Lehrerbildung im Hochschulbildungsreport 2020

In der letzten Woche ist die Lehrerbildung medial in aller Munde gewesen. „Schuld“ daran war nicht etwa die anstehende Tagung in Kaiserslautern 😉 , sondern der Hochschulbildungsreport 2020 des Stifterverbandes. Darin werden vor allem der Lehrerbildung in Deutschland (mal wieder) Mängel bescheinigt: So sei diese u.a. immer noch zu wenig praxisnah und zu wenig im Fokus der einzelnen Fächer. Aber auch Lehramtsstudierende scheinen nicht die Besten für den Beruf zu sein: Fachliche Fähigkeiten und ein Mangel an Selbstvertrauen und Durchsetzungskraft verfügen (Hochschulbildungsreport, S. 7). Darüber hinaus ist der Lehrerberuf für viele Studierende nicht attraktiv, da er zu wenig Aufstiegsmöglichkeiten böte. Aber auch die Lehrerfortbildung ist in der Kritik, da hier zu wenig systematische Personalentwicklung betrieben würde. Alles in allem ein Bild, welches kontinuierlich die Diskussion um die Lehrerbildung der letzten Jahrzehnte beherrschte. So ruft der Teil der Lehrerbildung bei mir ambivalente Gedanken hervor: Zum einen bin ich froh, dass wir zumindest an unserer Hochschule den Studierenden doch einiges an Praxiserfahrung, vor allem auch im MINT-Bereich ermöglichen können. So fand letzte Woche das erste Treffen der Netzwerkschulen statt, die mit der Hochschule ein Kooperationsbündnis eingegangen sind und auf die wir als Hochschule in der Lehrerbildung als praxisnahen Partner zurückgreifen können. In vielfältigen Formaten haben die Studierenden hier die Möglichkeit, mit „echten“ Schülerinnen und Schülern zu arbeiten – und dies im Vergleich zu Campusschulen in unterschiedlichen Schulformen. Zum anderen wirft der Bericht auch einige Fragen bei mir auf.  So finde ich es erstaunlich, dass die (mangelnde) Praxisorientierung wieder so stark herausgehoben wurde, obwohl sich doch hier durchaus Verbesserungen zeigen (vgl. S. 23). Warum also noch mehr Praxis? Oder geht es nicht eher um die Frage, wie mit Praxis umgegangen wird, neben der im Bericht auf S. 30 geforderten wichtigen Verknüpfung mit der Theorie. Aber ich beobachte auch in der Praxis, dass Studierende oftmals auf dem schnellsten Weg ins hart umkämpfte Referendariat wollen, und so werden immer häufiger Praxisphasen mit „pädagogischer Tätigkeit“ vor dem Studium verrechnet (z.B. Arbeit im Sportverein). Und so ist Praxisorientierung zwar vorhanden, aber ob es wirklich diejenige ist, die zur Professionalisierung der eigenen Tätigkeit beiträgt, ist fraglich. Aber es stellt sich für mich auch die Frage nach der Struktur der Lehrerbildung, denn gestolpert bin ich über folgende Passage des Berichts:

„Allerdings wirkt sich der zunehmende Berufs-/Praxisbezug der Lehrveranstaltungen nach Ansicht der Studierenden nicht positiv auf die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Lehramtsstudierenden aus“ (S. 24)

Hier frage ich mich, was mit der Beschäftigungsfähigkeit gemeint ist. Es ist doch eigentlich nicht Sinn einer dreiphasigen Lehrerausbildung, am Ende der universitären Phase schon voll und ganz beschäftigungsfähig zu sein – gerade dafür kommen ja noch zwei Phasen, die einen deutlich anderen Fokus haben. Die Lehrerbildung findet nicht nur an der Hochschule statt, gleichwohl werden Hochschulen immer wieder in die Verantwortung für den gesamten Prozess genommen. So liegt ein Problem aus meiner Perspektive noch woanders, nämlich im Zusammenspiel aller Phasen der Lehrerbildung. Die Lehrerbildung an der Hochschule kann noch so praxisnah oder noch so innovativ sein, wenn man dann an einen konservative Seminarleitung gerät, wird dieses zum Norm der Handlung, werden doch dort Noten vergeben. Ich denke, hier müsste man stärker über Sinn und Ziele einzelner Phasen und deren (frühzeitigen) Zusammenspiel und der Verzahnung nachdenken, gerade diese Diskussion scheint mir fruchtbar zu sein – und eben nicht nur einschätzbar von Studierenden, sondern auch von Referendarinnen und Referendaren. Und so bleibt am Schluss mal wieder die immer währende Frage: Woran liegt es, dass sich so wenig in der Lehrerbildung ändert? Diskussionen um die oben genannten Punkte können ja schon bis in die 1960er Jahre zurückverfolgt werden, und jedesmal ist die Reaktion in den Medien erst groß, und dann geschieht scheinbar weniger/nix. Wo müssen Hebel (neben der obligatorischen Forderung nach mehr Finanzierung) ansetzen? Wen müssen wir zusammen ins Gespräch bringen? Hier gibt es noch einige Entwicklungs- und Forschungsarbeit.

Nachtrag 22.06.2014: Soeben bin ich auf die Broschüre „Lehrerbildung heute – Impulse für Studium und Lehre“ der HRK gestoßen. Hierin finden sich verschiedene Modelle der Gestaltung des Lehramtsstudiums – ein Blick hinein lohnt sich.