organisation, die sich sogar um die Kinderbetreuung kümmerte, auch wenn diese letztendlich aufgrund mangelnder Nachfrage nicht stattfand. So kam es dazu, dass die Konferenzteilnehmer immer jünger wurden 😉

//Das Kongresszentrum nebst Tagungshotel war so neu, dass einiges auch erstmal auf seine Funktionsfähigkeit getestet wurde. Bis auf kleinere Mängel wurde dieser Test auch meines Erachtens sehr gut bestanden. Super Service vor allem im Hotel und sehr leckeres Essen. Gefallen hat mir auch, dass die einzelnen Tracks sehr gut besucht waren – also nicht zu kleinteilig strukturiert wurde.//

Die Ausrichtung zusammen mit der DeLFI fand ich sehr spannend, ergaben sich doch wirklich an der ein oder anderen Stelle spannende Diskussionen zwischen Informatikern und Mediendidaktikern.

//Interdisziplinarität finde ich beim E-Learning (und nicht nur da) Voraussetzung für gute Arbeit. Aus dieser Perspektive finde ich die Kopplung von GMW und DeLFI fast schon notwendig. Ich habe diese „Fusion“ kaum bemerkt, weder in der Organisation, noch in der Diskussion (super!) In dem (DeLFI)Workshop „eLectures“ waren sogar mehr Didaktik- als Technik-Interessierte.  Wichtig wäre mir nur, dass keine Sichtweise die andere dominiert. Ob dies so war oder nicht, kann ich allerdings nicht beurteilen.//

Ein Thema war dieses Jahr Twitter. Nicht inhaltlich in den Sessions und Vorträgen, wie ich hier schon einmal vermutete, sondern im Rahmen der Tagungsorganisation. Mit dem Hashtag #bel09 wurde auf der Tagung getwittert, was das Zeug hielt. Selbst Skeptiker konnten zum Mitmachen überzeugt werden. Und über das Phänomen Twitter hatte ich spannende Pausengespräche: Wir haben uns z.B. gefragt, wie sinnvoll Twitter denn als Tagungskommunikationselement ist. Auf der einen Seite hat man so einen schönen Ãœberblick, was der oder diejenige von der Tagung und oder dem Referat hält und erhält so ein „Stimmungsbild“ sowie Kommunikationsanlässe. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass man in 140 Zeiten Referenten oder Themen schnell bewertet oder (ver)urteilt, ohne bewusst darüber zu reflektieren. Man muss sich bewusst sein, dass dieses Urteil dann für „immer und ewig“ im Netz ist. Weiterhin wurde extensiv diskutiert, welchen Impact das Twittern eigentlich hat. Twittern nur die neuen, jungen Web2.0ler, oder wird das Gezwitschere auch von den Etablierten als relevant empfunden? Nimmt man sich gegenseitig wahr? Dies sind Fragen, die sich an mehreren Punkten ergeben haben.

//Jaja, neben den eigentlichen Themen hat das Twittern viel Aufmerksamkeit bekommen. Meines Erachtens zu viel – Jaja, ich höre jetzt schon das Stöhen über die ewig Gestrigen – Ich meine aber nicht das Twittern an sich, sondern die Gefahr, dass dadurch Meinungen Einzelner zu dominant werden. Wie die Statistik zeigt (thanx to thbernhardt) waren zwar 133 Leute beteiligt, aber mehr als die Hälfte der ca. 1300 Beiträge kam von 10 Leuten. Kontroverse Sichtweisen habe ich kaum gefunden. Entweder war es gut oder schlecht. Aber das ist ja auch klar: wie kann man einen Vortrag in 140 Zeichen differenziert würdigen? Aber noch mal deutlich: Ich habe nichts gegen twittern, sondern finde es nur wichtig mal auf die problematischen Seiten hinzuweisen. Die habe ich auch für mich selbst erlebt: Zuhören und einen halbwegs sinnvollen Kommentar zu twittern oder die Twitterbeiträge parallel auf der Leinwand hinter dem Referenten zu lesen, übersteigt meine Multi-Tasking-Fähigkeit. Besser fand ich die Twitterwall im Flur und die Möglichkeit mich hier wie auch auf der GMW-Website in den Pausen über das Treiben in den anderen Vorträgen zu informieren. Insgesamt wäre mir daher weniger Dominanz des Gezwitschers lieber.//

Doch nun auch noch ein paar Worte zum Inhalt. Leider konnte ich nicht so viel sehen wie ich wollte, so dass sich mein Urteil nur auf ein paar wenige Vorträge bezieht und es sein kann, dass ich der Tagung im Ganzen nicht gerecht werde. Dennoch fiel auf, dass es zumindest für mich wenig Neues oder Spannendes gab. Nun muss ja nicht immer alles neu sein, aber zum Mit- und Weiterdenken wurde ich eher in den Pausen und am Abend angeregt.

