Interaktion & Game Design

Das Thema «Gaming» ist nicht nur auf der Online Educa ein grosses Thema gewesen (wen es interessiert: Sonja Gisler hat alle Sessions zum Thema besucht 🙂 und wir nach und nach ihre Erkenntnisse hier weitergeben)
Auch im Rahmen der Ringvorlesung «Educational Engeniering» des Instituts für Informatik der Universität Zürich war heute das Thema «Interaktion und Game Design»
Gesprochen haben Prof. Dr. Gerhard Burrmann und Ulrich Götz von der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich.

Es war eine äusserst spannende Veranstaltung, auch wenn manche Aussagen über das Lernen und die Lernwirksamkeit von Spielen aus pädagogischer Hinsicht unbedingt relativiert werden müssen.

Besonders beeindruckend fand ich den philosophischen Abriss über das Spiel in der Menschheitsgeschichte (von Olympia, das aztekische Blumenspiel über die Römer bishin zu Schiller und den 30er Jahren), das hatte ich so nicht erwartet. Aber diesen Bogen zu spannen ist äussert reizvoll, besonders wenn es um die Einordnung von Second Life geht. Aber der Reihe nach:

Als Basis für Design wird nicht, wie man naiv meinen könnte, die Bilder genommen, sondern es wird von der User Experience, also der Prozessqualität ausgegangen.
Das Spiel ist für die Gesellschaft von äusserster Bedeutung, in vielen Domainen wird gespielt (Finanzwelt, Computersimulationen, usw)
Hypothese: Der Lerneffekt von Computerspielen liegt vor allem in der spielerischen Auseindersetzung mit der Technik, der Umgang mit der Technik steht im Vordergrund. Der Spieler lernt vor allem die Orientierung, Navigation, im Computer, ein Faktum, das er für die zweite Generation (Virtuelle Realitäten, Second Life, usw.) benötigt. Es geht vor allem um die spielerische Abarbeitung von Technik.

Burrmann bezeichnet dies als 2. Sozialisation nach der gesellschaftlichen Sozialisation. Festmachen kann man dies vor allem in Online-Rollenspielen, wo der Benutzer mit verschiedenen Rollen und Verhaltensweisen spielen kann und so verschiedene Sozialisationserfahrungen machen kann. Das Computerspiel ist somit eine Vorstufe für den Eintritt in virtuelle Umwelten.

Eine Aussage, die ich im Bereich Game based learning sehr wichtig finde:
Das Spiel ist autotelisch und verfolgt nur seinem Selbstzweck, ansonsten kann man nicht von Spielen sprechen.
«[…] Das Spiel ist absichtslos, und „Absichten“, die im Spiel entstehen, zerstören es.» (vvf)
Dies ist ein zentrales Element von Spielen und steht in einer gewissen Opposition von Lernspielen, die per se von Lernprozessen ausgehen, die mit dem Spiel angeregt werden sollen. Hier besteht eine Kluft zwischen dem Lustgewinn durch Zweckfreiheit und der Vermittlung von Lernzielen. Wie wichtig dies auch in der Praxis ist, konnte ich im Rahmen der Online Educa erfahren, wo wir ein Spiel entwickeln mussten und genau an diesem Dilemma gescheitert sind 🙁 .

Personale Erfahrungspotenziale von Spielen (nach Burrmann):

  • Selbsterfahrung
  • Risiko & Spannung (ein wichtiges Element: bisher hat das Scheitern in einem Spiel keinerlei Auswirkungen auf die Realität – diese Tatsache löst sich aber mit Umgebungen wie Second Life auf, wie noch zu zeigen sein wird)
  • Aufgabenbewältigung
  • Eigentätigkeit
  • unkonventionelles Verhalten
  • Interaktion über und mit allen Sinnen

Ulrich Götz hat dargestellt, wie die verschiedenen Elemente von Spiel, nämlich «ludes» und «paidia» in einem Lernspiel („10 hours left“) verteilt sind und so auf wesentliche Elemente, die ein Computerspiel haben muss, hingewiesen: Druck muss hergestellt werden (z.B. Ablauf eines Zeitultimatums), die Möglichkeit des Scheiterns muss enthalten sein (z.B. Tod), usw.

