Weblogs in der Lehre

Ich bin in einer Publikation von Stefanie Panke auf folgenden Abschnitt gestossen, der mir zu denken gibt (und meine Argumentation vom E-Learning Roundtable sützt):

Es besteht die Gefahr, dass Weblogs bei der Transplantation in formale Bildungskontexte den Reiz verlieren, der sie im informellen Raum so populär macht. Sobald die selbstgesteuerten Aktivitäten in die Lehre integriert werden und sich um für die Studierenden eher uninteressante Themen drehen, verliert die Kommunikation automatisch an Authentizität und Engagement. Quelle: Panke, S. & Oestermeier, U. (2006). Weblogs in der Lehre – Drei Fallbeispiele. Tübingen: e-teaching.org., S.3

Ich bin hier ein wenig zwiegespalten. Zum einen denke ich, dass es interessante Möglichkeiten des Einsatzes von Blogs in der Lehre gibt. Auf der anderen Seite leuchtet mir das Argument der schlechten Transformierbarkeit in formale Bildungsprozesse auch ein. Vielleicht müssen Universitäten hier Umdenken, und eine gewisse Vielfalt an Tools und eine Selbstbestimmtheit der Lernenden bei der Nutzung in Kauf nehmen? Eine Ermunterung und Beratung hinsichtlich Tools zur Förderung des Lernens kann ja durch Universitäten geschehen. Aber Studierende können selbst entscheiden, obn sie diese einsetzen, ob sie einen Wert für sich darin sehen. Dies bedeutet meiner Meinung nach nicht, dass es ab nun keine Weblogs in der Lehre mehr gibt, sondern dass sie sinnvoll eingesetzt werden, so dass auch die Studierenden den Einsatz nachvollziehen können. Man kennt leere Diskussionsforen, oder solche, die nur aus den postings bestehen, die man abgeben muss, um ECTS Punkte zu erhalten. Ich denke, hier liegt das gleiche Problem vor: Der Sinn des Einsatzes eines Forums ist für Studierende nicht erkennbar. Ist ein Forum allerdings eine wertvolle Bereicherung für das Seminar, kommt es auch zu lebhaften Diskussionen (wie mir der Einblick in so manche Diskussionsforen an der UZH zeigt).

Es geht also nicht so sehr darum, ob wir Weblogs auch in formellen Bildungsprozessen einsetzen, sondern wie sinnvoll und nachvollziehbar ein solcher Einsatz für Studierende ist. Und das muss in einer genauen Analyse herausgefunden werden.


Dennoch gibt es viele Ideen, Weblogs in der Lehre zu integrieren. Ingrid Francisca Reichmayr und Margarete Reichmayr stellten diverse Einsatzmöglichkeiten von Weblogs im Unterricht vor:

– die Verwendung als Notizbuch und Surftagebuch (Surfergebnisse werden schnell zwischendurch oder auch für länger ins Blog gestellt)
– das Sammeln von Ideen und interessanten Links
– das Nutzen als Diskussionsforum zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen
– das Dokumentieren von schulischen und unterrichtlichen Aktivitäten wie Schullandwochen, Ausflügen, Projekten durch Text und Fotos.
– Die Präsentation von Projektarbeiten
– Das Erstellen von Portfolios. Weblogs können Lernentwicklungen und –fortschritte
über ein Unterrichtsjahr oder länger zeigen.
– Zum „Abholen“ von Arbeitsaufträgen und als Startportal: Die Lehrperson stellt Arbeitsaufträge, z.B. für „Webquests“ auf das Klassenblog, die Ergebnisse können ebenfalls im Blog zusammengefasst werden. Das Blog kann so zur Plattform der Arbeitsergebnisse einer ganzen Klasse werden.
– Im Fremdsprachen-Unterricht. Blogs können in der Zielsprache geschrieben werden, oder überhaupt in einer fremdsprachigen Community eröffnet werden, wo gezielt der fremdsprachliche Kontakt gesucht wird. Podcasts können gleich in der Zielsprache erstellt werden.
РIm Kunstunterricht bzw. in Verbindung mit Informatik k̦nnen grafische und visuelle Blogdesigns entwickelt und ausprobiert werden, beispielsweise mit Hilfe von CSS.
– Im Deutschunterricht: Durch Schreiben von Geschichten, Gedichten, Berichten und Reportagen wird die sprachliche Ausdrucksfähigkeit entwickelt. Parallel läuft eine therapeutische Funktion, weil Erfahrungen, Erlebtes und Gefühle reflektiert werden.
Durch die Kommentar- und Feedbackfunktion, d.h. durch Reaktionen von anderen auf den Text kommt es zur Auseinandersetzung über Inhalt und Form. Gut eignen sich Blogs für Fotogeschichten oder als Videocasts für das Erstellen von Filmen. Freunde, Bekannte, Eltern oder Großeltern können diese Texte online lesen und kommentieren, wenn sie dazu eingeladen werden. Die Schreibhaltung ändert sich, wenn man weiß: diesen Text liest nicht nur der Lehrer, sondern auch Mitschülerinnen und vielleicht noch eine Reihe anderer Leute. Wo es um das Kennen lernen journalistischer Genres geht, können Lehrer (oder dazu bestimmte Schüler) die Rolle von Chefredakteuren übernehmen, Entwürfe diskutieren und dann erst veröffentlichen. Blogs können so zu sehr aktuellen Klassen- oder Schulzeitungen werden.
Der Deutsch- und Philosophielehrer Norbert Tholen nennt als Möglichkeiten der Nutzung unter anderem: „zeitunabhängiges Lernen fördern“ und stellt die Hausaufgaben ins Netz.

