Lehrer und das Internet

Soeben bin ich auf die Publikation «Digitale Schule – wie Lehrer Angebote im Internet nutzen» vom MMB-Institut für Medien- und Kompetenzforschung im Auftrag des BMBF gestossen.

Die Untersuchung hat das Ziel, eine Momentaufnahme der Nutzung von computerunterstützten Lernmedien durch Lehrerinnen und Lehrer an Schulen zu erstellen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Nutzung von Portalen für Lehrer.

Die Ergebnisse dieses Berichtes kann man folgendermassen zusammenfassen (Auszüge, fett von mir):

1. Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen bieten ein großes Potenzial für die Nutzung von Online-Medien, das noch lange nicht ausgeschöpft wird. Die erforderliche Ausstattung ist sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern größtenteils vorhanden, aber die Nutzung könnte deutlich höher sein.
2. Die Nutzung von Online-Angeboten für Lehrer zur Unterrichtsvorbereitung ist für die meisten Lehrerinnen und Lehrer eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Nutzung von Online-Angeboten im Unterricht ist hingegen eher die Ausnahme.
3. Es existiert ein großes und umfangreiches Online-Angebot für Lehrer. Die vorliegende Untersuchung ermittelt 36 schulspezifische Websites, die von Lehrern häufig genutzt werden. Hinzu kommen Angebote, die sich auch an andere Zielgruppen wenden.
4. Es kristallisieren sich vier Angebots-„Typen“ heraus: 1. Kostenlose Informationsangebote mit Verweisen auf Inhalte anderer Anbieter; 2. Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien speziell für Lehrer (z.T. kostenlos); 3. Spezialangebote für bestimmte Lehrer-Zielgruppen oder Themen; 4. Arbeitsumgebungen für die Zusammenarbeit von Lehrern, Schülern und anderen schulnahen Akteuren.
5. Bei den Angeboten und Funktionalitäten legen Lehrer vor allem Wert auf Datenbanken mit Lerninhalten sowie auf Links und aktuelle Informationen für Lehrer. Geringer ist die Präferenz für virtuelle Arbeitsumgebungen.
6. Hauptaufgabe einer Portalredaktion ist nach Ansicht der Lehrer die Erstellung von Contents im eigenen Hause. Experten (Schuldirektoren und Vertreter der Länder) befürworten hingegen den Aufbau eines Netzwerks von Lehrern, die die Inhalte für das Portal erstellen.
7. Eine Erweiterung der Zielgruppen von Web-Angeboten für Lehrer wird eher nicht gewünscht, wohl aber eine gezielte Öffnung für Referendare und Pädagogik-Studierende, also den Lehrer-Nachwuchs.
8. Weitgehend akzeptiert werden von Lehrern „klassische“ Online-Angebote im Sinne des „Web 1.0“, also von professionellen Autoren erstellte Texte und Grafiken, die keine weitere Bearbeitung mehr ermöglichen oder benötigen. Eine kleine Pioniergruppe von Lehrern und Experten begrüßt die neuen Formen des „Web 2.0“, in denen alle Nutzer an den Inhalten im Web mitarbeiten.

Ich bin erstaunt, dass sich auch nach so vielen Jahren von Medieninitiativen an Schulen so wenig Ergebnisse zeigen. Klar nutzen Lehrende das Web für die Unterrichtsvorbereitung, aber wieso gelingt ein didaktisch sinnvoller Einsatz im Klassenzimmer nicht? Versagt hier die Aus- oder Fortbildung, in der den Lehrenden diese Kompetenz nicht beigebracht wird? Oder gibt es schlicht weg „wichtigere“ Dinge? Ein richtiger Ansatzpunkt ist es dabei schon, die Seiten auch für den Nachwuchs zu öffnen, jedoch darf es nicht nur beim Zugang dazu bleiben. Schon früh muss in der Ausbildung auch diese Kompetenz integriert werden, denn Medien sind und bleiben ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft, mit denen die nachwachsenden Generationen kritisch umgehen müssen – und dies müssen sie lernen. Wenn nicht in der Schule, wo denn dann?
Vor allem das Fazit könnte ich unterschreiben:

Auch aus dem Alltag von Lehrerinnen und Lehrern sind Computer und Internet nicht mehr wegzudenken. Allerdings nutzen Lehrer das Internet überwiegend zur Unterrichtsvorbereitung. Im Unterricht selbst werden die Neuen Medien eher selten eingesetzt.
Die Ausweitung von Akzeptanz und Nutzung der neuen Medien ist allerdings kein Selbstläufer. Deshalb sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig, u.a. in der Lehrerfortbildung. Entscheidend für die künftige Nutzung von digitalen Medien in der Schule sind überzeugende Inhalte und Konzepte für den schulischen Einsatz.

Es gibt in diesem Bereich (auch in Hinblick auf die Integration von Web 2.0 Technologien in die Lehrerbildung und dann den Schulalltag) auch nach Jahren immer noch viel zu tun.

Update 26. Mai 2008

Hierzu passt auch folgender Artikel von Thomas Kerstan. Zitat:

Schulen sind eben, man mag es beklagen oder begrüßen, ein verdammt träger Organismus. Das gilt erst recht für Schulen in der Dritten Welt. Wenn etwa ein Arzt aus dem Jahr 1908 mittels einer Zeitmaschine in einem Operationssaal von heute landete, käme er sich vor wie ein Alien. Ein Lehrer aus dem Jahr 1908 hingegen, der heute einen Klassenraum beträte, könnte problemlos den Unterricht fortsetzen.

Trotz aller Skepsis wird das Internet die Schulen dennoch aufmischen. Dabei geht es à la longue nicht um die läppische Frage, ob Computer in die Schule sollten oder nicht. Die Schüler (und ja: auch die Lehrer) werden bald in einer Technosphäre leben, die die Schulpraxis automatisch verändert – je höher die Schulklasse, je mehr die Schüler eigenständig lernen, desto stärker. Die selbstverständliche Kommunikation Jugendlicher über Ländergrenzen hinweg schafft für Fächer wie Erdkunde, Fremdsprachen oder Politik ganz neue Möglichkeiten. Der einfache Zugriff vieler Schüler auf diverse Wissensquellen wird den Unterricht bereichern, ebenso die fantastischen Möglichkeiten der Computersimulation. Das Lernen wird mit zunehmendem Alter individueller gestaltet. Das Lernen außerhalb der Schule wird wichtiger. Damit werden die Lehrer stärker als jetzt Begleiter des Lernens ihrer Schüler. Sie müssen auf andere Art als heute einen Vorsprung vor den Schülern behalten: Das Vermitteln von Orientierungswissen wird wichtiger als das von Verfügungswissen.

