PowerPoint, Denkgewohnheiten, Unterrichtskultur

Catherine Adams hat in der Zeitschrift Erziehungswissenschaft einen Artikel über den Zusammenhang zwischen PowerPoint, Denkgewohnheiten, Unterrichtskultur veröffentlicht. Dieser Artikel gibt zu denken: Dass Powerpoint des Öfteren kritisiert wird, ist keine Neuigkeit. Auch ich habe in manchen Beiträgen darauf hingewiesen (siehe hier). Allerdings setzt man selbst auch immer wieder Powerpoint ein, und wenn man es nicht tut, sind Teilnehmende enttäuscht, da es nicht ihren Erwartungshaltungen entspricht.
Catherine Adams führt nochmals schön die Kritik an Powerpoint zusammen: PowerPoint ist ein kommerzielles Tool, entwickelt für Verkaufsgespräche. Dieses Tool eignet sich sehr schlecht zur Vermittlung von höherem analytischen Denken, es verkürzt Aussagen auf Spiegelstriche, sequenziert den Vortrag, lässt Lernende passiv, überfordert durch gleichzeitiges Lesen und Zuhören, usw.
Besonders schwerwiegend ist es, dass sich auch Denkgewohnheiten damit verändern:

Im Laufe des Prozesses gewöhnt sich ein Lehrer jedoch zunehmend daran, das Wissen anhand kurzer, markiger Stichworte zu organisieren, anstatt ganze Sätze zu bilden. Indem man sich als LEhrender an PowerPoint gewöhnt, beginnt man auch schon, in denjenigen Formaten zu denken, die dieses Instrument nahe legt (S. 13)

Doch nicht nur für die Lehrenden hat dies Auswirkungen. Eine weitere Tragik besteht darin, dass PowerPoint Folien von vielen Lernenden zur Prüfungsvorbereitung genutzt werden. Dies bedingt (falls es unbedingt PowerPoint sein soll) eine sorgfältige Aufbereitung der Folien durch die Lehrpersonen, und das Wissen, was PowerPoint jenseits vorgefertigter Layouts und Spiegelstriche noch kann. Dabei ist man meist froh, wenn einige Lehrerende die Basics hinbekommen. Es fehlt hier auch noch an Unterstützung für Lehrende. Ein erster Schritt ist es, diesen Artikel als Reflexionshilfe Lehrenden zu empfehlen.
PowerPoint ist auch nur ein Medium. Von daher geht es in einem ersten Schritt darum, den Zusammenhang zwischen Methodik und Medien zu klären. Erst wenn man sich in dieser Grundfrage der Medienpädagogik klar ist, kann man Medien sinnvoll einsetzen, unabhängig davon, welche dies sind. Und diese Fragen werden, so denk ich, bisher immer noch zu wenig thematisiert.
Denn wie Adams so schön zitiert:

„Die Gefahr der Technologie liegt nicht in dieser oder jener Form ihrer Manifestation, sondern in der Durchdringungskraft udn der Konsistenz ihres Musters“ (Borgmann 1984, 208, zitiert nach Adams, S. 28)

Hier wünsche ich mir manchmal (auch für mich selber) ein wenig mehr Mut – einen Vortrag auch mal ohne PowerPoint zu gestalten.

Comments

Danke für den tollen Eintrag. Ein paar Fragen/Anregungen ergeben sich für mich:

1.) PowerPoint? Warum nicht OpenOffice Präsentation? (eine Frage für Zwischendurch:)
2.) Sollte das Werkzeug „Präsentation“ dafür genutzt werden, Stimmungen, Emotionen und mnemotechnische Verknüpfungen zu erzeugen? (Wird bis jetzt nur zu selten gemacht – würd ich mich aber wünschen)
3.) Was kommt nach „PowerPoint“?

