Studie | Bildung via Internet: Wie vernetzt sind Deutschlands Kinder?

Gerade finde ich den Hinweis auf die Studie «Bildung via Internet: Wie vernetzt sind Deutschlands Kinder?». Schon im Vorwort stutze ich, wenn Frau Schädler, Chief Marketing Officer Fujitsu Siemens Computers, über die Verbesserung der Schulnoten durch den Computerbesitz referiert. „Mhhm, Auftragsforschung?“ schiesst es mir durch den Kopf, bevor ich über die Grundlagen der Studie schaue: Stichprobe: „Repräsentativ mit 4.935 Interviews; davon 1.081 in Haushalten mit Kindern zwischen fünf und 15 Jahren, usw.“ hört sich eigentlich ganz gut an. Doch dann komme ich zur besagten Grafik:

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Alles gut, scheint man zu denken, doch ich habe da so meine Zweifel, ob es wirklich am Computerbesitz liegt. Denn vermutlich hat so etwas wie der sozio-ökonomische Status hier eine grosse Rolle gespielt, d.h. es ist nicht ursächlich der Computer für die guten Schulleistungen verantwortlich, sondern wohl so etwas wie der Bildungsstatus und das Einkommen der Eltern. Eine Seite weiter wird es dann klarer

Ob das Kind einen eigenen PC besitzt, hängt auch vom Haushaltsnettoeinkommen der Befragten ab. Während in der Gruppe mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.500 Euro die Computernutzung der Kinder nur bei 30,1 Prozent liegt, nutzen in der Gruppe mit 3.500 Euro und mehr ca. 40 Prozent der Kinder einen eigenen PC. Auch in den Gruppen mittleren Einkommens zeigt sich: Je höher das Haushaltsnettoeinkommen, desto eher hat das Kind die Möglichkeit, auf einen eigenen Computer zugreifen zu können.

Auch weiter unten scheint die Studie mit einigen Vorurteilen aufzuräumen:

Es zeigt sich, dass Kinder gerade bei ausgewogener Computernutzung sehr vom Umgang mit dem Medium profitieren. Äußerst erfreulich ist auch die Erkenntnis, dass die Angst vor einem Mangel an frischer Luft bei verantwortungsvollem Umgang mit dem Computer nicht begründet ist. Sowohl bei der Nutzung von Offline-Lernsoftware als auch beim Online-Pendant zeigt sich ein erhöhtes Interesse des Kindes an aktivem Sport. Dies bedeutet in der Regel Bewegung an der frischen Luft. Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich jedoch ebenso ablesen, dass Kinder, die den Computer hauptsächlich zum Spielen benutzen, eher wenig begeisterte Sportler sind.

Mhhm, nach diesen ganzen Ergebnissen muss ich sagen:  ich bleibe etwas ratlos zurück. Auf der einen Seite finde ich die Ergebnisse spannend und wichtig, auf der anderen Seite bin ich mir aber nicht sicher, wie es mit der „Unabhängigkeit“ dieser Studie aussieht, wenn überall dick Fujitsu Siemens draufsteht. Mir geht es aber wohl nicht allein so:

Die von IT-Unternehmen in Auftrag gegebene Studie kommt wahrscheinlich nur allzu gerne zu dem Schluss, dass die Computernutzung die schulischen Leistungen positiv beeinflusst. Dazu werden unter anderem Zahlen herangezogen, die Schulnoten mit der Nutzung von Lernsoftware in Beziehung setzen. Schüler, die mit Hilfe von Computerprogrammen lernen, schneiden in der Schule oft gut ab. Aber was sagt das schon aus? Man kann annehmen, dass nur wenige Kinder von allein auf die Idee kommen, mitunter sehr teure Lernprogramme auf dem Computer zu installieren. Vielmehr sind es wohl die Eltern, die ihren Nachwuchs dazu anhalten, mit dem Computer zu lernen. Bereits in der Vergangenheit haben Studien gezeigt, dass Schüler, deren Eltern sich für die Bildung ihrer Kinder stark interessieren, auch zu besseren Schulleistungen neigen. (Falk Lueke)

Selbst der Projektleiter der Studie wird zitiert mit den Worten

Doch ob die Daten erlauben, von der Präsenz des Computers auf gute Zensuren zu schließen, bezweifelt auch er: „Da müsste man tatsächlich noch mal nachanalysieren.“

Tja, und nun?

Comments

Ich frage mich oft, wie es sein kann, dass man so tut, als wäre es egal, ob man z.B. sozio-ökonomische Grunddaten mit dem Wahlverhalten bei Bundestagswahlen korreliert oder Gewohnheiten und Verhaltensweisen mit Schulnoten. Zum einen sind Schulnoten ein umstrittenes Maß für Bildung, die man ja eigentlich ermitteln will, und zum anderen sind Bildungsprozesse – wer wüsste das nicht – das Ergebnise einer Interaktion so zahlreicher individueller, sozialer, institutioneller und gesellschaftlicher Faktoren, dass es ein Unding ist, die Computernutzung für mehr oder weniger, für besseres oder schlechteres Lernen verantwortlich zu machen. Wie du richtig sagst, kommen dazu noch massenweise Moderatorvariablen – allem voran die günstigen oder aber weniger günstigen häuslichen Verhältnisse, in denen ein Kind/Jugendlicher erwachsen wird. Aber die Öffentlichkeit will einfache und plakative Antworten auf komplexe Fragen und da unsere Gesellschaft ja inzwischen vor allem der Markt regiert, herrschen wohl auch hier die Marktgesetze: Wo es eine Nachfrage nach einfachen Antworten gibt, gibt es auch ein entsprechendes Angebot …

Gabi

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