Comments

Dass die Nutzung der neuen Medien durch Lehrer ausbaufähig ist, scheint klar zu sein. Die Frage ist, wie hier eine Trendwende hin zur verstärkten Einbeziehung von multimedialen Inhalten im Unterricht erreicht werden kann? Viel steht und fällt mit der Manpower und Motivation der Lehrer selbst – hat der einzelne Lehrer keine Kompetenz in diesem Bereich, so wird er auch nicht auf die Idee kommen, neue Medien in die Unterrichtsgestaltung einzubeziehen. Nach meiner Erfahrung ist „Web 2.0“ an Schulen ein bestenfalls marginales Thema.

Lieber Axel

Da stimme ich dir zu, es geht vor allem um die Motivation und Kompetenz der Lehrenden. Ohne diese wird es auch nicht zu einem verstärkten Einsatz kommen. Für mich ist die Frage, wie man diese Kompetenz aufbauen kann, und zwar nicht erst in der Weiterbildung, sondern schon in der Ausbildung der ersten und zweiten Phase. Nur so gelingt es, langfristig Medien auch für den Unterricht wirksam einzusetzen.
Dies sind ja nun keine neuen Forderungen, mich hat erstaunt, dass sich trotz der jahrelangen Bemühungen so wenig in diesem Bereich getan hat.
Liebe Grüsse
Mandy

Ich glaube ja inzwischen, dass es am ganzen System hinkt: Unsere Gesellschaft hat zu viel Angst, um zu experimentieren, und wie man die digitalen Medien sinnvoll auch in den Schulen nutzt, setzt voraus, dass experimentiert wird, dass auch Fehler gemacht werden. Aber ich treffe eigentlich immer auf irgendwelche Ängste, wobei ich mich frage: Was bitte soll denn schon passieren? Wenn es Lehrern ernst ist mit ihren Schülern und wenn sie diese ernst nehmen, wenn sie diese weiterbringen wollen, wenn sie wachsam sind für Fehlentwicklungen etc., dann werden die potenziellen Fehler bei Unterrichtsreformen ganz bestimmt keine gravierenden Schäden anrichten, vielmehr wird man hinterher endlich schlauer sein, was funktioniert und was nicht.

Lehrer z.B. haben Angst, dass Sie mit dem Stoff nicht durchkommen, weil sonst Schulleiter und Eltern Stress machen. Eltern haben Angst, dass ihre Kinder auf der Strecke bleiben, wenn sie nicht überall brillieren. Schulleiter haben Angst, dass sie vom Ministerium eins auf den Deckel bekommen, wenn sie zu autonom agieren (vielleicht auch von den Eltern) und die Ministerien – ja wovor haben die Angst? Vor der nächsten PISA-Studie? Vielleicht. Das ist ein unseliger Kreislauf, der sich letztlich kaum mit Fortbildungen durchbrechen lässt, was jetzt NICHT heißt, dass Fortbildungen nichts bringen. Aber GLEICHZEITG müssen wir die Schule, müssen wir das Verständnis von Bildung ändern, müssen wir vielleicht auch einen anderen Leistungsbegriff kreieren.

Jedenfalls bin ich auch nicht gegen Leistung (den Vorwurf handelt man sich ja schnell ein, wenn man das Schulsystem kritisiert), aber Fakt ist doch gerade auch, dass unser Bildunsgssystem aktuell genau NICHT zu besonders viel zu Leistung anregt oder selbst leistungsstark ist, oder?

Gabi

@ Gabi: Es ist interessant was du schreibst. Ich denke, du hast Recht, dass Angst Entwicklung bremsen kann und damit die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen verringern.

Eine Frage für dich/euch:
Was können Menschen, die du oben nennst (Eltern die für verschiedene Unternehmen arbeiten, LehrerInnen, SchulleiterInnen, Personen in Ministerien)konkret tun um zu fördern, dass mehrere Leute verschiedene Ideen, die sie haben, ausprobieren. Wie können wir einander in dieser Verbindung am besten helfen, damit wir Alle Vorwärts kommen?

Wie Gabi glaube ich ich auch, dass man, um Veränderungen anstoßen zu können, sich das gesamte System ansehen muss: Pädagogik-Ausbildung, Verwaltung, aber auch die vorherrschende Meinung, wie Bildung auszusehen hat. Dieses Bild ist nach meinem Eindruck nach sehr konservativ. Und Bildung ist ein sehr emotionales und ideologisches Feld. Zudem haben Eltern selbst Schule (und Hochschule) erlebt und das ist ihr Bild von dem, wie Schule auszusehen hat.

Es gibt in der öffentlichen Wahrnehmung keine wirkliche Debatte über Didaktik, wie guter Schul-»Unterricht« aussehen kann. Ohne eine solche Debatte bleibt das Wissen über Alternativen zum Schulunterricht bei den Leuten, die das eh schon aus ihrer Profession her haben.

Unser Bildungssystem zieht auch ganz bestimmte Menschen mit ihren eigenen Einstellungen an (der Lehrerberuf hat ja eine sehr hohe Selbstrekrutierungrate). Nach dem Referendariat und der Verbeamtung ist es im weiteren Berufsleben vorbei mit größeren Veränderungen. Echte Perspektiven werden da ja nicht geboten.

Interessant ist für mich meine ganz persönliche Erfahrung mit den verschiedenen Menschen aus diesem System. Lehrer, Eltern, Mitglieder der Schulbehörden und Ministerien, in Gesprächen habe ich von allen ghört, dass man was grundlegendes ändern muss. Aber niemand sieht sich selbst in der Lage, das System, das sie zusammen bilden, tatsächlich zu ändern.

-Tim

Hallo zusammen,

ich glaube, was noch erschwerend dazu kommt ist, dass man natürich nicht alle Eltern, Lehrer, Schulleiter und Vertreter in Ministerien (gerade im Bereich Schule gibt es ja auch (in D) landespolitisch enorme Unterschiede!)in einen Topf werfen kann. Die Diversität – natürlich gerade auch bei den Schülern – ist so groß, dass Empfehlungen irgendwie immer nie so recht treffen.