Ein wenig enttäuscht war ich von den Keynotes am ersten Tag, doch der zweite Tag wurde merklich besser. Nach Erfahrungen aus dem OLPC-Projekt präsentierte Wolfgang Coy einen historischen Überblick über die Entwicklung der Enzyklopädien und dem Verständnis von Wissen(schaft) dahinter, um dann auf die Wikipedia zu sprechen zu kommen. Auch wenn es sicherlich für die meisten nichts neues war, gefiel die systematische Zusammenstellung.

//Wie schon per Tweet angemerkt, ist mir aufgefallen, dass sich fast alle Keynotes aus einer historischen Perspektive entwickelten, was bei mir den Eindruck erweckte, dass es einen Bedarf an Orientierung und „geschichtlicher“ Interpretation aktueller Entwicklungen gibt. Allgemein stellte sich für mich die Frage, was der (auch mein) Anspruch an Keynotes ist. Ich hätte mir  lieber etwas mehr Kontroverse und Reflexion gewünscht. Dafür hätte es  – bei aller Wertschätzung der Referenten – auch mal jemand Unbekanntes sein dürfen.//

Sehr kontrovers wurde der Beitrag von Gudrun Bachmann, Antonia Bertschinger, Jan MiluÅ¡ka mit dem Titel „E-Learning ade – tut Scheiden weh?“ diskutiert. Gerade in den fiktiven Diskussionen, die sie am Anfang ihrer Präsentation zeigten, fühlte sich der ein oder andere Besucher stark an die eigene Arbeit erinnert (zum Beispiel die Abgrenzungsproblematik zwischen Hochschuldidaktik und E-Learning). Sie plädierten zusammenfassend dafür, den Begriff „E-Learning“ abzuschaffen (Martin und ich haben es unter einem anderen Aspekt auch einmal  versucht) und reden nun von „Neuen Medien“ in der Lehre . Nun ist auch dieser Begriff, wie ich finde, nicht klug gewählt, denn wann sind den Medien „neu“ und ab wann alt? Was mir aber gefällt, ist die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Abteilungen an konkreten Themen und Problemstellungen aus der Lehre, die sie unter verschiedenen Gesichtspunkten und Zugängen in einem Werkzeugleitfaden zusammengetragen haben.

//Viele Beispiele (wie z.B. Wissensmanagement) zeigen, wie sich Begriffe scheinbar „abnutzen“ oder auch auch zunehmend verwässern (z.B. Kompetenz). Einerseits geht es dann darum neue „Marketingbegriffe“ zu finden oder aber darum, neue Ausrichtungen eines Gegenstands auch begrifflich zu würdigen. Beide Sichtweisen finde ich  beim Beispiel E-Learning wieder. Das Problem sind einerseits sicherlich nicht erfüllte Erwartungen, die mit dem Begriff E-Learning geweckt wurden und nun für ein negatives Image sorgen. Zum anderen brauchen E-Learning Dienstleister durch die teilweise „Normalisierung“ des Einsatzes von E-Learning neue Legitimation, die sie in einer Ausweitung ihres Handlungsspektrums u.a. auf Administration, Wissensmanagement und Forschung sehen. Dies sind aber zwei verschiedene Ausgangslagen, die hier zusammentreffen und vielleicht auch unterschiedliche Antworten brauchen … und meines Erachtens auch in den nächsten Jahren finden werden. Aber auch der Begriff E-Learning ist durchaus geeignet, sich weiterzuentwickeln – sofern das Lernen(!) mit IT zentral bleibt. Zumal für mich sinnvolle begriffliche Alternativen fehlen.

