thinking …

Aus meinem Adventskalender:

Am Rande der Wüste lebte ein Einsiedler. Eines Tages besuchte ihn ein Mann und klagte sein Leid: «Ich lese so viele fromme Texte. Ich studiere die Bibel und vertief mich in die grossen Theologen. Ich möchte die Worte und Gedanken bewahren, aber es gelingt mir nicht, alles vergesse ich! Und die ganze mühevolle Arbeit des lesens und Studierens ist umsonst.» Der Einsiedler hörte ihm gut zu. Als er geendet hatte, zeigte er auf einen Binsenkorb. «Hol mir aus dem Brunnen dort drüben Wasser.»
Widerwillig nahm der Mann den vom Staub verschmutzen Korb. Das Wasser lief durch die Binsen, so dass ncihts übrig war, als er zurückkam. «Geh nochmal» sagte der Eremit. Der junge Mann tat es. Ein drittes und ein viertes Mal musste er gehen. Immer wieder füllte er Wasser in den Korb, immer wieder rann es zu Boden. Nach dem fünften Mal sagte er: «Das hat keinen Sinn! Niemals kann so ein löchriger Korb das Wasser halten.»
«Sieh den Korb an», erwiderte der Einsiedler. «Er ist sauber. So geht es dir mit den Worten, die du liest. Du kannst sie nicht festhalten, sie gehen durch dich hindurch, und du hältst die Mühe für vergeblich. Aber – ohne dass du es merkst, klären sie deine Gedanken udn machen dein Herz rein.» (Legende)

Fast das gleiche kann man von wissenschaftlichen Texten sagen. Auch ich frage mich oft, was von dem vielen hängenbleibt, was man so den ganzen Tag liest. Aber vielleicht ist das gar nicht das primäre Ziel? Stellen Texte nicht einfach Denkhilfen dar, helfen, den Blick zu schärfen, Argumentationen kritisch zu beurteilen, nachzudenken, den Geist zu schulen?

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