Ich stimme Tim zu, dass es eine Sache der öffentlichen Wahrnehmeung und Erwartung in Sachen Bildung ist, was Reformen erschwert – daher ja auch mein Hinweis auf die aus meiner Sicht bremsende Angst. Die ist denn auch meist gepaart mit einem Schwarz-Weiß-Denken: Traditioneller Unterricht = Leistung (da gibt es wenigstens Ergebnisse; siehe PISA); Mut zum Experimentieren = keine Leistung (da wabern diffuse Vorstellungen von anti-autoritär und laissez-faire durch die Köpfe).

Daher – und das auch als Antwort auf die Frage von Frank – müsste man sich vielleicht gerade den Leistungsbegriff zunutze machen, der immerhin in der Öffentlichkeit positiv besetzt ist, und zeigen, dass Schule und Unterricht höhere, lanfristigere etc.(wie auch immer man ds definiert) Leistung zur Folge hat, wenn wir z.B. wissenschaftliche Erkenntnisse zum Lernen endlich mal in die tat umsetzen. Das wäre zumindest mal EIN Ansatzpunkt.

Ansonsten kann ich nur sagen: System verändern – ja, aber das geht nur mit Personen; also muss man Personen, denen man das zutraut, an die rechten Stellen bringen, damit sie Veränderungen voranbringen können. Wie schwer das ist, wissen wir alle, weil natürlich gerade da so etwas wie „Machterhalt“ sehr ausgeprägt ist – man hält Leute, die das könnten (und das fängt beim Lehrer an und hört beim Minister auf) dann lieber klein.

Gabi

Hallo!
Ich bin Referendar, wahnsinnig computeraffin, setze aus Spaß Linux auf, führe mehrere Blogs, nutze vieles von dem Web2.0-Zeugs, halte das Internet für die großartigste Erfindung des letzten Jahrhunderts und war in meiner bislang einjährigen Phase eigenständigen Unterrichts nur dreimal mit meinen Schülern im Computerraum, um wirklich etwas mit einem Computer zu machen.

Warum. Das frage ich mich auch ständig: Wieso bin ich nicht öfter in diesen doch oft unbenutzten Computerräumen, die, wenn sie überhaupt verwendet werden, meist zur Filmvorführung zweckentfremdet werden.

Ich müsste jetzt selber einmal in mich gehen, um da eine „Rechtfertigung“ zu finden, aber spontan gedacht treiben mich meist folgende Fragen um: Wie reagieren meine Schüler auf die unendlichen Weiten des Internets? Muss ich hinter jedem Bildschirm stehen und kontrollieren, wo die surfen? Sind meine Schüler (die Frage der Altersklasse spare ich mal aus) in der Lage, die Informationsflut sinnvoll zu filtern? Wie arrangiere ich sinnvoll fachspezifische Moodle-Kurse (dabei hilft mir Computeraffinität kein Stück)? Wieviel Zeit verplempern wir mit dem Hingehen zum Computerraum und dem Hochfahren der Computer? Wieviel Zeit damit, bis alle arbeitsbereit sind? Wie sammeln die Schüler ihre Ergebnisse (Druckorgie? Müssen alle einen USB-Stick kaufen?)? Was mache ich mit XYZ, dessen Eltern keinen Internetanschluss haben (Ich habe in jeder Klasse mind. einen Schüler ohne)? Wenn immer zwei vor einem Computer sitzen, wie beurteile ich dann die sonstige Mitarbeit? Wie beurteile ich dann überhaupt die „sonstige Mitarbeit“, wenn die da sitzen und stumm klicken?

Und zuletzt die vielleicht wichtigste Frage: Kann ich den Lerninhalt nicht mit viel weniger zeitlichem und logistischem Aufwand auf andere Weise (Tafel, Text, Folie,…) vermitteln? Und: Bringt der Einsatz des Computers an dieser Stelle meines Unterrichts einen spezifischen Mehrgewinn oder ist er nur schmückendes Beiwerk?

Klar, einige Antworten habe ich auch: Verwende Webquests, Portfolios, nimm aufgetretene Probleme zum Anlass zur Problematisierung, arbeite mehr mit Kollegen, bereite Deinen Unterricht gründlicher vor.

Vielleicht ist es auch die Vorstellung eines lebendigen, d.h. diskussions- und beitragsreichen Unterrichts, die der Vorstellung eines Bildschirmglotzerunterrichts entgegensteht, die es auch mir so schwer macht, meine Schüler vor einen Bildschirm zu setzen.

Dabei ist es nicht so, dass ich auf die Angebote des sogenannten Web2.0 verzichten würde, aber diese nutze ich, allerdings auch erst seit kurzem, mehr neben dem Unterricht; so bspw. Moodle zur Rechtschreibförderung in der Oberstufe oder als Begleitprogramm zur Romanlektüre.

Was ich mit diesem unstrukturierten Beitrag sagen möchte, ist, dass man es nicht alleine auf die vermeintlich nicht vorhandene Medienkompetenz der Lehrer beziehen darf, wenn das Web2.0 noch nicht in den Klassenräumen angekommen ist.

Hallo
Vielen Dank für den spannenden Beitrag aus der Praxis: hier sieht man deutlich, dass man auch die Rahmenbedingungen nicht vergessen darf (z.B. Computerraum). Oft scheitern Innovationen nicht nur aus Angst vor weniger Leistung (vor allem seit den Leistungsmessungen, Vergleichsarbeiten usw., wobei für mich noch die Frage ist, welche Leistung dort gemessen wird), sondern auch an so einfachen Dingen wie der Zugang zu Computer und Internet während der Unterrichtszeit. Neben den richtigen Personen an den richtigen STellen (siehe Beitrag von Gabi Reinmann) müssen auch Infrastruktur und Lernräume an die neuen Bedingungen angepasst werden. Somit muss an vielen Stellen des Systems angesetzt werden.

