ZEIT-Konferenz: Schule & Bildung … und die Medien?

Gestern war ich in Berlin zur Zeit-Konferenz „Schule und Bildung“ (Programm). Die Lehrerbildung war ja ein großes Thema in meiner Dissertation, so dass ich interessiert war, welche aktuellen Diskussion zur Lehrerausbildung diskutiert werden. Geladen hatte die Telekomstiftung in Zusammenarbeit mit der ZEIT. In dieser Konferenz stand die Lehrerausbildung im Fokus, und für mich war natürlich neben allgemeinen Lehrerausbildungsfragen besonders der Umgang mit digitalen Medien spannend. Doch eins nach dem anderen 😉

Trotz Landtagswahlkampf hielt Sylvia Löhrmann das Einstiegsreferat. Sie stellte nochmals die Lehrerausbildung als berufsbiographisches Entwicklungsprojekt in den Fokus und sprach zum einen aus Erfahrungen aus NRW, aber auch deutschlandweit über die Bedeutung, die Lehrerausbildung in Zusammenspiel mit allen Beteiligten, d.h. nicht nur unter der Brille der universitären Ausbildung zu denken. Vertieft hat sie einige Bereiche des KMK Berichts von 2000 (link) vorgestellt. Deutlich wurde in ihrem Vortrag das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit der Hochschulen und der politischen Verantwortung die mit der Prüfung über Staatsexamen verbunden ist. Wie weit soll und vor allem darf sich Politik in die Ausbildung der Lehrpersonen vor Ort an einer Universität „einmischen“, wo liegen Potenziale und wo Grenzen? Diese Gratwanderung zeigte ihr Vortrag an einigen Stellen sehr deutlich. Als herausfordernd für die weitere Beschäftigung mit der Lehrerbildung hob sie neben dem Ganztag vor allem die Förderung der Fachdidaktik sowie die Schulentwicklung mit Einbezug von Inklusion und Diversität hervor.

Klaus Kinkel setzte in seinem Beitrag „Die Lehrerbildung – ein Stiefkind der Bildungspolitik“ das Statement, dass Bildung endlich wieder „Megathema“ werden muss. Die Lehrerbildung ist dabei zentrales Element und sollte seiner Meinung nach nicht als Klotz am Bein der Fachdidaktiken oder der Fakultäten gesehen werden. Er sprach sich klar gegen den Förderalismus im Bildungsbereich, vor allem in der Lehrerausbildung aus und stellte die Initiativen und Förderungsmechanismen der Telekom-Stiftung, der er vorsteht, im Bereich MINT vor. Besonders spannend wird sicherlich der mit dem Stifterverband und dem CHE geplante „Monitor Lehrerbildung“.
Das zu den Impulsreferaten gehörende Plenum bestand aus Cornelia von Ilsemann, Ulrike Kegler, Manfred Prenzel und Ekkehard Winter und diskutierte das Thema „Lehrerbildung auf dem Prüfstand“. Vor allem Ulrike Kegler lieferte engagierte Hinweise auf schulische Praxis (Beziehungsarbeit ist Kerngeschäft des Unterrichts, warum müssen Lehrpersonen eigentlich 2 Fächer studieren, eins würde doch reichen, ….) und forderte dezidiert die Selbstreflexion und das virtuose Agieren nicht in einem, sondern zwischen den Fächern, als wichtige Kompetenz in Rahmen der Lehrerausbildung. Manfred Prenzel stellte die TUM School of Education vor und warnte davor, die Verantwortung der Lehrerausbildung zwischen den Phasen (Universität und Vorbereitungsdienst) hin- und herzuschieben. Er sprach sich für eine hohe Forschungskompetenz und –sichtbarkeit der Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften an Universitäten aus, um so auch die Legitimation und Anerkennung der Lehrerausbildung innerhalb der Universität zu fördern. Als Beispiel diente ihm die Architektur oder die Medizin, die auch „berufsfeldorientierte“ Studiengänge sind, aber deutlich weniger Legitimationsprobleme haben. Ebenso forderte er, das Curriculum der Lehrerausbildung nochmals kritisch zu prüfen hinsichtlich der Frage: Was müssen Studierende wirklich wissen und können, und hier gegebenenfalls Fachwissen zugunsten anderer Bereiche zu streichen. Das große Thema der Heterogenität und des Umgangs mit Diversität in einer ‚multiprofessionellen Schule’, der hier als Beispiel herangezogen wurde, zog sich nicht nur durch das Podium, sondern durch die gesamte Veranstaltung. Spätestens hier hätte ich mir auch eine Diskussion um den Stellenwert von digitalen Medien gewünscht, aber dazu später mehr.

Um nicht nur die Planungsseite zu zeigen, wurden auch Studierende gebeten, ihre Meinung kundzutun. Dies haben Lehramtsstudierende auch getan und folgende Forderungen aufgestellt, die im Anschluss erörtert wurden: 

Ausgehend vom Impulsvortrag von Johannes Mayr zum Thema Einstieg ins Lehramtsstudium spannte sich das nächste Thema der „Eignung für den Lehrerberuf“ auf und wurde auf dem Podium mit Sigrid Blömeke und Norbert Seibert sowie mit dem Publikum heftig diskutiert.

Zum Schluss folgte ein Impulsvortrag von Norbert Pachler zum Thema „LehrerInnenausbildung: Erkenntnisse aus der anglo-amerikanischen Forschung und Praxis“. Hier wurde deutlich der neoliberale Blick des englischen Systems, aber auch Diskussionspunkte, damit umzugehen, sichtbar. Ebenso zeigte sich das Dilemma zwischen Regierung und Wissenschaft hinsichtlich der Frage der Steuerung von Bildung. Auf dem abschließenden Podium mit Michael Schratz und Jürgen Oelkers wurde der Blick der Lehrerausbildung nochmals über Deutschland hinaus geweitet und es boten sich (bestens bekannte 😉 ) Blicke in die Schweiz und nach Österreich – und in unterschiedliche Rollen des Lehrers und deren Auswirkungen auf die Lehrerbildung.

