Neue erschienen: Artikel zur Konstruktion sozialer Differenz während der Corona-Pandemie

Zusammen mit meinen Mitarbeiterinnen Isabel Carvalho und Carina Troxler sowie unseres Kollegen Phil Kolbe habe ich mich in der Corona-Pandemie auch damit beschäftigt, welche Implikationen die Schulschließungen für Lehren und Lernen sowie die Familien haben. Als Teil unseres Forschungsprojektes EduGraphie fokussierten wir unter dem Titel „Zuhause-Schule“ medienbasierte Schulpraktiken in der Familie. Denn durch die Schulschließungen und dem Bearbeiten von Schulaufgaben aus der Ferne rag(t)en mediale Praktiken aus der Schule massiv in die Familien hinein und führ(t)en zu Veränderungen des Alltags. Um diese Neuordnung zu beforschen, untersuchen wir während der Schulschließungen im Rahmen der Covid-19-Ausbreitung in den Schuljahren 2020/2021 ethnographisch, wie diese Praktiken aus der Schule auf der anderen Seite des Bildschirms, also im Zuhause der Familie umgesetzt werden. Dazu beobachten wir das alltägliche schulbezogene Handeln der Kinder und Jugendlichen und führen Interviews mit den Eltern und ihren Kindern. Wir erhoffen uns dadurch, aktuelle und verbreitete Praktiken von Schule im Familienalltag analysieren zu können und so lichte, aber auch schattige Seiten dieser Form und schulischer Entgrenzung aufdecken zu können. Unsere Erkenntnisse haben wir in einem Beitrag für die Zeitschrift Medienpädagogik aufbereitet:

Der Beitrag untersucht ethnographisch und aus einer praxistheoretischen «doing difference»-Perspektive, wie soziale Differenz während der pandemiebedingten Aussetzung der schulischen Präsenzpflicht im Jahr 2020 durch Familien in diskursiven Praktiken hergestellt wird. Wir legen ein besonderes Augenmerk auf die Frage, wie soziale Ungleichheiten durch Akteur:innen der «Zuhause-Schule» konstruiert werden. Zur empirischen Erweiterung deskriptiver und quantitativer Forschungsperspektiven haben wir während der Schulschliessungen die familiäre Umsetzung von schulischen Lernofferten im Rahmen von teilnehmenden Beobachtungen in den Blick genommen, um (Neu-)Konstruktionen des häuslichen Alltags nachzuzeichnen. Die Interpretation des Datenmaterials erfolgte unter der Fragestellung, wie sich Unterricht aufgrund der Aussetzung des Präsenzunterrichts im häuslichen Alltag zeigt. Die Praktiken wurden in Anlehnung an sequenzanalytische Verfahren rekonstruiert. Im Anschluss an bisher vorliegende quantitativ-deskriptive Ergebnisse der Ungleichheitsforschung zu den pandemiebedingten Schulschliessungen arbeiten wir mit einem qualitativen Fokus heraus, dass die von uns begleiteten Familien drei Differenzlinien als besonders relevant adressieren: das Vorhandensein eines sehr spezifischen Sets an technischer Ausstattung, die Möglichkeiten der Eltern, Lernprozesse zu unterstützen, und die privaten sozialräumlichen Gegebenheiten.

Quelle: Neto Carvalho, I.; Troxler, C. & Schiefner-Rohs, M. & Kolbe, P. (2023). „Uns geht es ja noch gut. Wir haben ja ein großes Haus mit einem Garten“ – Konstruktion sozialer Differenz in Familien während der pandemiebedingten Schulschließungen. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie Und Praxis Der Medienbildung, 52(gerecht – digital – nachhaltig), 257–275. https://doi.org/10.21240/mpaed/52/2023.02.13.X