„Alles, was sie zukünftig benötigen, ist Wissenskompetenz“

Remus, J. (2006) Microlearning im Zeitalter von Web 2.0. In: Wissensmager heute. No 2, S. 6-8:

„Vielmehr beschrieben die Begriffe „Microcontent“ und “Mikrolearning“ die Inhalte und Anleitungen, die zu einem selstgesteuerten Lernen hinführen. Diese müssen notgedrungen schlank und knapp gehalten und auch in „niedriger Komplexität“ formuliert werden. Warum?Erstens, weil in einer zunehmend komplexer werdenden Welt und einer täglich wachsenden Informationsflut, die auf uns hereinbricht, sinnvolle, knappe und klar verständliche Anleitungen gefragt sind. Zweitens, weil durch den vermehrten Einsatz von mobilen Endgeräten mit Bonsaiarchitektur und kleinen Screens, also den zukünftigen Handys und Smartphones, das miniaturisierte Herunterbrechen von Wissensanleitungen wirklich machbar wird“

Seit wenn definiert man denn Bildungsinhalte in Abhängigkeit von Technologien? Dass die Geräte kleiner werden, hat keinerlei Einfluss auf die Bildungsinhalte, die man vermitteln möchte. Medien beeinflussen vielleicht die Darbietung, aber nicht die Inhalte. M.E. steht im Vordergrund als erstes die Inhalte des Wissens. Die Tendenz, auch komplexen und schwierigen Content einfach und klar strukturiert darzustellen, kommt der Wissenschaft zugute. Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, es einfach zu schreiben.
Vielleicht setzt sich jetzt eine Wissenschaftssprache mit weniger unnötigen Fremdwörtern durch und die Gedanken werden klarer ausgedrückt. Das komplexe und komplizierte Wissensinhalte klar und leicht verständlich gehalten und dargeboten werden sollten (was nebenbei schwierig ist), dem kann ich zustimmen.

Es ist ein Beweis hoher Bildung, die größten Dinge auf die einfachste Art zu sagen. Ralph Waldo Emerson [1803-1882]; amerik. Philosoph und Schriftsteller

Aber dass sie einfach sein sollen, weil unsere Welt komplex ist, halte ich für eine höchst gefährliche Argumentation. Gerade mit der Komplexität sollte man sich auseinandersetzen, und diese nicht künstlich zu minimieren versuchen. Die Tagesschau gibt es immer noch, obwohl es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass sie vielen Menschen zu komplex ist. Die Lösung ist es doch aber nicht, nur noch Nachrichten à la RTL II und VOX anzubieten?!Der Schwerpunkt müsste aber in einem anderen Feld liegen: Kontext. Wie Baumgartner schon sagt: „Context matters“. D.h. die Schwierigkeit liegt meines Erachtens nach nicht in einer Modularisierung von , sondern in der Re-Integration und die Kontextualisierung dieser kleinen Wissenseinheiten zu einem sinnvollen Ganzen. Und diese Komponente wird m.E. im derzeitigen Hype um Microlearning meist vergessen. Wenn ich den Lerninhalt granularisiere, muss ich mich aber auch um die Kontextualisierung und "In-Verbindung-Setzen" kümmern.

Weiterer Knackpunkt im Artikel: Unterschied zwischen Wissen und Information: Podcasts sind meiner Meinung nach keine „Wissensvermittlungssysteme mit niedriger Komplexität“, sondern allenfalls "Informationsvermittlungssysteme mit niedriger Komplexität". Wissen, Lernen und damit Wissensaufbau hat mit der aktiven Verarbeitung von Informationen zu tun. Allerdings kann ich beim Zugfahren, Autofahren oder Joggen nur selten das Wissen aktiv verarbeiten. Ich kann mir Informationen "nur" anhören, die ich dann allerdings, damit sie in meine Wissensbasis eingefügt werden können, aktiv verarbeiten muss.