JIM 2008 | Glaubwürdigkeit von Informationen

Endlich bin ich dazu gekommen, mir die neue JIM Studie anzusehen, auf die andere (1, 2, …) ja schon verwiesen haben. Neben dem Hauptfokus auf die Datenpreisgabe auf online communities finde ich vor allem die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Informationen in unterschiedlichen Medien spannend:

Dabei stellt sich die Frage, welchem Medium Jugendliche das meiste Vertrauen schenken. Die Jugendlichen sollen entscheiden, welchem Medium sie bei widersprüchlichen Meldungen am
ehesten Glauben schenken würden.
Überraschenderweise sprechen die Jugendlichen – trotz der Dominanz der elektronischen und meist digitalen Medien in der alltäglichen Nutzung – zu einem großen Teil der Tageszeitung (44 %) das größte Vertrauen aus. Erst an zweiter Stelle folgt das Fernsehen, dem 31 Prozent am ehesten glauben würden. Das Radio als eher „klassisches“ Medium erhält etwa gleich viele Nennungen wie das Internet mit seiner Informationsfülle. (Quelle: JIM Studie 2008, S. 23).

Dabei hat diese Einschätzung im Laufe der letzten Jahre noch zugenommen, bzw. das Vertrauen in das Internet als Informationsquelle abgenommen, wie folgende Grafik zeigt:

Dabei sieht man deutlich, dass das Vertrauen ins Internet zwischen 2005 und 2008 auch noch abgenommen hat, während Tageszeitungen, das Fernsehen und das Radio an Glaubwürdigkeit gewinnen konnten. Und das, trotz der Zunahme der Internetnutzung unter den Jugendlichen. Wie die JIM Studie auf S. 68:

Trotz der großen Begeisterung, die Jugendliche dem Internet entgegenbringen, würden sie
sich bei widersprüchlicher Berichterstattung zum gleichen Ereignis nicht für das Internet,
sondern größtenteils für die Tageszeitung als glaubwürdigste Quelle entscheiden. Das In-
ternet schneidet hier – nach Fernsehen und Radio – eher schlecht ab. Jugendliche können
also durchaus entscheiden, welches Medium zu welchem Zweck für sie am besten geeig-
net ist.

Diese Erkenntnis finde ich spannend, scheinen die Jugendlichen doch bezüglich der Bewertung der Glaubwürdigkeit von Informationen medienkompetenter zu sein, als man ihnen im ersten Moment zutraut.

Comments

Ist man medienkompetenter, wenn man der Ansicht ist, dass das Internet weniger glaubwürdig ist, als die Tageszeitung? Das finde ich ein wenig vereinfacht dargestellt.

Ich denke die hier befragten Jugendlichen haben viel mehr ein intuitives Gefühl dafür, dass Information im Internet von viel viel mehr Menschen erzeugt wird als in einer Zeitung. Weiterhin haben sie vermutlich – ebenso wie ich – ein intuitives Verständnis davon, dass Daten auf Computerfestplatten (nichts anderes ist das WWW technisch gesehen), eben ganz leicht und unbemerkt JEDERZEIT manipuliert werden können, ohne dass man es jemandem nachweisen könnte. Das ist bei einem Druckerzeugnis nach dem Druck unmöglich, weil die Botschaft sich durch Druckerschwärze fixiert auf einem Zellulosegewebe befindet. Die Information auf Dead Tree Media ist also weniger anfällig für das Fälschen-im-nachhinein.

Ich denke, dass dieser Medienunterschied einen Einfluss auf die Bewertung hinsichtlich der Glaubwürdigkeit hatte. Und zwar zu Recht! Denn selbst erfahrene A-Blogger wie z.B. kürzlich Thomas Knüwer vom Blog „Indiskretion Ehrensache“ oder auch namhafte Professoren der deutschen Medienwissenschaften gehören zu den „Löschern“ bzw. denen, die nachträglich Informationen verändern (ohne darauf hinzuweisen!).

Skepsis ist also völlig angebracht beim Internet, denn wie soll man z.B. einem Professor nachweisen, dass er einen unliebsamen Blogbeitrag einfach gelöscht hat, ausser mit den Spuren davon im Google Cache im Feedreader-Cache oder einem Screenshot. Cache und Screenshot sind ebenfalls bloß Daten auf der Festplatte und taugen somit kaum als Beweis.

