Lernen 2.0 | taz Podium

So, endlich komme ich dazu, etwas über das spannende Podium am Sonntag zu schreiben. Ich war von der taz eingeladen, anlässlich ihres 30. Geburtstages auf dem Podium zum Thema „Lernen 2.0“ mitzuwirken. Mit mir diskutierten Erika Wey-Falkenhagen, Olaf Kleinschmidt, Ulrich Klotz und das anwesende Publikum. Unter dem strengen Regiment von Christian Füller 😉 wurden es spannende 90 Minuten, die wie im Flug vergingen und mal wieder viel zu kurz waren. Interessant war für mich, dass das Thema Interactive Whiteboard ein grosses Thema an Schulen ist. Ich war ja durch das Verfolgen des D21 Projekt Blogs schon ein wenig eingestimmt, aber auch im Saal diskutierte man, inwiefern dieses Medium die Schule verändert oder nicht. These war, dass das Whiteboard nicht mehr wie die Tafel ein Instrument des Lehrenden sein sollte, sondern als Instrument den Schülern zur Verfügung gestellt werden sollte. So können sie ihren (Gruppen)Arbeitsprozess dokumentieren, anderen bereitstellen oder auch per Mail für Fragen und Auskünfte bereitstehen. Hier scheint zumindest an den Schulen einiges in Diskussion geraten zu sein, auch wenn man sagen muss, dass das Whiteboard nun nicht mehr das neueste Medium ist. Aber es dauert wohl einige Zeit, bis solche Medien auch in der Schuldiskussion ankommen. Da haben es Blogs und Wikis schneller geschafft, meine ich. Dennoch wurde meiner Meinung nach zu Beginn sehr stark um die Medien diskutiert (auch musste ich mal wieder Stellung nehmen zum „Lernmedium Twitter“), doch ich glaube, dass die Mediendiskussion nur die Brücke war zu den dahinterliegenden Themen. Medien sind immer nur ein Mittler und Vehikel. Klar macht sich die Diskussion schnell an „neuen“ digitalen Medien in der Schule fest, aber eigentlich ist es eine eher sekundäre Diskussion, denn nicht das Medium sollte im Mittelpunkt stehen, sondern der Unterricht und dessen Veränderung. Und: kein Lehrer muss nun Wikis und Blogs im Unterricht einsetzen, damit er ein „guter“ Lehrer ist. Es geht meiner Meinung nach darum, mittels digitaler Technologien das Lernen an unseren Schulen zu überdenken.

Nach und nach näherten wir uns diesen spannenden dahinterliegenden Themen auch: Von einer Veränderung der Lehrendenrolle (von der Frau Wey-Falkenhagen interessante Episoden aus dem Campus Klarenthal berichtete) bis hin zur veränderten Gesellschaft, wie Ulrich Klotz in einem Exkurs ausführte: Warum brauchen wir eigentlich, ich möchte nicht sagen neues Lernen, aber ein verändertes Lernen? Warum hat das bisherige Schulmodell im Moment eklatante Mängel? Er führte es auf die veränderte (Arbeits)gesellschaft zurück. Menschen werden immer mehr zu Wissensarbeitern, und die Fähigkeit, die man in einer computerisierten Gesellschaft braucht, ist die, Unikate herzustellen. Jeder sollte etwas können, was ihn oder sie spezialisiert. Er machte dies sehr anschaulich mit der Veränderung fest, als der Buchdruck entstand: auch dort hätten im Mittelalter die Mönche noch lange Zeit jedes gedruckte Buch Korrektur gelesen (mir viel da spontan folgendes Video ein). Was sich in der heutigen Gesellschaft ändere, seien die Hierarchien: plötzlich gibt es kaum mehr welche, die sich wirklich am Wissen festmachen, denn selbst Schüler könnten manche Sachen besser als die Lehrer (gerade in Bezug auf die Medien). Somit muss sich auch Schule ändern und die Jugendlichen zu kreativen, problemlösendenden, selbstbestimmten Menschen erziehen.

Interessanterweise waren im Publikum einige Leute, die sich noch nicht sehr mit Web 2.0 auskannten. Vielleicht ist das Podium ein Mittel, um auch aus unserem „Web 2.0-Kreis“ zu kommen. Denn sind wir ehrlich: die Schulen, die a) wie der Campus Klarenthal funktionieren oder b) digitale Medien einsetzen und so Schulkultur ändern, sind sehr selten. Die Diskussion mit dem Publikum war auf jeden Fall spannend: man hatte (wie immer) die Leute, die alles ablehnten und sich auf bisher bewährtes festlegten und Leute, die vor allem die Gefahren (Stichwort: Plagiat, Auswendiglernen von Powerpoint-Folien, usw) im Auge hatten. Hier war Aufklärung angesagt, denn vor allem gegen die letzten Argumente kann man vorbringen, dass sich nicht nur Autoritäten ändern, sondern sich auch das Ändert, was eigentlich gelernt werden soll: möchte ich Schülerinnen und Schüler, die vor allem auswendig lernen, oder möchte ich kritische selbstbestimmte Bürger heranziehen? (und eine ketzerische Bemerkung sei erlaubt: ist letzteres eigentlich immer wirklich gewünscht?). HIer noch ein Hinweis auf weiterführende Literatur von Gabi zu diesem Thema: Selbstorganisation im Netz – Anstoß zum Hinterfragen impliziter Annahmen und Prämissen.

