Weblog-Stress

Ein Problem, das mich Ende des Jahres und mit dem Voranschreiten des Bloggens zusehends mehr beschäftigt hat, ist das Thema «Infomanie» (Stefan Weber, 2007, S. 157) und Internet- oder Informationsstress. Weber verordnet für solche Fälle schon einmal «Informationsdiäten» oder «netzfreie Zeiten» (Weber, S. 157), dennoch löst es m. E. nicht das eigentliche Problem. Über das Thema Stress und Ablenkung habe ich hier schon einmal auf einen Artikel der ZEIT verlinkt. Im Auge hängen geblieben ist mir folgende These von Weber:

«Die so genannte »Infomanie«, die Sucht nach Informationen und damit die erhöhte Nutzungsintensität korreliert offenbar negativ mit dem Tiefgang und der Qualität der Information und Kommunikation» (Weber, 2006, S. 136).

Weber bezieht diese These vor allem auf E-Mail Kommunikation, aber zum Teil sehe ich die gleiche Gefahr auch beim Bloggen, auch wenn dort die Kommunikationsform eine gänzlich andere ist. Sich fundiert mit Thesen auseinandersetzen? Dafür fehlt die Zeit. Lange Beiträge lesen, dafür fehlt die Zeit. Auf der einen Seite spricht man von der Möglichkeit zur Reflexion mittels weblogs, auf der anderen Seite bin ich z.T. skeptisch. So liegt m.E. eine Gefahr des Bloggens in einer Art Selbstreferentialität der Blogosphäre (Stichwort «Durchreichen» von Artikeln) und damit in einer mögliche Gefahr von Verflachung der Kommunikationsform (Ausnahmen bestätigen die Regel, wie man z.B hier und hier und hier sehen kann). «Fragmentierung» und «Perzellierung», zwei Wörter, die in Webers Buch des öfteren auftauchen, könnten auch für Weblogs ihre Relevanz haben, wenn man «mal schnell» einen Kommentar schreibt, Gedanken aus Mangel an Zeit nicht ausformuliert oder zu Ende gedacht werden.
Ein weiteres Problem ist die Kritik. «Traut» man es sich, z.B. auch kritische Artikel aufs Weblog zu stellen? Ich ertappe mich selbst immer wieder dabei, dass ich darüber nachdenke, ob man das (so) schreiben kann oder nicht. Oft bin ich im Dilemma zwischen «Frei Schnauze» und «Politisch Korrekt». Auch dadurch kann m.E. die Qualität der Information oder Reflexion leiden.

Vor allem der Zeitmangel und das mittlerweile herrschende «Überangebot» von Weblogs und Podcasts kann den interessierten Leser zum Teil in regelrechten Stress versetzen: Habe ich den aktuellen Blogbeitrag schon gelesen? Wer hat gerade etwas zum Thema XY veröffentlicht? Welche Debatte wird im Moment geführt? Wann kann ich diesen Podcast noch hören? Reicht die Zeit zwischen Bus und Mensa? Da hilft oft nur eines: regelmässig die Feeds durchforsten und nur das Aufheben, was einem die letzten vier Wochen wirklich wichtige Informationen geliefert hat.

Vielleicht hat das Überangebot und der Zeitaufwand auch damit zu tun, dass gute Weblogs wieder schliessen, wie Beat berichtet? Hat dort vielleicht die «Infomanie» überhand gewonnen, so dass das Führen eines Weblogs einfach nur noch als Stress empfunden wird?
Nachdem ich den Post gestern geschrieben habe, bin ich interessanterweise heute noch auf einen Artikel aufmerksam geworden (via schnutinger): 24-Hour Newspaper People der TIMES.

update: Eine nette Kollegin wies mich aufgrund dieses Artikels auf die folgende Seite hin: Internetsucht. Interessant finde ich vor allem die Anzeichen

Folgende Symptome weisen auf eine Abhängigkeit hin:

  • Das Netz wird zentral für das Denken und Handeln. Der Internetgebrauch erlangt erste Priorität, es besteht ein unwiderstehliches Verlangen eingeloggt zu sein (Einengung des Verhaltens).
  • Die online verbrachte Zeit kann nicht mehr kontrolliert werden. Versuche zur Beschränkung der am Bildschirm verbrachten Zeit scheitern (Kontrollverlust).
  • Das Ausmass der Internet-Nutzung wird verleugnet oder verharmlost, gegenüber sich selber und gegenüber von Angehörigen, Freunden, Arbeitgebern oder Lehrpersonen (Bagatellisierung).
  • Betroffene nehmen negative Auswirkungen in der Familie, in der Partnerschaft, bei Freunden, in der Schule oder am Arbeitsplatz in Kauf.
  • Auch die körperliche Gesundheit kann beeinträchtigt sein durch Mangelernährung, Unterdrückung des Schlafbedürfnisses, Bewegungsmangel, Erschöpfungszustände (Verhalten wird trotz schädlichen Folgen beibehalten).
  • Psychische Entzugserscheinungen, wie Nervosität, Reizbarkeit, Unzufriedenheit, stellen sich bei Internetsüchtigen ein, die unfreiwillig offline sind (Entzugserscheinung).

Comments

Ja, ich hab im Sommer den Selbstversuch gemacht: Zwei Wochen in den Alpen ohne Internetaccess. Es ging, aber zuanfangs war eine gewisse Unruhe vorhanden und legte sich erst nach vier Tagen. Entzugserscheinungen? Ich fühlte mich so…

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