Kompetenzanforderungen in globalisierte IT-Unternehmen

Am 25.März fand in München ein Expertenforum des Projekts „GlobePro – Gobal erfolgreich durch professionelle Dienstleistungsarbeit“ statt. Zwei Aspekte haben mich bewogen dort hinzufahren: Zum einen der Fokus der Betrachtungen auf die IT-Branche, zum anderen die Tatsache, dass es ein Projekt von Andreas Boes und Andrea Baukrowitz vom ISF München ist, deren Arbeiten ich seit ca. 10 Jahre verfolge – die sich aber  schon seit den 90er Jahren (u.a. Boes & Baukrowitz 1994: Software als Arbeit gestalten) mit Kompetenzanforderungen der IT-Branche auseinander setzen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Veranstaltungen von BMBF-geförderten Forschungsprojekten waren diesmal ausgesprochen viele Wirtschaftsvertreter anwesend, vornehmlich aus dem Bereich Personalentwicklung sowie von den Sozialpartnern. Abei habe ich viele alte Bekannte gesehen, die auch an der Entwicklung und Umsetzung des IT-Weiterbildungssystems beteiligt waren. Dies war wohl auch kein Zufall, scheint es doch enge Bande zwischen diesen beiden Bereichen zu geben. So hat Globe Pro z.B. die Broschüre zum europäischen IT-Kompetenzrahmen eCF herausgegeben und – zumindest der Workshop den ich am Nachmittag besucht habe – war stark durch die Vorstellung der Hintergründe zur Entwicklung IT-Weiterbildungssystem und eCF geprägt.
Aber fangen wir vor vorne an, mit dem Beitrag von Andreas Boes, der nicht nur denken sondern auch unterhaltsam reden kann. (Es ist lange her, dass ich einem Vortrag zwei Stunden lang begeistert zugehört habe.) Die Vortragsfolien und das „Basisheft zur Internationalisierung von IT-Dienstleistungen“ bieten sicherlich eine gute Grundlage um die Grundlagen und (vorläufigen) Ergebnisse des Projekts nachzuvollziehen. Diese möchte ich daher hier nur holzschnittartig wiedergeben:
Im Rahmen der Globalisierung wurde zunächst davon ausgegangen, dass Dienstleistungen (also auch IT-Dienstleistungen)  nicht internationalisierbar, sondern in Produktion und Konsumtion örtlich und zeitlich gebunden. Diese Ansicht hat sich mit der Diskussion um Offshoring und Nearshoring – also der Verlagerung von IT-Dienstleistungen (z.B. nach Indien) verändert. Zwar gab es zunächst auch Tendenzen, die Verlagerung der Dienstleistungen – u.a. aufgrund von QUalitätsmängeln – wieder rückgängig zu machen, aktuell zeigt sich aber, dass sich diese Entwicklung in der Breite duchgesetzt hat. Die „Globalisierung 2.0“ (Boes) erweitert die klassische Globalisierung von Waren und Güter um den Bereich Dienstleistungen und betrifft insbesondere die Software-Entwicklung, „Shared Services“ (Buchhaltung, Reisekostenabrechnung etc.) und F&E-Abteilungen. Die I&K-Technologie selbst hat diese Globalisierung dabei erst möglich gemacht. Globalisierungsfähig sind damit alle Dienstleistungen, die vornehmlich auf digitalen Informationen und Informationssysteme beruhen. Die IT-Branche steht damit auch im Fokus der Globalisierung von Dienstleistungen.
Die globale Zusammenarbeit verändert sich dabei dahingehend, dass die global erbrachten Dienstleistungen immer weniger einem Komplexitäts- und Anforderungsgefälle (Anspruchvolle Tätigkeiten in Industrieländer, einfache Tätigkeiten in Schwellenländer) folgt. In Ländern wie Inden haben sich auf der Welle der Globalisierung erfolgreiche  Unternehmen entwickelt, die nun auch höherwertige Dienstleistungen erbringen wollen und können. In der Folge prognostizieren Boes u.a. ein „global integriertes Unternehmen“ mit einer internationalen Erbringung des IT-Dienstleistungsportolios. Globalisierung betrifft dabei nicht nur grosse Unternehmen, sondern ist auch ein Thema für jedes KMU. Diese Entwicklung konnte ich bereits vor ca. 5 Jahren bei der Beratung von IT-Kleinunternehmen (<10 MA), die Teile der Softwareentwicklung nach Russland ausgelagert hatten.
Diese Entwicklung erfordert auch Lernstrategie, die sich nicht mit den einfachen Konzepten der „Interkulturellen Kompetenz“ beantworten lassen. MItarbeiter/innen in einer global integrierten Unternehmen müssen in internationalen Team zusammenarbeiten, kulturelle Unterschiede verstehen, wahrnehmen und damit umgehen können, Englisch nicht nur theoretisch beherrschen und auch die IT zum verteilten Arbeiten nutzen können. Es bedarf aber auch eines gemeinsamen, organisationalen Lernens und gerade hier werden wohl die grösseren Herausforderungen gesehen. Das was zu grossen Teilen in den meisten Unternehmen schon innerhalb eines Sprach- und Kulturraums nur bedingt funktioniert muss dann international funktionieren, um mit den Entwicklungen – gerade in der IT – mithalten zu können. Grundlende Voraussetzung darfür ist eine Vertrauenskultur. Das Vertrauen steht gerade im Zuge der Globalisierung auf dem Prüfstand, wenn die Gefahr besteht, dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden.
Was heisst das nun für die betriebliche Ausbildung? Auf der einen Seite auf diese Entwicklungen vorzubreiten, nicht nur sprachliche und interkulturelle Kompetenz ins Visier zu nehmen, sondern auch die Fähigkeit zum verteilten Arbeiten. Damit ist nicht nur die Fähigkeit im Umgang mit IT gemeint, sondern – mal wieder – die soziale Kompetenz adressiert. Diese bei den Auszubildenden zu entwickeln erfordert mehr denn je ein Lernen im Arbeitsprozess und in internationalen Projekten, sowie eine Reflexion der Erfahrungen um ein Bewusstsein über die oft feinen kulturellen Unterschiede zu bekommen. Diese Sensibilität wird es zukünftig brauche, um in zunehmend gleichberechtigten Partnerschaften funktionierende Kooperationen zu realisieren. Wenn sich daran der wirtschaftliche Erfolg der Zukunft bemisst, wird gerade dieser Bereich zu einer Schlüsselkompetenz der Zukunft.