Dennoch stelle ich es mir schwierig vor, wissenschaftliche Ansätze in den Schulunterricht zu integrieren. Meist gelingt dies in Modellversuchen, die dann wieder in der Versenkung verschwinden. Die Frage ist für mich, wie man Nachhaltigkeit dort sichern kann, wo man meist allein auf weiter Flur kämpft. Ich habe es schon oft erlebt, dass Referendare mit tollen Ideen und Vorstellungen ihren Beruf anfangen, dann aber innert 2-3 Jahren vergeblichen Kampfes gegen das traditionelle Kollegium wieder in bewährte Muster verfallen. Somit reicht meines Erachtens allein die Förderung des Nachwuchses nicht aus. Medien im Unterricht müssen immer noch als gesamtheitliches Schulentwicklungsprojekt angesehen werden …. und dies braucht vor allem eines: Engagement und Zeit.

Vor zehn Tagen beendete ich ein Ausbildungsmodul für pädagogische ICT-Supportpersonen. Im Verlauf des Moduls hatte ich Gelegenheit zu einer Aussprache mit ICT-Verantwortlichen bezüglich Intensivierung der ICT-Nutzung im Unterricht. Fazit: Die ICT-Verantwortlichen fühlen sich ganz schön allein gelassen. Sie monieren fehlende Unterstützung seitens Schulsystem, Behörde und Schulleitung. Ihrerseits initiieren sie ICT-Projekte, bieten Beratung und Hilfestellungen an. Die Leitungsorgane finden dies zwar nett, überlassen den Entscheid dann den Lehrpersonen – Lehrfreiheit nennt man das. Dies ist aus meiner Sicht zu einseitig.
In einigen Schweizer Kantonen ist Medienbildung bisweilen nicht verbindlich in den Lehrplänen festgemacht, es gibt meistens keine inhaltlichen Vereinbarungen unter den Schulstufen, wer worauf aufbauen kann.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, es fehle nur am nötigen Druck und an Vorgaben. Entscheiden tut schlussendlich die Lehrperson allein. Doch ich denke, es ist BEIDES notwendig: Anregung/Motivation UND Verbindlichkeit. Diesbezüglich wäre die geleitete Schule eine Chance, welche im Moment in vielen Schweizer Schulen flächendeckend eingeführt wird (doch deren Einführung bindet wiederum viel Energie). Schön wäre, wenn ICT und Medienbildung in Schulprogramm und Jahresplanung Eingang finden würden. Die Idee dazu müssten aber wiederum die besagten ICT-Verantwortlichen einbringen.

Nicht zu unterschätzender Aspekt: Auch Arbeit am und im Web 2.0 ist *Arbeit*. – Meine Erfahrung zeigt, dass die meisten Schüler nur für die Bestandteile des Unterrichts bereit sind, Arbeit zu erbringen, die mit Noten bedacht werden. Das ist einerseits betrüblich, andererseits angesichts des immer voller werdenden Pflichtprogramms auch verständlich. Schöne Beispiele (und unschöne Lücken) siehe z.B. hier: http://gk-deutsch.blogspot.com/

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Wenn ich es recht sehe, sind Notebookklassen oder mobile Klassenzimmer die ganz seltene Ausnahme. Solange aber Rechner-/Internetnutzung für Fachlehrerinnen bedeutet, erst in den Rechnerraum zu gehen, sich dort womöglich mit Zugangs- und Konfigurationsproblemen herum zu schlagen, bevor die inhaltliche Arbeit losgeht, solange wird es nix mit der Integration von Web 2.0 (nicht mal Web 1.0) in den Unterricht. Vielleicht könnte man von „radikalen“ Ansätzen wie dem OLPC-Projekt lernen, auch wenn es für Erziehungssysteme mit ganz anderen Rahmenbedingungen konzipiert ist. Aber wo finde ich die risikobereite Kommune, Elternschaft und Lehrerkollegien, das mal auszuprobieren?
Joachim

Für diese Diskussion ist vielleicht mein folgender neuer Beitrag anregend: http://annafant.wordpress.com/2008/05/26/umfrage-unter-
schulerinnen-wie-wurdet-ihr-das-lernen-gestalten/.
Hier hab ich die Gedanken einiger Schülerin zusammengefasst, die beschrieben haben, wie sie sich die Schule gestalten würden.

Hallo Anna
Vielen Dank für den spannenden Beitrag. Es fiel mir auf, dass es auch vermehrt um Organisatorische und räumliche Bedingungen geht, die den Schülerinnen nicht passen. Auch ein verstärkter Medieneinsatz kommt in den Wünschen der Schülerinnen gar nicht vor. Wahrscheinlich sind diese immer noch nebensächlich im Gegensatz zu anderen (Haupt)Problemen der (aus Sicht der Schüler) mangelnden Ausbildung und Anreizstrukturen für guten Unterricht. Die Frage ist, ob man was vermissen kann, was man gar nicht kennt 😉

Zu unserer Diskussion passt dann auch folgender Zeit-Artikel hervorragend: http://www.zeit.de/2008/21/III-Bildung_-Schule Zitat „Viel Geld floss in die Technik, wenig in die Fortbildung der Pädagogen.“

Zum Medieneinsatz wurde tatsächlich hauptsächtlich gewünscht, dass mind. ein Computer pro Klassenzimmer verfügbar ist (oder besser: ein Klassensatz an Laptops). Was genau damit gemacht werden sollte, darauf sind die Mädchen nicht genau eingegangen. Vielleicht fehlt ihnen da das Vorstellungsvermögen. Das wäre nicht verwunderlich, wenn schon viele Lehrer nicht genau wissen, wie sie den Computer im Unterricht sinnvoll und effektiv einsetzen können. Die Frage hatte ich aus Interesse informell im allgemeinen Diskussionsforum gestellt. Um die Aussagen zu hinterfragen, müsste man eine richtige Umfrage anders aufbauen.

Leider wird die ZEIT-Seite nicht gefunden, wenn ich auf den Link klicke…

Liebe Anna
Jetzt sollte es gehen, da war ein Punkt in der URL zuviel, sorry.

