Herbsttagung Kommission Medienpädagogik (DGfE)

Diese Woche war ich in Dortmund auf der Herbsttagung der Kommission Medienpädagogik der DGfE. Thema der Tagung lautete „Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung: Bildungs- und Lernprozesse mit (digitalen) Medien in der Schule und medienpädagogische Professionalisierung“. Sehr gespannt bin ich nach Dortmund gereist, war ich doch bisher noch nie auf einer Tagung dieser Kommission, deren Arbeit ich bisher dennoch intensiv verfolgt habe.

Nach einer turbulenten Anreise habe ich es doch noch geschafft, das Doktorandenforum zu besuchen, was sich im Rahmen von Vernetzung sehr gelohnt hat. Dazu gibt es an späterer Stelle mehr Informationen. Was mir inhaltlich auffiel, war die grosse Bedeutung, die das Konzept des medialen Habitus in der Arbeit der meisten Doktoranden einnimmt. Hier wird es in nächster Zeit einige spannende Arbeiten geben, die sich näher mit dem medialen Habitus von Lehrenden auseinandersetzen.

Dann begann die Tagung mit vielen Beiträgen, so dass ich hier nur auf eine Auswahl eingehen kann:

Den Beitrag von Joke Voogt (Universität Twente, Niederlande) Are teachers ready to teach in the information society? – An international perspective (Abstract) kann man eigentlich mit drei Schlagworten zusammenfassen: skill, will and access. Wie sich aufgrund der Auswertungen der SITES Studien zeigte, liegt es genau daran: „Enhancing an educator’s will, skill and access to technolgy tools will in turn lead to higher stages of classroom technology integration“. Sie stellte weiterhin das Konzept der Teacher Leaders vor, von denen der Medieneinsatz abhängt (was nicht immer die gleiche Person wie der oder die ICT-Verantwortliche sein muss).

Mehr Informationen auch über weitere Ergebnisse finden sich  im International Handbook of Information Technology in Primary and Secondary Education.

Danach hielt  Margaret Cox vom  King’s College London, UK unter dem Titel Researching IT in education (Abstract) einen spannenden Vortrag, in dem sie vor allem auf die Entwicklung der ICT-Forschung einging (wie schon an der GMW auch hier ein Beitrag, der auch ein wenig die Historie aufgezeigt hat). Spannend war vor allem ihr Statement, dass man in England weg kommt von der individuellen Nutzung des Computers im Klassenraum, hin zu einer gemeinsamen Nutzung (z.B. mit SmartBoards).  Gefallen hat mir, dass sie aber auch die Finger auf die Wunden gelegt hat und einige Studien kritisch reflektierte, so z.B. die Untersuchung über „Web 2.0 Technologies for learning at key stages 3 and 4 in and out schools“ http://www.lsri.nottingham.ac.uk/web2.0/ in der die zeitliche Einordnung der Aktivitäten vergessen wurde.

In einem Video wies sie nochmals auf die Medienwelten Jugendlicher hin, die sich mit Medien ändern (1. Beitrag):

Renate Schulz-Zander, IFS, TU Dortmund sprach über Bildungs- und Lernprozesse mit digitalen Medien in der Schule und berichtete über einige spannende Ergebnisse aus ihren Projekten, z.B. Lehrerkooperation mit Medien. Auch hier zeigen sich bisher eher traditionelle Konzepte: häufig gibt es einen Austausch von Materialien und Information, selten gibt es kollaboratives Arbeiten, Ko-Konstruktion von pädagogischem und didaktischem Wissen oder professionelle Lerngemeinschaften. Zusammenfassend kann man sagen, dass es durch Medien keine grundlegende Veränderung der Kooperation gibt, aber digitale Medien bestehende Kooperationen vertiefen und die Kommunikation erleichtern.

Sehr spannend (auch für meinen Vortrag) war der Beitrag von Heinz Moser, PH Zürich zum Thema Bildungsstandards. Er ordnete kurz das Thema Bildungsstandards ein und bezog es dann auf Standards in der Medienbildung.