Rückblickend bezogen sich viele Themen des Tages vor allem auf die „klassische“ Lehrerausbildung für die Schule. An einigen Stellen (und da wurde es für mich spannend) tauchten allerdings mit der Frage nach der Ausbildung der Lehrererbildner oder der Hochschuldidaktik an den Universitäten Fragen von Lehrerausbildung auf, die den Lehrberuf weiter fassen als den Lehrer, der in Schulen unterrichtet. Ich denke, genau hier liegt noch einiges Potenzial, das es auszulosten gilt.

Ebenso viel mir auf, dass fast durchgängig alle Redner von der Lehrerausbildung gesprochen haben. Hier scheint es wohl einen „Paradigmenwechsel“ gegeben zu haben, den ich auch schon in meiner Dissertation ansprach:

Lehrerausbildung und Lehrerbildung werden oft nicht genau auseinandergehalten, obwohl beide Termini unterschiedliche Foki bzw. Theorieverständnisse aufweisen: Während Arbeiten zur Lehrerbildung meist auf geisteswissenschaftlich- hermeneutische Theorien zurückgreifen, beziehen sich Arbeiten zum Begriff der Lehrerausbildung auf sozialwissenschaftlich-empirische Theorien der Professions-, Kompetenz- und Expertiseforschung (Blömeke, 2009b, S. 483) und betonen Kompetenzen, die im Rahmen einer Ausbildung professionalisiert werden können. Eine saubere Trennung beider Terminologien hat sich allerdings nicht in allen Arbeiten zur Lehrerbildung durchgesetzt. Dies kann daran liegen kann, dass der Terminus „Ausbildung“ oft mit ökonomischer Verwertbarkeit bzw. Arbeitsmarktorientierung konnotiert ist und somit gerade in der universitätsinternen Diskussion um Bildung kritisch gesehen wird – obwohl die Lehrerausbildung genau diesen Arbeitsmarktbezug aufweist und das Thema Bildung und Ausbildung gerade mit der Bologna-Reform diskutiert wurde (Tenorth, 2009). Für die Lehrerausbildung entsteht hier ein Spannungsfeld zwischen „berufsbefähigendem Ausbildungserfordernis und forschungsbasierter Wissens- und Erkenntnisproduktion“ der universitären Disziplinen (Wissenschaftsrat, 2001, S. 28). (Quelle: Schiefner-Rohs, 2012, S.39)

Doch, was ist nun mit den Medien? Nix, muss ich nach der Veranstaltung feststellen. Es ist außer in einem Satz nicht thematisiert und angesprochen worden; im gesamten Konferenzverlauf nicht (neben der Tatsache, dass ich kaum Laptops gesehen habe und auch die üblicher Tweeterei unterblieb, was sicherlich (auch) damit zu tun hatte, dass es kein kostenfreies WLAN gab). Digitale Medien scheinen zumindest auf der Diskussionsebene vor Ort in der Lehrerausbildung keine Rolle zu spielen, oder sind sie nur ein Thema unter vielen im Bereich der Lehrerbildung? Hat das Thema der Inklusion nun die digitalen Medien abgelöst? Oder sind sie mittlerweile so selbstverständlich in der Lehrerausbildung, dass sie nicht mehr erwähnt werden müssen? Gerade dies wage ich, auch mit Blick auf die Ergebnisse meiner Disseration zu bezweifeln. M.E. nach müssen digitale Medien auch hier eine Rolle spielen. Gerade das Potenzial, das digitale Medien gerade auch in den auf der Konferenz heiß diskutierten Feldern wie Diversität, Umgang mit Heterogenität oder aber auch in ihrer Funktion als Rollen- und Handlungsreflexion, wären m.E. nach Punkte genug, die Medien hier stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Es bleibt noch viel zu tun 😉

Comments

„Oder sind sie mittlerweile so selbstverständlich in der Lehrerausbildung, dass sie nicht mehr erwähnt werden müssen?“ Bestimmt nicht. Da teile ich deine Antwort! Umgekehrt glaube ich auch nicht, dass man etwas bewirken kann, wenn man die digitalen Medien als „zusätzliche Aufgabe“ mit auf die Agenda nimmt. Es ist schon erstaunlich, dass man so tut, als gäbe es die digitalen Medien nicht … oder nur als Drohkulisse (Datenschutz, Privatheit, Sucht etc.). Man schaue sich nur mal ältere Kinder und Jugendliche an öffentlichen Plätzen an: Handy oder Smartphone hat fast jeder in der Hand (was vielleicht auch ein Grund für weniger Zigarettenkonsum sein könnte, weil man gar keine Hand mehr frei hat) – was ich sagen will: Die Medien sind so allgegenwärtig und in der Schule tut man so, als gäbe es sie nicht, oder eben nur als Bedrohung. Ich sehe das wie du: Anlässe, die Medien einzubeziehen, gäbe es genug! Zuerst aber mal müssten die Lehrenden selbst Wissen und Erfahrung im Umgang mit denselben aufbauen und diese dann selbstverständlich in ihren Unterricht einbeziehen – nicht als zusätzliches Curriculum, nicht als Projekt etc. Es ist so einfach und so naheliegend – interessant, wie man das so konsequent ignorieren kann.
Gabi

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