Meine 2 Cent zum Thema. =)

Hallo Helge
Danke für deine 2 Cent, ich würde sogar sagen, es sind gewichtige 2 Euro 😉 Da hast du sicherlich recht, das Schliessen auf Medienkompetenz ist in der Tat ein wenig verfrüht von mir, da war ich zu euphorisch. Danke für den Hinweis. Und sicherlich ist Medienunterschied, wie du ihn beschreibst, ein Grund dafür.
Dennoch finde ich es interessant, dass schon Jugendliche, denen ja sonst eher wenig „Reflexion“ über das Internet zugetraut wird (z.B. ungeprüfte Ãœbernahme von Wissen für z.B. Hausaufgaben) aus Wikipedia, diesen Unterschied deutlich machen. Vielleicht unterschätzt man in der allgemeinen Diskussion hier die Jugendlichen. Jedenfalls bin ich gespannt, wie es mit der Einschätzung der Glaubwürdigkeit von Lehrern aussieht … die Daten bin ich gerade am Auswerten. Vielleicht kann man diese an der JIM Studie spiegeln.
Liebe Grüsse nach München
Mandy

Thx für Deine Antwort. Ich glaub bei den Lehrern fällt der Unterschied noch größer aus. Erschreckend welch großes Vertrauen Fernsehen genießt, wenn man mal daran denkt, welche Rolle TV international spielt (z.B. in Rußland, China, Italien, Kuba, USA, usw.) und wie stark die Leute dem TV vertrauen… ich find das erschreckend!

Ich vermute der Vertrauensverlust ins Internet hat auch viel damit zu tun, dass gerade vom TV sehr gerne Schreckensnachrichten vom Internet verbreitet werden. Stichwort: „Nazis, Porno, Amokläufer und Viren sowie Geldabzocke an jeder Ecke“. Da haben die Massenmedien einen nicht gerade geringen Anteil dran, dass das Internet so wahrgenommen wird.

Warum von Wissenschaftlern immer noch auf wikipedia eingeschlagen wird, will mir nicht in den Kopf. Aus meiner Sicht ist die einzige wirklich fundamental berechtigte Kritik an wikipedia die, dass wikipedia eben auch wie alle anderen Medien im Internet heimlich manipuliert werden kann (ich meine jetzt nicht das reguläre Editing). Eine Manipulation an einem Text auf der low-level-Datenbank in wikipedia hinterlässt keine Spuren (bzw. kann man es forensisch nicht nachweisen wer es war), es ist einfach zu machen und daher die aus meiner Sicht die mit Abstand gravierendste Angriffsstelle der wikipedia. Da könnte man sicher etwas tun, z.B. mit einem digitalen Signatursystem für wikipediainhalte.

Erschreckender aber ist, dass auch für das TV zukünftig noch mehr als jetzt schon gilt: Den Bildern kann man nicht mehr trauen! Ohne jetzt vielleicht paranoid zu klingen, aber seit die Produktionsprozesse im TV voll digital sind, lässt sich bereits seit Jahren einfach alles verändern. Ein tolles Beispiel dafür ist Image Metrics: http://www.image-metrics.com/
Das TV berichtet allerdings kaum darüber, was mit den Videobearbeitungstechniken heut zu Tage alles möglich ist. Das sollten sie mal tun, und dann nochmal danach fragen, wem man mehr traut, dem Internet oder dem TV. 😉

Na auf jeden Fall wird klar, dass die Kids auch eine Meinung zu Zeitungen haben und keine ganz so schlechte offenbar. Mir gefällt der Slogan der New York Times – „All the news that’s fit to print.“, denn das enthält bereits implizit, dass man sich bewußt ist, dass es schwierig ist, eine nachricht zu drucken und das der Vorgang an sich wertvoll ist und kostenintensiv. All das trifft auf das Internet nicht zu: Es ist billig, es ist einfach. Aber ist es wertlos?