Er nannte folgende Gründe für Standards

fächerübergreifender Ansatz (statt der Abhängigkeit von individuellen Interessen der Lehrpersonen erfolgt systematischer kompetenzorientierter Aufbau von Fähigkeiten, Grundwissen als Voraussetzung für Medienanwendung)
Kompetenzorientierung Kompetenzen sind zentral
Bildungspolitische Trend (Entwicklung von Standards in Kernfächern, Medienkompetenz als Schlüsselkompetenz), Harmonisierung des Bildungswesens -> Anspruch für besser Verankerung im Bildungswesen, Anerkennung als zentraler Bildungsgegenstand, …)

Dennoch thematisierte er auch Probleme bei Bildungsstandards, so z.B. das Deduktionsproblem hinter dem Konzept der Bildungsstandards, die Normativität oder  Gefahr von Standards als primäre Lernziele (Bildungsstandards – Lehrpläne) mit dem Hinweis auf Amerika, wo ein Trend zum Teaching to the Test und zur Verschulung schon nachweisbar ist.

Er sprach von zwei Modellen von Bildungsstandards und nannte es zum einen das Klieme-Modell: Kompetenzen als disziplinäres Wissen, domänenspezifisch und als zweites das dispositionsorientierte Modell aus der Erwachsenenpädagogik (Erpenbeck), wobei er sich im Bereich der Medienbildung für das zweite Modell aussprach. Kompetenzen wären demnach Medienreflexion und Einbezug in die eigene Identitätskonzept, Handlungsfähigkeit, Selbstorganisiertes Handeln aufgrund von Medienwissen sowie Kommunikationsfähigkeit vermittels Medien.

Der erste Tag wurde von Heidi Schelhowe, Universität Bremen mit dem Vortrag Kompetenzen in einer digital geprägten Kultur – Zum Bericht der Expertenkommission des BMBF zur Medienbildung beendet. Hier berichtetet sie über die Erstellung der BMBF-Expertise.

Am nächsten Tag stand im ersten Vortrag die Perspektive Norwegens im Vordergrund: Rune Krumsvik, Universität Bergen, Norwegen referierte in seinem Vortrag The digital challenges to school and teacher education in Norway: some urgent questions and the search for some answers (Abstract) über Medienpädagogik in Norwegen.

In einer Session berichtete Dominik Petko, PH Zentralschweiz-Schwyz, über Faktoren der Entwicklung des ICT-Einsatzes in Schulen: Quantitative Befunde aus zwei Schweizer Bestandsaufnahmen (Abstract) und hielt spannende Zahlen parat. Zum einen nutzen Lehrpersonen den Computer vor allem zur Vorbereitung des Unterrichts (wie auch andere deutsche Studien schon zeigten), zum anderen liegt der mangelnde ICT Einsatz im Unterricht nach Auskunft der ICT-Verantwortlichen vor allem an der mangelnden ICT-didaktischen Kompetenz. Nicht so sehr die technische Kompetenz, sondern vor allem Fragen der Integration in den Unterricht sind zentral für den Einsatz.  Für mich spannend war die Aussage, dass der ICT-Lehrplan signifikante Unterschiede im Einsatz hervorruft, Lehrpläne sind also nicht nur „Papiertiger“, sondern haben durchaus einen Effekt.

Fazit

Ich war zum ersten Mal auf der Kommissionstagung und muss sagen, ich fand es eine sehr spannende Tagung: ich habe das Gefühl, dass sich die Gräben zwischen Medienpädagogik und E-Learning (wie ich hier noch geschrieben habe) so langsam aufweichen und man zumindest von Seiten der Medienpädagogik auf andere Bereiche zugeht und man wirklich an einer Zusammenarbeit und einem Austausch interessiert ist.

Weiterhin machte es das „familiäre“ Format der Tagung sehr einfach, neue Kontakte zu schliessen, auch wenn man den ein oder die andere schon von früher oder aus dem Netz kannte (nicht zu unterschätzen die Twitterer, die unter #KMP09 die Tagung begleiteten und die ich z.T. auch zum ersten Mal sah).

Noch eines ist mir aufgefallen: der grosse Diskurs und die Diskussionskultur: die Moderatoren achteten strikt auf die Zeit, und zu jedem! Beitrag, in dem ich sass, gab es am Schluss ca. 5-10 Minuten Diskussion und Rückfragen. Dies kenne ich von anderen Tagungen z.T. sehr anders 😉

Alles in allem eine Tagung, die sich für mich sehr gelohnt hat, nicht nur aufgrund der wertvollen Rückmeldungen zu meiner Arbeit (doch dazu in einem zweiten Posting mehr). Generell hatte ich das Gefühl, dass die Kommission auch sehr  an Arbeiten des Nachwuchses interessiert ist und diese sehr konstruktiv diskutiert und involviert.