Für einen wichtigen Punkt gab es am Schluss fast zu wenig Zeit zur Diskussion: Die Integration von Eltern in die Veränderungskonzepte von Schulen. Eltern sollten vor allem in innovative Konzepte mehr Vertrauen haben. Dies erschien vor allem den anwesenden Lehrern als eine (neben vielen anderen) Punkten, warum meist Innovation nicht im Klassenzimmer geschieht. Wenn der Lehrende Angst davor hat, im Schulbuch 4 Seiten weiter zurück zu sein als die Parallelklasse und die Eltern mit Leistungsanforderungen ihm im Nacken sitzen, kann Innovation nur schwer gelingen. Aber das ist sicherlich auch keine Neuigkeit.

Alles in allem war es für mich sehr spannend, nicht nur auf dem Podium, sondern auch mit dem Publikum zu diskutieren.

Comments

>Medien sind immer nur ein Mittler und Vehikel. Klar macht sich die Diskussion >schnell an “neuen” digitalen Medien in der Schule fest, aber eigentlich ist es >eine eher sekundäre Diskussion, denn nicht das Medium sollte im Mittelpunkt >stehen, sondern der Unterricht und dessen Veränderung.

Das ist nur eine Möglichkeit, wie man Medien u. Technik sehen kann. Allerdings verengt diese rein instrumentelle Sicht auf Medien den mentalen Raum, in dem wir uns zu Medien verhalten können, und zwar auf die einfache Alternative zwischen Bejahung und Ablehnung.

Ich kenne zu genüge diese (Podiums-)Gespräche, die schlussendlich immer auf diesen beiden Oppositionen enden: Technikeuphorie versus Kulturpessimismus, letztlich also „gute Medien“ versus „böse Medien“. Die Reihe dieser Dualismen lässt sich beliebig fortsetzen.

Die Sichtweise, Medien und Technik als Instrument oder als reiner Vermittler zu sehen, generiert sich jedoch aus einem tiefer liegenden Selbstverständnis des Menschen, nämlich aus der Entscheidung, den Menschen als von der Welt radikal geschiedenes Subjekt zu definieren. Es ist dieser Denkzwang also: hier Subjekt, da Objekt, der uns zwingt, in dieser Entweder-Oder-Diskussion, in die die heutige Technologie- und Mediendebatte verstrickt ist, zu verharren.

Ich denke jedoch (bezugnehmend auch auf Gotthard Günther) dass dieses klassisch-logische Denken der heutigen Komplexität nicht mehr gerecht werden kann. Und man sieht es auch, diese Art Diskussionen bringen uns keinen Schritt weiter, wir landen immer wieder auf demselben Punkt. Bei jeder weiteren technischen Erneuerung beginnt die Diskussion von vorn, vgl. auch dazu die aktuelle Twitter-Debatte: Ist Twitter sinnvoll oder nicht? Langweilig!

Gibt es Auswege?
Es stellt sich also heraus, dass es dieses Entweder-Oder-Denken, das in der Subjekt-Objekt-Spaltung gründet, ist, das die Diskussion bestimmt und nicht so sehr die Inhalte der (medien)technologischen Entwicklung. Einen Ausweg für fruchtbarere Diskussionen sehe ich nur, wenn wir unsere „metaphysischen Voraussetzungen einer radikalen Dekonstruktion unterziehen“ (Joachim Paul, 2006). Nur dann gewinnen wir einen fundierten Standpunkt, von dem aus wir den Mediendiskurs auf eine Basis jenseits des Denkzwangs von „Entweder-Oder“, „Medien ja-nein“, „nützlich-gefährlich“, „technischer Fortschritt oder Sinnverlust und Wertezerfall“ usw. stellen können.

Es ist das Verdienst des Philosophen und Logikers Gotthard Günther, der bereits in den siebziger Jahren mit der Formalisierung einer transklassischen Logik ein mögliches Fundament zur Überwindung des klassischen Denkens gelegt hat. Nur leider sind wir auch heute, also 30 Jahre später, noch nicht sehr viel weiter.

Lieber Max
Danke für deinen ausführlichen Kommentar zu meiner Einschätzung. Allerdings fand ich das Podium gar nicht so zweigeteilt, im Gegenteil, ins Auge sprang die Komplexität des Themas „Schulveränderung“, mit und ohne Medien. Auf die Medien sind wir eher am Rande eingegangen, im Zentrum standen vor allem Ansätze der Reformpädagogik – und hier versucht man schon, das Subjekt als Ganzes zu sehen. Für mich eher schwierig an Podiumsdiskussionen ist das offene Ende … was bleibt, ausser dass man sich über ein Thema ausgetauscht hat?

😉

Liebe Grüsse
Mandy

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