Bezüglich des Werkzeigleitfadens sei noch auf http://www.learnersgarden.com/index.php hingewiesen. Ein spannendes Projekt, vorgestellt von Wolfgang Neuhaus (FU Berlin).

Noch nicht erwähnt, aber eines meiner Highlights an der GMW, war der dialogische Vortag von Gabi Reinmann und Tobias Jenert. Schön gemacht, innovativ, inhaltlich gehaltvoll und provokant und dabei noch sympathisch. In dieser Kombination wohl einzigartig in diesem Bereich in Deutschland.

Na fast jedenfalls. Denn vollkommen einverstanden bin ich auch mit dem Best Paper Award für Christian Kohls. Auch der Vortrag war gut gemacht – wenn auch der Versuch misslang,  alle Gedanken zu einem Thema in 20 min Vortrag zu packen ;)//

Zwischenbemerkung: Soeben bin ich noch auf der Website vorbeigesurft und habe mit Freude festgestellt, dass diese ganz neu ist. Neben dem oben erwähnten Werkzeugfaden ist besonders  ist die Rubrik „Hype or no hype“ mit folgender Beschreibung nett:

In der Reihe „hype or no hype?“ präsentieren wir in lockerer Folge neue Phänomene aus der Welt der Neuen Medien im Unterricht und versuchen dabei zu ergründen, ob sie echte Innovation bieten und/oder ob für Lehre und Studium einen Nutzen erbringen (können). (Quelle: Learntechnet)

Bisher erschienen sind zwei Dokumente zu Portfolios und Twitter, wie ich finde, sehr gut einsetzbar im Rahmen der Weiterbildung und Informationsvermittlung bei Dozierenden.

Ein weiteres Highlight war natürlich der Gewinn des Medida-Publikumspreises an das IMB Team der Universität Augsburg. Das Team hat extrem viel Arbeit und Kreativität in diese Bewerbung gesteckt, so dass es mich sehr gefreut hat, dass sie „Sieger der Herzen“ geworden sind, auch wenn das für den einen oder die andere ein wenig enttäuschen war. Dennoch: Augsburg rockt 😉

//Ich freue mich natürlich für Zürich und DoIT, hätte es aber auch jedem anderen gegönnt. Es ist sicherlich immer eine schwierige Entscheidung, den Sieger zu ermitteln, zumal durch die Unterschiedlichkeit der Projekte es wohl mehr ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen ist.//

Weiterhin erwähnenswert war die Podiumsdiskussion heute mittag. Unter dem Stichwort „Der unaufhaltsame Aufstieg der digitalen Medien in der Bildung!?“ diskutierten Prof. Dr. Peter Baumgartner, Prof. Dr. Horst Niesyto, Thea Payome, Prof. Dr. Heidi Schelhowe sowie Prof. Dr. Oliver Vornberger. Hier wurde explizit nochmals die Aufgabe der Universität zur Persönlichkeitsbildung verbunden mit der Kritikfähigkeit herausgestrichen – eine Ausrichtung, die in den letzten Jahren mehr und mehr im Employability-Diskurs zu verschwinden drohte. Auch Sätze wie „Lehre wird nicht per se besser, wenn sie digital ist“ sind nicht neu, in ihrer Deutlichkeit aber immer wieder wichtig, auch (und vielleicht gerade) unter E-Learning Enthusiasten. Doch sehr gefallen hat mir die Aussage von Peter Baumgartner, die sinngemäss lautete: „Wir haben die didaktischen Möglichkeiten von Bologna nicht genutzt“ … hier wird es meiner Meinung nach in den nächsten Jahren noch erheblichen Nachbesserungsbedarf geben.

Mein Fazit der diesjährigen GMW-Tagung: sehr viel spannende Gespräche, die nun erstmal weiter als nur in diesem Blogposting verarbeitet werden müssen. Auch der Tagungsband lädt zum Schmökern ein, dieses Jahr auch wieder online zugänglich sein sollte (?). Was bleibt, die die Freude auf das nächste Klassentreffen, diesmal in Zürich.

//Mein Fazit: Wenn einem nichts wirklich negatives einfällt, muss es wohl ganz gut gewesen sein 🙂 Ich freue mich auch auf die Schweiz, die auf der GMW 09 ja schon fast vollzählig vertreten war 😉 //