Lehrer und das Internet, Teil II

Diesmal muss ich den Titel erweitern in „Lehrer und der Einsatz von E-Learning im Unterricht“:

Am Wochenende habe ich es endlich geschafft, den Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (pdf) zu lesen.

Ich hatte mich ja schon in diesem Beitrag gewundert, dass Medien so schlecht an Schulen eingesetzt werden, und zusammen mit vielen anderen nach Ursachen gesucht.
In diesem Bericht habe ich einige der Ursachen gefunden. Aber langsam und der Reihe nach.

Der Bericht legt ein breites Verständnis von E-Learning zugrunde und schliesst auch neue Entwicklungen im Bereich Web 2.0 ein. Dabei wird der Einsatz von E-Learning in Schulen in Deutschland mit den Ländern England, Schweiz und Finnland verglichen, jedoch fehlt mir der Hinweis darauf, warum. Ich könnte raten, dass man davon ausgeht, dass es in diesen Ländern mit dem Einsatz von elektronischen Medien in den Schulen besser bestellt ist, aber ein Hinweis im Paper hätte ich mir dennoch gewünscht.

Aus den Analysen der E-Learning Strategien in den einzelnen Bundesländern konstatieren die Autoren:

„Für die Kultusministerien stellen Neue Medien in erster Linie ein Hilfsmittel dar; die Entwicklung von Medienkompetenz, auch für die Nutzung von eLearning scheint bisher nur für höhere Klassen ein Ziel zu sein. (…) Allerdings geht aus der Analyse der Schulgesetzte und Lehrpläne sowie der Zielsetzungen der meisten Förderinitiativen hervor dass es letztlich den Lehrenden überlassen bleibt, entsprechende Informationen über Lösungen, Werkzeuge oder Maßnahmen zu recherchieren und umzusetzen.“ (S. 7)

D. h. eine Verankerung in den zugrunde liegenden Dokumenten ist so abstrakt, dass Lehrende sich selbst um die Ausgestaltung der Medienkompetenz und des E-Learning Einsatzes kümmern müssen. Dies setzt jedoch erhebliche Fähigkeiten und Kenntnisse voraus. Die Frage ist, wo sie diese beigebracht bekommen. Lernen angehende Lehrende dies im Rahmen ihres Studiums? Ich habe da so meine Zweifel. Wie der Bericht anmerkt:

„Medienkompetenz sollte nicht nur im Rahmen einzelner Schulfächer, wie etwa Informatik gefordert und gefördert werden, sondern sollte sich als Lernziel durch das gesamte Curriculum ziehen. Zwar spielt die Medienkompetenz in der Lehreraus- und -fortbildung eine zunehmende Rolle, allerdings sind Art, Qualität und Umfang des Angebots in den einzelnen Ländern und teilweise auch regional sehr unterschiedlich; hier ist Handlungsbedarf zu konstatieren“ (S. 10)

Interessant war für mich allerdings der Abschnitt Nutzung der Computer an Schulen (S. 30ff). Dort wird im ersten Satz angemerkt:

„Deutschland ist nach der Studie PISA 2003 unter allen Industriestaaten das Land, in dem der Computer am seltensten als regelmässiges Lerninstrument eingesetzt wird“ (S. 30, Hervorhebung M.S.)

Auch hier bestätigt sich wieder das Bild, das im vergangenen Artikel aufgezeigt wurde: E-Learning und Schulunterricht vertragen sich in Deutschland nicht, oder zumindest nur an einigen wenigen Stellen:

„An 51.2% der deutschen Schulen werden IKT-bezogene Kenntnisse im Rahmen eines eigneständigen Informatikunterrichts vermittelt. (…) Allerdings gibt nur ein vergleichsweise gerinter Prozentsatz der deutschen Schullleitungen (69.2%) an, an ihrer Schule Computer im Rahmen der meisten Fächer einzusetzen“ (S. 30) [im europ. Durchschnitt sind dies 75%].

Ein Thema in der letzten Diskussion war der Ort, an dem man E-Learning einsetzt: im Computerraum oder Klassenzimmer. Es wurde bemängelt, dass man sich zuerst in den Computerraum begeben müsse, um Medien einzusetzen und so natürlich auch wertvolle Zeit verliert. Dies bestätigt nun auch der Bericht:

„Insgesamt werden Computer in Deutschland überwiegend in speziellen Computerräumen genutzt (85.8%). Damit liegt Deutschland im internationalen Vergleich im oberen MIttelfeld, jedoch beim Computereinsatz im Klassenzimmer von 66.1% bereits unter dem Durchschnitt der EU-15 (68.2%).“ (S. 31).

D.h. Computer werden nicht oft im Klassenzimmer genutzt, die Tradition des Computerraumes scheint in Deutschland noch sehr stark verankert zu sein.
Doch kommen wir zur Nutzung von E-Learning und Einstellung zum E-Learning durch die Lehrpersonen, und jetzt wird es spannend:

„78% der im Rahmen der Studie der Europäischen Kommission (2006a) befragten deutschen Lehrpersonen gaben an, in den letzen zwölf Monaten vor der Umfrage Computer im Unterricht eingesetzt zu haben, wobei diese Quoten über alle Schulforen hinweg ähnlich waren.“ (S. 31) “.