Kritisch betrachte ich (und Gott sei Dank nicht nur ich 😉 ) die Aussage, dass Lernen auch Distanz bedeutet und so ein Konflikt zwischen dem Lernen und der Imersion (dem Eintauchen in eine Computerwelt) besteht. Game based learning ist nach Aussagen von beiden eine Art Zwitter.
Lernen bedeutet aber vor allem die Verinnerlichung von Wissen, nicht die Distanz. Auch auf meinen Widerspruch hin wurde das Konzept nicht wirklich deutlicher. Ich vermute, dass man vor allem Reflexion meinte, wenn man von einem Schritt zurücktreten spricht. Auch auf die Ausführungen, dass es sich um eine Distanz zwischen dem User und dem Spiel handelt und dass es so zu Distanzen im Lernprozess kommt, kann ich nicht folgen. Gerade das Eintauchen in eine Gamewelt lässt die Distanz zwischen dem Computer und dem Nutzer verschwinden. Wenn überhaupt hat man diese über mangelnde Eingabemöglichkeiten. Was m.E. nach das eigentliche Problem ist, ist der Transfer. Wie stelle ich es sicher, dass das Wissen, das in Games erlernt wird, auch im Alltag angewendet wird? Wie bedeutungsvoll ist das Lernen, das im Game stattfindet in Abhängigkeit zur Phantasie und Zweckfreiheit, die Spiele eigentlich haben?

Doch nun zum zweiten Teil des Vortrages: Second Life
Second Life ist nach den Ausführungen beider kein Spiel im eigentlichen Sinne, sondern eine Virtuelle Welt, die eine Reproduktion der Kultur darstellt.
Nach einem Bericht von Reuters plant IBM die Investition von 10 Mio. $, um die Geschäftsprozesse in Second Life abzuwickeln. Auch die Hochschule für Gestaltung und Kunst hat Mittel aquiriert, um sich in die Welt von Second Life zu begeben und dort zu forschen. Interessant ist meiner Meinung nach, dass in Second Life neben der Aufbau einer parallelen Welt durch die Nutzer auch Wertheorien diskutiert werden:

  • Glaube & Religiosität: Wie ist Glaube und Religion in Second Life abbildbar?
  • ökonomische Fragestellungen: es entsteht ein neuer Wirtschaftsraum mit neuen Regeln (Erweiterung: www.zopa.com)
  • Rasse- und Genderproblematik
  • Rechts- und Regelungsprozesse
  • ästhetische Problemstellungen

Die Auslagerung der eigenen Realität in eine andere Welt = Terraforming (sei es nun der Mond, wie es die Amerikaner vorhaben oder Second Life) birgt die Gefahr, dass zwei unterschiedliche Regelsysteme vorhanden sind, nämlich reale und virtuelle Regeln).

Second Life spricht nach Aussagen von Prof. Burrmann vor allem die ältere Generation an. Weiterhin berichtet er, dass es weltweit ca. 1‘000 Menschen gibt, die hauptamtlich ihre Brötchen in Second Life (und nicht mit Second Life) verdienen. Das hatte ich beides nicht so erwartet. Hier kommt es zu einer starken «Merkantilisierung» des virtuellen Raumes.

Eine Verbindung zwischen Pädagogik und Second Life stellt Burrmann unter dem Begriff «Piaget Digital» vor: Die Begriffe Assimliation und Akkomodation bekommen in virtuellen Umgebungen wie die von Second Life eine ganz neue Dimension und werden zentral für Partizipationsprozesse.

Second Life bzw. jede andere virtuelle Umgebung bewirkt nach Burrmann eines:
«Innovation geschieht im Sinne eines Hegelschen Weltgeistes, unter Partizipation der Beteiligten.»

Comments

Hallo!

Mit grossem Interesse habe ich deinen Blog gelesen. Ich studiere Sozialpädagogik und schreibe eine Hausarbeit über Second Life. Ich bin auf der Suche nach zusätzlichen Informationen über die Ringvorlesung mit Prof. Dr. Gerhard Burrmann. Besonders die Pädagogischen Themen in Bezug auf Second Life interessieren mich sehr. Hast du noch Scripte oder ähnliches? Vielen Dank im Voraus? Alex

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