Danke! 🙂

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Die Schule paßt nicht zum Internetzeitalter! Weder ihre räumliche, noch ihre Zeitstruktur, weder die Lehrerausbildung, noch die Regeln der Schule, die z.B. besagen, man müßte die Schüler immerfort kontrollieren in dem, was sie tun. Bis die Schule dann endlich geändert ist – was sie vielleicht durch die Notwendigkeit, auf die Herausforderungen der Informationsgesellschaft zu reagieren, irgendwann tun wird, folgender Vorschlag: Fertige Plattformen benutzen, wie Schulcommsy oder zum Projektarbeiten http://www.de.schola-21.de Das trauen sich auch Lehrer zu, die keine Informatiker sind und nicht mals schnell eben ein Wiki aufsetzen können, und die jenseits der 50 sind und Weblogs für intime Tagebücher von Teanagern halten.

Hallo zusammen

Ich finde die Diskussion sehr interessant und möchte ein paar Aspekte anfügen, die mir dazu durch den Kopf schwirren:
1. Die systemische Sichtweise im Hinblick auf Veränderungen, Reformen kann ich nur unterstützen. Die besonderen Schwierigkeiten scheinen mir aber dabei zu liegen, dass auf den verschiedenen Systemebenen Akteure mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen zu berücksichtigen sind und dass Reformen halt auch politische Prozesse darstellen. Auch wenn gesetzliche (oder im Fall der Schule, curriculare) Vorgaben stehen, ist die Implementation ein „sozialer Prozess, in welchen die Akteure ihre unterschiedlichen Interessen einbringen und dabei von ihren Macht- und Einflussmöglichkeiten Gebrauch machen“ (Linder, Wolf: Politische Entscheidung und Gesetzesvollzug in der Schweiz. Bern 1987, S. 217). Die Erwartungen sind hoch, denn es ist zu bedenken, dass eine zentrale Voraussetzung für den Erfolg einer Bildungsreform die Kohärenz der Massnahmen auf den verschiedenen Ebenen wäre, denn die Bedeutung der Wahrnehmung der Lehrpersonen „about how coherent their professional development experiences were for teacher learning and program implementation“ (Penuel, Fishman, Yamaguchi & Gallagher, 2007, S. 921) ist eine entscheidende Grösse.
– interne Kohärenz durch eine Ausrichtung von Form und Inhalt der verschiedenen Massnahmen (inkl. Lehrpläne, Tools, Lehrmittel etc.)
– externe Kohärenz durch Einbezug und Verknüpfung mit anderen Reformthemen

2. Es scheint mir tautologisch, dass eine Veränderung nur mit den Betroffenen stattfinden kann. Lehrerinnen und Lehrer müssen motiviert sein, etwas zu verändern. Die Conceptual Change-Theorie legt nahe, dass u.a. eine Irritation, ein Merken, dass etwas nicht funktioniert, am Anfang des Aufbaus eines neuen Konzepts stehen muss. Der bisherige, herkömmliche Medieneinsatz scheint demzufolge zu funktionieren bzw. zumindest bei den Lehrpersonen das zu leisten, was sie sich davon versprechen.

3. Ich bestreite keineswegs die Notwendigkeit der angesprochenen Medienkompetenz der Lehrenden. Es müsste aber gelingen, denn „Mehrwert“ neuer Medien gegenüber herkömmlichen im Rahmen fachdidaktischer Überlegungen unter den gegebenen Schul- und Unterrichtsbedingungen deutlich zu machen.Der ICT-Hype war v.a. technologisch orientiert, nicht didaktisch, und schon gar nicht anknüpfend an den gegebenen (Schul-)Systembedingungen. Lehrpersonen sind Lehrende von Themen, Fächern. Entsprechend müssten wohl Konzeptionen an einer Vorstellung von Lehrkompetenz anschliessen, die fachorientiert ist, wie es z.B. die COACTIV-Studie tut (http://www.mpib-berlin.mpg.de/coactiv/index.htm). Über Infos zu einem solchen Ansatz würde ich mich freuen.

Insgesamt eine spannende Diskussion, in die ich mich gerne einbringe:
1. Die Schule ist mehrheitlich auf dem Stand der 90er Jahre. Computer ja, aber in abgeschlossenen Räumen mit dem Lehrer als Kontrolletti: Zugangscodes und maschinengestützte autoritäre Führung. Weit entfernt von Ideen und Praxis des Web 2.0.

2. Die Lehrer sind nicht ausgebildet für Anforderungen des 21.Jahrhunderts. Unsicherheit beherrscht das mediale „Geschäft“. (wird in mehreren Diskussionsbeiträgen klar)

3. Der Lehrer ist nach wie vor Einzelarbeiter, das Lehrerteam und die damit verbundene Fortbildung und zielgerichtete Diskussionen gehören mehr in die Kategorie „Wunschdenken“.

4. Wir haben es in der Schulbürokratie mit einem neuen Typus von Beamten zu tun. Er zeichnet sich aus durch hohe verbale Offenheit bei gleichzeitig ausgeprägter Handlungsstarre. Das macht die Sache/Schulreform nicht gerade einfacher.Wenn’s konkret wird – Fehlanzeige!

5. Die Debatte um Bildungsstandards ist mehrfach vermint. Eine Debatte um Potenzen von Web 2.0 ist hierbei noch nicht im Bewusstsein der Akteure. Von der KMK ist nichts Vorwärtstreibendes zu erwarten.

6. Wir müssen die Paradoxie leben, d.h. an allen möglichen „Stellschrauben“ drehen, die die Internet-Potenzen – trotz allerlei Widerstände und Behinderungen – darstellt und erläutert. Einen kleinen Beitrag kann die Blogger-Community mit konkreten Nutzungsanbeboten leisten.