Der Beitrag ist wirklich spannend. Das Dilemma, welches sich aus PowerPoint tagtäglich im Schulalltag ergibt, ist manchmal wirklich skurril. Auf der einen Seite lernen die Schüler in den Präsentationen sich zu strukturieren, auf der anderen Seite wird oft nur die Folie vorgelesen oder aber es erscheinen halbe Romane auf den Folien.
Ich denke, PowerPoint ist eine sinnvolle Stütze, die manchmal aber auch zum Gehstock wird, an den man sich zu sehr gewöhnt. Und hat man sich erst einmal an einen „falschen“ Umgang damit gewöhnt, ist der Weg zurück oft sehr schwer.

Power-Point ist en Vogue, auch in den nächsten Jahren, daran ändert die berechtigte Kritik nichts. Es kommt als Nahziel erstmal darauf an, diese PP-Präsentationen zu optimieren, d.h. Sperriges, Ungewohntes, Ambivalentes miteinzubauen, auch mit gutem Bildmaterial zu verknüpfen (und eben nicht die bescheuerten Sprechblasen, Strichmännchen und Asthma-Deutsch-Sätzen).
Mehrdimensionale Alternativen (z.B. kurze Filmsequenzen)sind schwierig und zeitaufwendig. Manchmal tut’s immer noch die gute alte Kreidetafel oder die Wandzeitung. Oder man erhöht auch bei sich die Ansprüche an einen guten Rhetor, der sachbezogenen die Dinge auf den Punkt bringt und gleichzeitig die Teilnehmer emotional berührt und begeistert.
In der Frage der Denkgewohnheiten, im Sinne von Starrheiten bis hin zu Blockaden, ist Power-Point nur ein Beiboot und keine wirkliche Erklärung (Nebenbei: Es gibt auch gute professionelle Routinen und Denkgewohnheiten). Wer tiefer bohren möchte, wird bei der Frage von Denkgewohnheiten und Unterrichtskultur an Spielarten der Habitus-Theorie von Bourdieu nicht vorbeikommen. Dieses Potenzial ist in der Schule und Hochschule nicht mal im Ansatz ausgeschöpft.

Hallo
Vielen Dank an alle und die wertvollen Hinweise. Es ist richtig, dass man Powerpoint nicht immer gleich verteufel sollte, wie dies an vielen Stellen getan wird. Aber es kommt auf die Auseinandersetzung damit an. Ich habe letzte Woche einen ersten Versuch gestartet und die Folien konstant ohne Gliederungspunkte gemacht und vor allem den Bildern vermehrt Augenmerk geschenkt (Bericht folgt). Mein Fazit: es war eine sehr spannende Erfahrung, hat aber bedeutetnd mehr Zeit in der Vorbereitung gekostet, aber es hat sich gelohnt.

Ich denke, die Aufgabe liegt darin, PowerPoint in Schulen und Hochschulen richtig zu vermitteln. Es geht nicht darum, nur das Programm zu beherrschen, es geht um den didaktischen Einsatz von Präsentationen im Allgemeinen, und dafür ist PowerPoint nur (wie René Scheppler so schön sagt) ein Gehstock. Hier wird es noch viel Arbeit, vor allem auch für die Schulen und die Hochschuldidaktik geben.

Ich denke, ein wirklich gutes Beispiel für gelungene, strukturierte Präsentationen ohne viel Schnickschnack sind die keynotes von Apples Steve Jobs. Wenn man sich genau anschaut, wie dieser knappste Präsentationsseiten geschickt nutzt, kann man viel lernen.
An der Uni habe ich mir mit Studenten im Tutorium mehrfach Ausschnitte angesehen und wir haben festgestellt, wie geschickt Jobs die eigene Rede mit der Präsentation verknüpft. Vor allem sein Spiel, wann er sich die Aufmerksamkeit und wann die Präsentation im Vordergrund steht, ist eine ausgewogene, auf die Aussage angepasste Mischung.
In dem Moment, wo ich die Präsentation zu meiner eigenen Strukturierung aufbaue, werde ich unweigerlich zu deren Passagier während des Vortrags.

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