Gedanken zum Sonntag… 🙂

Hm. Ich finde, dass die Studie eigentlich bestätigt, dass keine Medienkompetenz vorhanden ist. Denn nur das allgemeine Medium für die Glaubwürdigkeit gegen ein anderes allgemeines Medium zu stellen, macht doch wenig Sinn. Ist die Bildzeitung, weil sie Tageszeitung ist, also glaubwürdiger als ein wissenschaftliches online-Journal? Die Glaubwürdigkeit hängt doch offenbar an ganz anderen Kriterien als an der des Mediums! Ein Jugendlicher mit Medienkompetenz hätte in der Umfrage also korrekt antworten müssen: „Es kommt darauf an …“ und sich dem Ankreuzen verweigern müssen. Das „es kommt darauf an …“ bezieht sich natürlich auch auf Wikipedia. Norbert Bolz hat mal einen interessanten Vergleich gebracht: Warum ist der Artikel in Wikipedia über Norbert Bolz so grottenschlecht? – Weil viel zu wenige Leute dran schreiben. Warum ist der Artikel in Wikipedia über die Fruchtfliege der beste, den es zu diesem Thema weltweit gibt? Weil so ungeheuer viele Experten unermüdlich an seiner Optimierung gearbeitet haben und weiterhin dran arbeiten.

Hallo in die Runde,

interessante Prognosen zur Glaubwürdigkeit von Qualitätsjournalismus gegenüber dem Internet finden sich auch im neuen Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung. Hier heißt es z.B. zum Thema „Blogs“:

„Ein weiteres Problem ist, dass Blogs und andere Internetforen häufig fragwürdige Spekulationen, Verdächtigungen und rein subjektiver Gefühls- oder Unmutsäußerungen enthalten, die – im Schutz der Anonymität der Akteure – nicht selten sogar die Schwelle zur Beleidigung, Verleumdung oder Rufschädigung überschreiten oder den Charakter einer persönlichen Verfolgung annehmen können. Dies ist eine grundlegend neue Entwicklung. Zwar enthalten auch klassische Medien mitunter fragwürdige „Kampagnen“ oder Beiträge, die Ehre und Würde der Betroffenen verletzen. Anders als die Urheber entsprechender Internetinhalte können klassische Medienanbieter aber nicht anonym bleiben und stehen deshalb unter der Kontrolle einer breiten Öffentlichkeit und effektiver Selbstkontrolleinrichtungen, die derartige Fehlleistungen sanktionieren. Deshalb sind solche Fälle im klassischen Medienbereich ungleich seltener als im Internet.“ (ebd., S. 81)

Weiter heißt es:

„Derzeit ist also nicht anzunehmen, dass Onlineangebote allein den Orientierungsbedarf der Nutzer befriedigen oder gar traditionelle Qualitätsmedien prinzipiell aus ihrer gewachsenen Rolle als vertrauenswürdige Informationsquellen verdrängen werden. Mehr denn je benötigt der Nutzer verlässliche Angebote zur Reduktion der „informationellen Komplexität“. Damit kommt dem Qualitätsjournalismus in allen Medienbereichen eine Schlüsselrolle zu. Journalismus, der nach professionellen Maßstäben gründliche Recherche, seriöse Berichterstattung und verständliche Darstellung komplexer Sachverhalte miteinander verbindet, wird in Zukunft für die Entwicklung von Individuum und demokratischer Gesellschaft immer wichtiger werden.“ (ebd., S. 82)

Noch Fragen? 😉

Viele Grüße,

Sandra

Natürlich ist es richtig, das Blogs z.T. “fragwürdige Spekulationen”, “subjektive Gefühlsäußerungen” und “beleidigende Anwürfe” enthalten. Andererseits findet in vielen Wissenschaftsbereichen die aktuelle wissenschaftliche Diskussion gerade in Blogs statt. Und andererseits findet die meiste Desinformation gerade in einem Printmedium, der Bildzeitung, statt, die andererseits aufs beste investigativ vom Bildblog gekontert wird. Drum noch einmal: Die erforderliche Medienkompetenz kann nicht darin bestehen, zu “wissen”, dass man Blogs nicht zur Information benutzen soll, stattdessen jedoch die Medien der vergangenen Gutenberggalaxis – die angeblich objektiv sind -, sondern darin, dass man in den jeweiligen Texten, Bildern, Kontexten ALLER Medien kritisch den möglichen “Wahrheitsgehalt” dekonstruieren kann.

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