@Thomas Balmer: Deinen Punkt 2) finde ich zur analytischen Einsicht zentral. Denn wenn die Schulpraktiker sich fragen, ob sie ihren Unterrichts“stoff“ unter den gegebenen Bedingungen nicht doch effektiver ohne die Neuen Medien „rüberbringen“, und das entgegen ihrer Erfahrung, die sie ja schließlich in der außerschulischen Praxis dazu gebracht haben, ihren eigenen Lernprozeß selbstverständlich mit den Neuen Medien und mit den avanciertesten Tools zu organisieren, dann zeigt das, daß es nicht eine Frage von individueller Medienkompetenz, aber auch nicht nur eine der systemischen Bedingungen Schulstruktur, Regeln usw. ist, sondern auch eine des Lernverständnisses einerseits und des Medienverständnisses andererseits. In anderen Ländern ist das nicht so wie in D und Ö. Das Lehrerblog „Blog of proximal development“ http://teachandlearn.ca/blog/ z.B., in dem über die Praxis, Blogs als Unterrichtsmedium zu nutzen reflektiert wird, steht gar nicht so einsam da, wie man meinen möchte.
Interessant ist außerdem, daß die Didaktik, die sich in den Neuen Medien entfaltet – also eLearning und blended Learning – zunächst an dem alten Lernverständnis anknüpft und daher nicht so gut funktioniert, weil sie noch nicht ihrer eigenen Logik – der Netzlogik folgt. Bemühungen um neue Konzepte sind da. Bspw. die Entwicklung des Begriffs „Netzsensibilität“ halte ich für interessant. Auch solche Konzepte wie „connectivism“.
Von einer ausgebildeten neuen Konzeption, die den Lehr-Lernprozess an die gesellschaftlichen Entwicklungen im Gefolge der Neuen Medien anpassen kann, kann noch nicht die Rede sein. Ein Hinweis liegt jedoch auch wieder auf blog of proximal development. Hier wird angeknüpft an das Lernverständnis der kulturhistorischen Schule (Vygotskij, Leont’ev, Lurija). Da ist ein historischer epistemologischer Faden, den es wieder aufzunehmen gilt.

Hallo zusammen.
Meiner Meinung nach ist die Verordnung von oben das eine. Das andere ist, dass sich nicht nur die Gesellschaft ändern soll, faktisch, sondern auch das Wissen darüber, wie sich unsere Gesellschaft verändert hat und wie die Medien unsere Wirklichkeit verändert haben. Wenn diese Einsicht mal erfolgt ist und greift, dann erst verändert sich die Diskussion.
Wie soll das aber passieren, wenn die „alten“ Medien die „neuen“ immer noch bekämpfen – wenn auch nicht immer ganz offen – und darin primär immer noch nur die Konkurrenz sehen?
Wie soll das passieren, wenn in den Leuten der Köpfe immer noch das Wort «Medienkonsum» anstatt «Medienproduktion» herumgeistert? Wenn also Internet primär immer noch Ort des Vergnügens, der Freizeit, aber nicht der Arbeit ist?
Medienproduktion war früher das Business der Profis. Wehe, ein unprofessioneller Schreiber wagt es, hier die Grenzen eines altehrwürdigen Berufsstandes zu überschreiten! Deshalb kommt es doch gar niemandem in den Sinn, Schüler/innen und Lernenden einen produktiven Umgang mit Medien zuzutrauen! Geschweige denn, Inhalte medial „wie die Profis“ aufzubereiten.
Das Thema Medien und speziell Internet wird immer noch primär von Suchtpräventionsstellen und von der Politiker/innen besetzt. Bei dem Thema kommt den Mitgliedern unserer Gesellschaft in der Regel aber sicher nicht die Schule oder etwa Bildung in den Sinn. Da liegt doch der Haken!
In der Zwischenzeit rast die Welt an uns vorbei. Einige bleiben auf der Strecke. Net Generation oder nicht, Bildungsdirektion oder nicht. Egal. Das Thema ist in unserer Gesellschaft nicht verankert.
Grüsse aus Zürich, Miriam

Hallo
Vielen Dank für die spannenden Beiträge. Soeben bin ich in der Zeitschrift Unesco heute über einen Artikel von Frank & Schopen über Digitale Medien in der Schule gestolpert (hier der Zugang zur Zeitschrift: http://www.unesco.de/fileadmin/medien/Dokumente/unesco-heute/unesco-heute-1-08.pdf)
Darin geht es auch um den Einsatz digitaler Medien in der Schule. Beide schreiben: „Gleichzeitig [neben Lehreraus- und -weiterbildung] bedarf es eines umfassenden und systematischen Medienkonzeptes der Schule, damit das Lernen mit digitalen Medien institutionalisiert und dauerhaft betrieben werden kann. Das Medienkonzept muss ich an den von Schlujahr zu Schuljahr fortschreitenden schulinternen und -externen Erfahrungen und dem jeweiligen Stand der Technik orientieren. Die Schulleitung ist dabei Motor dieses Prozesses. Das im Team mit klaren Verantwortlichkeiten zu erstellende Medienkonzept muss auf die konkrete Situation der eigenen Schule (bauliche Situation, Finanzen, Grad der Qualifizierung, Personal, Fortbildung) ausgerichtet sein.“ (S. 22).

Die Entwicklung eines solchen Medienkonzeptes scheint mir zumindest mal für einen ersten Mediendiskurs in Schulen zielführend zu sein. Somit könnte man damit auch etwas für die Verankerung in den Köpfen tun, die Miriam schildert und so ein „Gegengewicht“ zum gesellschaftlichen Dialog auf Schulebene anreissen. Dieses Konzept könnte dann in Zusammenarbeit z.B. mit Medienpädagogen, Hochschulen und/oder Lehrerbildungsseminaren entwickelt werden, um hier Synergien zu nutzen. Vielleicht ist das auch eine Möglichkeit, Conceptual Change bzw. eine Irritation (ein spannender Punkt, den Thomas angesprochen hat) voranzutreiben und erfahrbar zu machen.

In dieser Diskussion stecken eine ganze Menge wichtiger Gedanken – ob sich jemand erbarmt, die mal zusammenzufassen? @Mandy – es ist dein Blog 😉

Sehr gut fand ich die beiden Punkte von l

4. Wir haben es in der Schulbürokratie mit einem neuen Typus von Beamten zu tun. Er zeichnet sich aus durch hohe verbale Offenheit bei gleichzeitig ausgeprägter Handlungsstarre. Das macht die Sache/Schulreform nicht gerade einfacher.Wenn’s konkret wird – Fehlanzeige!

5. Die Debatte um Bildungsstandards ist mehrfach vermint. Eine Debatte um Potenzen von Web 2.0 ist hierbei noch nicht im Bewusstsein der Akteure. Von der KMK ist nichts Vorwärtstreibendes zu erwarten.

Das sind auch aus meiner Sicht zwei ganz entscheidende Aspekte – und sehr treffend formuliert! 🙂 Das trifft es auf den Punkt und entspricht auch meiner Erfahrung.

