Die letzten Wochen habe ich ein Buch gelesen, von dem es aus meines Erachtens noch viel zu wenige gibt. Das Buch „Im Gespräch mit Ulrich Oevermann und Fritz Schütze. Einblicke in die biographischen Voraussetzungen, die Entstehungsgeschichte und die Gestalt rekonstruktiver Forschungsansätze“ verbindet geschickt mehrere Anliegen: So ist es zum einen in Form eines biographisch-narrativen Interviews ein Blick in das Leben und wissenschaftliche Wirken von Ulrich Oevermann und Fritz Schütze. Aus dieser Perspektive lernt man viel über Wissenschaft und den Wissenschaftsbetrieb in den 1070er bis 1990er Jahren, aber auch über die Verbundenheit von Wissenschaftlern mit ihrem Privatleben. Dabei sind wir weit entfernt von „Homestories“, wie man sie aus diversen Gazetten kennt, sondern es wird gezeigt, wie biographische Entscheidungen auch das wissenschaftliche Handeln beeinflussen und vice verca. Zum anderen lernt man durch die Praxis (und durch die langen Erklärungen von Schütze im Buch sowie im Online-Anhang) viele über das biographisch-narrative Interview als qualitatives Erhebungsinstrument sowie die grundlegenden Ideen der rekonstruktiven Sozialforschung im Buchteil von Oevermann. Plastisch wird geschildert, welche Perspektiven, Gedanken aber auch Haltungen der Forschenden handlungsleitend waren, um Methoden (weiter) zu entwickeln. Alles in allem also eine schöne Möglichkeit, Wissenschaft nicht nur als Beruf frei nach Weber, sondern eher als Berufung und Lebensform auch Nachwuchswissenschaftler*innen sichtbar zu machen.