Super, dachte ich mir. Das ist echt jede Menge. Doch nun kommt es:

„Während diese Werte noch leicht über dem europäischen Durchschnitt liegen, ergibt sich bei Betrachtung der Häufigkeit der tatsächlichen Computernutzung ein ganz anderes Bild: 23.2% der Lehrer, die angaben, in den letzten zwölf Monaten den Computer genutzt zu haben, hatten dies in höchstens 5 Prozent der Unterrichtsstunden getan, nur 5.9 Prozent ntuzen den Computer in mehr als 50 Prozent der Unterrichtsstunden“ [europ. Durchschnitt: 16.5%].

Auch hier wieder das gleiche Bild: der Computer wird nicht zum Lernen im Unterricht eingesetzt, diese Zahlen finde ich persönlich noch erschreckender als im letzten Posting (wobei man hinzufügen muss, dass die Zahlen von 2006 stammen).

Doch wie immer wieder meine Frage: warum ist dies so? Wir hatten schon das Raumproblem angesprochen, und hier in der Diskussion gibt es auch diverse andere Erklärungsversuche. Der Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ging allerdings auch noch die Einstellungen der Lehrpersonen zur IKT nach. Und hier zeigten sich spannende Details:

„Nach der Studie der Europäischen Kommission (2006b) stehen deutsche Lehrpersonen dem Einsatz von IKT im Unterricht im europäischen Vergleich bei weitem am skeptischsten gegenüber. Rund 48 Prozent der Lehrkräfte, die IKT nicht im Unterricht einsetzen (das sind 10.5 Prozent der gesamten Lehrerschaft) stimmen der Aussagen zu, dass der Computereinsatz keine oder unklare Vorteile bringe. Der Anteil der hier zustimmenden Personen ist damit dreimal so hoch wie im europäischen Durchschnitt“. (S. 32, Hervorhebung M.S.) “

Zum einen kann dieser Befund mit dem hohen Dienstalter der Lehrenden erklärt werden. Allerdings hätten Österreich und Italien im Durchschnitt ähnlich ältere Lehrer, aber weniger skeptische Lehrer. Dies verwunderte mich, denn ich hatte noch den Bericht des mpfs „Lehrer/-innen und Medien 2003“ im Hinterkopf. Nochmals nachgelesen, steht da:

Insgesamt ist der Wunsch, den Computer häufiger als bisher in den Unterricht zu integrieren, bei der Mehrzahl der Pädagogen ausgeprägt (63 %) – bei Lehrerinnen (64 %) sogar noch etwas stärker als bei Lehrern (62 %)

Das heisst, hier hat offensichtlich ein Umdenken stattgefunden, doch eigentlich in die „falsche“ Richtung.
Als weitere Gründe des Nichteinsatzes von Computern im Unterricht werden im aktuellen Bericht der Kommission folgende genannt:

barrieren.jpg

Vor allem in den Kategorien mangelnde IKT-Kenntnisse der Lehrenden, kein oder unklarer Nutzen des Computereinsatzes und ein Mangel an Interesse auf Seiten der Lehrenden  sind die Abweichungen vom europäischen Durchschnitt besonders erschreckend.

Hier muss in Deutschland noch einiges geschehen, scheint mir.

Comments

Ich hatte vor Kurzem auch über diesen Bericht geschrieben (http://www.blog.initiatived21.de/?p=286) und mir teilweise die selben Fragen gestellt.
Allerdings ist das mit dem Vergleichen so eine Sache. In Deutschland schauen wir seit PISA bei jeder Kleinigkeit in Sachen Bildung gen Finnland. Die Schweiz ist bei Insidern das Vergleichsland schlechthin, auf welches wir (auch in anderen Dinden) zunehmend „neidisch“ werden. England ist aufgrund der „etwas anderen“ Bildungskultur (z.B. Privatschulsystem) ein beliebtes Vergleichsland.
Insgesamt halte ich den Bericht für eine gute „Bestandsaufnahme“, über die ich mich doch insofern gefreut habe, dass das Thema e-Learning langsam „offiziell“ wird. Aber mal schauen, ob es sich an deutschen Schulen etablieren kann, bevor wir das Web 4.0 schreiben ;-).
Grüße aus Frankfurt…

Von allen Industriestaaten wird bei uns der Computer am seltensten zum Lernen eingesetzt?? Selbst wenn das mit dem Vergleichen so eine Sache ist, wie Scheppler schreibt, finde ich dieses Ergebnis schon ziemlich eindeutig. Warum ist bei uns die Ablehnung gegen den PC eigentlich so groß? In erinnere nur an Glos: „Ich habe Gott sei Dank Leute, die für mich das Internet bedienen.“ http://blog.handelsblatt.de/indiskretion/eintrag.php?id=1167

Die geringe Computernutzung ist also leider nicht nur auf das Lernverhalten beschränkt. Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verpassen. Oder haben wir ihn schon verpasst?

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