Gabi

Hallo zusammen
Da hat Gabi natürlich Recht 😉 und ich versuche mich mal in einer Zusammenfassung der bisherigen Diskussion:

Ausgangspunkt war meine Verwunderung, warum es nach all den Jahren von „Schulen ans Netz“ und ähnlichen Projekten nicht gelungen ist, den Umgang mit neuen Medien wie Internet und Web 2.0 im Unterricht (und nicht nur in der persönlichen Vorbereitung) zu verankern.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Gründe hierfür zum einen im System Schule und zum anderen in der gesellschaftlichen Betrachtung der Medien liegt.

Das „System Schule“ besteht aus ganz unterschiedlichen Akteuren:

Lehrende
Lehrende sind sicherlich einer der Hauptfaktoren im System Schule. Ein mangelnder Medieneinsatz im Unterricht kann zum Teil auf mangelnde Aus- und Fortbildung in Medienkompetenz haben. So herrscht bei Lehrenden immer noch eine grosse Unsicherheit beim Einsatz von Medien im Unterricht, zum einen über Konzepte, zum anderen über den Mehrwert von Medien. Aus mangelnden Vorbildern und mangelnden innovativen Ideen wird sich oft auf eigene Schulerfahrungen bzw. auf vermeintlich „sichere“ Konzepte der traditionellen Pädagogik zurückgezogen. Aus Angst vor Eltern, mangelnder Zielerreichung, Vorgesetzten, usw. experimentieren sie nicht mit Medien, sondern gehen den vermeintlich sicheren Weg. Weiterhin sind Lehrende oft immer noch Einzelkämpfer: Eine Zusammenarbeit von mehreren Lehrenden findet selten statt, engagierte Medien-Einzelkämpfer resignieren ab einem gewissen Punkt, werden sie doch oft mit ihren Sorgen und Problemen allein gelassen.
Zudem gibt es einen neuen Typus von Beamten, die nach aussen offen sind, sich aber nicht zur Umsetzung neuer Konzepte durchringen können.
Solange die Vermittlung von Schulstoff effizienter eingeschätzt wird und es zu keiner Irritation (sei es von aussen oder von den Schülern) kommt, wird sich wohl wenig ändern.

Infrastruktur
Vielfach stellt sich auch die schulische Infrastruktur einem aktiven Medienunterricht im Weg. Wenn Lehrende erst in Arbeitsräume gehen müssen und die Rechner nicht flexibel zur Verfügung stehen. Schulzimmer sind noch keine Medienräume.

Lernende
Auch Lernende tragen zu einem Mangel von Medien im Unterricht bei, sofern Sie sich nicht selbst einbringen und Angst vor „Mehrarbeit“ haben, die nicht unbedingt notenwirksam erscheint.

Schulleitung / Ministerien / KMK
Aber auch ganz oben sind die Gründe für mangelnden Medieneinsatz zu finden: Diskussionen über Bildungsstandards sind vermint, eine Voraussicht in Hinblick auf die Integration neuer Medien auch in Lehrpläne und Zielen ist von dort nicht zu erwarten.

Weiterhin sind Schulen immer noch stark von einer Kontroll-Mentalität bzw. zum Teil von bewahrpädagogischen Konzepten geprägt, die konträr zur Offenheit neuer Medien stehen.

Doch auch die gesellschaftliche Betrachtung von Medien und Bildung hat einen Anteil an der mangelnden Integration von neuen Medien in die Schulen. Was für ein Konzept von Bildung und Medien hat man an Schulen und in der Gesellschaft? Solange sich eher negative Meinungen über Medien halten, solange in der öffentlichen Diskussion Schwarz-Weiss-Malerei, z.B. im Kampf „traditionelle vs. neue Medien“ geführt wird, solange als Bildung vor allem die Erreichung von fachlichen Bildungsstandards gemeint ist, wird sich wohl nicht viel ändern. Was sind Lern- und Bildungsziele von Schule? Allein das Abarbeiten von fest definierten Bildungsstandards oder auch ein Stück weit Medienerziehung? Was ist als Leistung definiert?

Doch die Debatte wurde nicht nur als Klage bisheriger Zustände geführt, es sind auch spannende Ideen gebracht worden, wie man es ändern kann:

Wichtigstes Element zur Veränderung ist sicherlich die Motivation und die Kompetenzen von Lehrenden. Die Kompetenzen sollten kohärent gefördert werden: in Aus- und Weiterbildung. Dabei sind nicht nur die Lehrenden zentral, sondern das gesamte System: Ausbildung mit Bildungskonzepten, Verwaltung, Schulentwicklung. Die Integration neuer Medien in Schulen ist ein ganzheitlicher Schulentwicklungsprozess (Unterstützung z.B. mit Schulkonzepten und Jahresplänen), der sowohl Motivation als auch Verbindlichkeit von allen Seiten benötigt. Was bisher in Schulen fehlt, ist die Irritation bestehender Konzepte.

Aber auch das Verständnis von Bildung sollte differenziert betrachtet werden, es ist ein anderer Leistungsbegriff zu wählen, der auch experimentieren zulässt. Neue Konzepte sollten ausprobiert werden, wissenschaftliche Erkenntnisse selbstverständlicher in den Unterricht einfliessen.

Toll, danke! Wisst ihr was? Daraus werde ich mir Impulse für ein Eingangsstatement holen, das ich bei einer Talkrunde eines D21-Projkets halten soll. Dann fließen wenigstens verschiedene Meinungen aus Wissenschaft und Praxis ein. Danke an alle!

Gabi

Ja, und bei allen langwierig-komplexen Faktoren sollen Schulträger über viele Jahre hohe Investitionen bezahlen. Klar, wie hätte die Fortentwicklung von Didaktik und Schulpraxis eine (IT-)Chance, wenn die Rahmenbedingungen erst 5 Jahre nach Beweis der Berechtigung geschaffen werden. Wenn die Haushaltspolitik „schon“ nach 6 Jahren fragt – oder von ihrer politischen Konkurrenz gefragt wird -, welcher Nutzen aus den hohen IT-Ausgaben erwächst, wird´s hakelig. Kann der nötige lange Atem dann gehalten werden? Oder: Wie lange soll der Vorschuss auf die versprochene Bildungszukunft gegeben werden? Ja klar, das ist nicht nur zu Schu-IT eine Frage. Es kostet aber kaum irgendwo offensichtlich (!) so viel Geld? Und es folgen statt Antworten neue Bedingungen: Alle Schulen ans Netz – das wird schon ein Selbstläufer? Dann: Viele, viele Rechner in die Schulen – jetzt wird´s doch etwas werden? Dann: Der Netz-Betrieb muss stimmen, das können die Lehrkräfte ja nicht selber machen? Nun: Die Aus- und Fortbildung ist zu forcieren – sind halt viele viele Lehrkräfte, bis man die alle durchgeschleust hat! Nicht zu vergessen: der Computerraum und die Medienecke in jeder Klasse reicht nicht – es müssen für Notebooks für jeden sein – aber bitteschön (nicht) auf Kosten der Eltern. Also: Wie lange?

-Sanne-

Ein paar unfrisierte Gedanken zur weiteren Diskussion:

1. Es interessiert mich selbstverständlich, was Gabi für ein „Eingangsstatement im Rahmen von D 21“ halten wird. Ich hoffe, dass wir alle davon hören /lesen werden. Die D21-Initiative der Bundesregierung zielt in die richtige Richtung – die besten Köpfe für Deutschlands Schulen. Entscheidend wird es auf die didaktisch aufbereitete Dokumentation der Ergebnisse und ein cleveres Marketing ankommen. Der kreative und sensible Teil in den Lehrerkollegien sollte den Nutzen, den „Mehrwert“ einer Orientierung hin zu Web 2.0 erkennen. Das schwingt auch im Beitrag von Thomas, Punkt 3 mit. What’s the difference? Worin besteht der Qualitätssprung für die Pädagogik? Man mache sich aber klar, dass die Bundesregierung in Sachen Schulpolitik nur geduldeter Zaungast der Länder ist. Das Förderalismusprinzip (das die Länder erbittert verteidigen)verhindert eine nationale Strategie „Internet und neue Pädagogik in der Schule“. Die KMK wiederum sucht immer nach den kleinsten gemeinsamen Nenner, sucht nach ständiger Konfliktmeidung und bewegt sich deshalb wie eine griechische Landschildkröte.

2. Die beklagte mangelnde Fortbildung im Bereich „Medienkompetenz“ wird seit 15 Jahre wie die Monstranz bei Prozessionen vorangetragen. Erweiternd wird dann noch auf die veraltete Infrastruktur, den Streit mit den Schulträgern, Serviceprobleme u.ä. hingewiesen (Beitrag von Sanne) Alles nicht falsch,auch Notebooks für alle, geht aber trotzdem am Kern vorbei.
Die Fortbildungen haben i.d.R. den Universalcharakter von Computertechnologie und Internet in der Tiefe nicht verstanden. Er sprengt das Fachprinzip, genau das wird aber nicht gewollt. Additive Ansätze – Fach & Computer – etc. bleiben deshalb beschränkt. Vgl. hier nochmal die Zusammenfassung der Ergebnisse der Studie zur digitalen Schule als Ausgangspunkt der Debatte. Lehrer sind in der Mehrheit noch nicht bei Web 1.0 angekommen.Viele kämpfen schon mit ihren traditionellen Unterricht und sehen oft genervt wenig Land.

3. Wer grundlegend innerhalb der nächsten 5-10 Jahre etwas im Bereich „Lehrer und Internet“ verändern will, mache sich klar, in welcher pädagogischen „Großwetterlage“ wir uns befinden. Die vorherrschende Pädagogik in Deutschland heißt „Instruktionspädagogik“ mit sehr mäßigem Erfolg (abgesehen von den 10% charismatischen Lehrern, die auch mit geschickten Varianten des „Nürnberger Trichters“ gut Ergebnisse erzielen, ist der Gesamterfolg der Schule mehr als dürftig). Also stellt sich hier unabweisbar die Frage nach den qualitativ neuen Lernkulturen. Das ist eine Chance für Web 2.0, wenn es in solch integrative Ansätze eingebettet ist. Lange Ausführungen dazu würden den Blog sprengen, deshalb folgender Hinweis. Neben den vielen Publikationen zum Megathema „neue Lernkulturen“ sticht für mich ein Ansatz besonders hervor. Ich meine die Subjektive Didaktik von Edmund Kösel. Er vertritt diese seit den 90er Jahren, seit 2007 liegt eine systematische Fassung in drei Bänden vor. Hervorragend, ich kenne nichts Besseres am Pädagogenmarkt, aber keine leichte Kost. Da die Instruktionspädagogik aufgrund der mäßigen Erfolge zurzeit erheblich unter Druck ist und in den nächsten Jahren mindestens 40% der Lehrer in Pension gehen, sehe ich große Entwicklungspotenziale für eine große didaktische Schulreform.Neue Lehrer braucht das Land.

4. Im Bereich der Konzeptionen in Sachen digitaler Medien etc. durch Hochschulen und Institute (aber auch großer Unternehmen mit ihren Ausbildungs- und Fortbildungsabteilungen) sehe ich keine unüberbrückbaren Hindernisse. Theorie und ‚best practice‘ werden enorme Fortschritte erzielen. Verdeutlichen wir uns aber eine andere „Großwetterlage“, die derzeitge Verfasstheit der „politischen Klasse“, der Berufspolitiker und leitenden Beamten in Ministerien. Neben der politischen Spitze – Minister und Staatsekretär – sind auch die Ministerialdirigenten als oberste Spitze der Bildungsverwaltung Parteibuchträger. Es geht erst um Parteizugehörigkeit und dann um Qualifikation. Das verkompliziert die Sache und erfordert wiederum länderspezifisches politisches Spezialwissen. Jeder Politiker will sich heute zukunftsgewandt mit Voodooformeln wie Internet, Globalisierung, Medienerziehung, Schulreform schmücken, das kommt an. Er will vor allem an der Macht bleiben. Schon an der nächsten Biegung taucht die politische Kalkülfrage auf: Wo ist die Falle? Könnte es Konflikte geben? Sägt die Opposition an meinem Stuhl? Hier den Berufspolitikern beharrlich „beratend helfen“, sie im Stakkato vorzubereiten (auch aus der Bloggerszene) ist notwendige und grundlegende Begleitmusik einer Schulveränderung.

Ist jetzt doch etwas länger geworden, als ich wollte. Bin müde, gut Nacht und freundliche Grüße vom
Bildungswirt.

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