Aber auch Probleme sollen hier erwähnt werden, die sich erst mit zunehmender Blogpraxis herausstellen. Im Lehrerfreund6 ist zu lesen: „Nach anfänglicher Begeisterung für das Bloggen sackt die Motivation der SchülerInnen gerne ab, wenn kein konsequentes didaktisches Konzept vorliegt, und das Blog verwandelt sich in einen Friedhof)“ …“Es wird eifrig gebloggt und kommentiert – Lerneffekt tritt aber kaum einer
ein. Vor lauter Blogginghype bemerkt man es gar nicht“. Verwiesen sei auch auf Steven Krauses Beitrag “When Blogging Goes Bad: A Cautionary Tale About Blogs, Email Lists, Discussion and Interaction”. Quelle

Comments

hi mandy,

ich würde es ganz nüchtern betrachten … wenn man sich darauf verlässt, dass durch den einsatz von Weblogs ein altes didaktisches konzept funktioniert wird man das gleiche ergebnis erhalten, wie mit den neuen medien zu beginn …

aber du hast ja selbst gleich noch dagegen gehalten welche neue dinge möglich sind ..

also mein fazit: selbstverständlich nicht für alles geeignet, aber bei entsprechendem konzept sehr wohl einsetzbar ..

liebe grüße aus graz
martin

Hoch interessante Diskussion. Panke & Oestermeier haben m. E. nur bedingt recht, denn es kommt bei der formalen Gestaltung darauf an, ob der Einsatz im Sinne ihrer Motivation ist und ihren Lösungsprozess unterstützt – eine Erkenntnis die viele Jahre gereift ist, was die arrogante Behauptung entschuldigt, den Irrtum aber einschließt. Dazu gibt es eine schöne Metapher von Wenger & Snyder, die sich auf Online-Communities bezieht. Sie haben Communities auch als Gärten beschrieben, deren Pflanzen man nicht dadurch zum Wachsen bringen kann, dass man an ihnen zieht. So wie der Gärtner nur Erfolg haben kann, wenn er die Natur versteht und respektiert, so kann jede Gestaltung von Online-Communities auch nur dann funktionieren, wenn sie die „Natur“ unterstützt.

Die Metapher gefällt mir (wo ich doch so gern in Bildern denke 🙂 ): Das heisst, man sollte einfach das Wachsen der Studierenden akzeptieren und versuchen, hier und dort die Erde der verkrusteten Denkinhalte wegräumen, den Kopf von Unkraut befreien, immer schön giessen, ab und zu düngen und ihnen so optimale Bedingungen für die innere Reifung geben

Ich bin mir nicht so sicher, ob es nur das Ziehen an Pflanzen meint. Sicherlich kann man Lernen (und den Einsatz von Weblogs oder jeglichem anderen Tool nicht erzwingen).

Die Frage, die sich mir immer stellt, betrifft eher das Verhältnis von formeller Hochschullehre und informellem Lernen neben dem Studium (mit oder ohne Tools). Wie kann man Studierenden einen möglichst ganzheitlichen Lernprozess ermöglichen?

Wenn man Weblogs hochformalisiert einsetzen möchte, hat man tolle Möglichkeiten (siehe oben), man wird aber meines Erachtens Weblogs nicht unbedingt in ihrer Ausrichtung auf einen LernPROZESS gerecht (denn auch die oft propagierte (Selbst)Reflexion setzt nicht automatisch durch das Schreiben eines Weblogs ein). Wenn man sie aber völlig frei neben dem Seminar einsetzt, nach dem Motto, »führ ein Weblog, wenn es dir etwas bringt oder nicht», ist es weniger an die Hochschule gebunden und somit auch freier in der Ausrichtung und somit wieder einen grossen Schritt weg von der Lehre (aber vielleicht näher beim Lernen?) Sollte man Weblogs also nur noch als Add-On anbieten?

Wie kann man also die Vorteile von informellem und formellem Lernen unterstützten, kann diese Unterstützung durch einen formellen Bildungsträger wie Universitäten geschehen, oder muss jeder Studierende selbst herausfinden, was «ihm gut tut»? Und wie können dies Studierende herausfinden?

… so sprach eine ausgewiesene Gärtnerin 🙂 Es ist schon genauso wie Du sagst. Es muss entweder für die Lernenden Sinn machen, weil es ihnen hilft Dinge einfacher oder besser zu machen, oder es wird eingesetzt, weil es für die Lehrerinnen Sinn mache (Didaktisch oder aus Gründen der Arbeitserleichterung :). Die Beispiele von den Reichmayers finde ich sehr gewollt. Der Mehrwert wird mir nicht immer ersichtlich. Was aber nicht heißen soll, dass es z. B. im Sinne eines Medienwechsels (Aufmerksamkeit, Motivation) oder von Medienkompetenz Sinn macht. In diese Richtung deuten ja auch die Erfahrungen am Ende des Auszugs.
Die andere Frage die sich stellt, und der eigentliche Grund warum ich mich zu einem unüberlegten Kommentar habe hinreißen lassen, ist ja die Frage der „Formalisierung“ informellen Lernens. Das ist eine andere Situation, weil sie davon ausgeht, dass die Nutzer Blogs nicht intendiert zu Lernzwecken privat oder im beruflichen Kontext nutzen und diese informelle Nutzung nun zu Lernzwecken verändert werden soll. D.h. der Nutzung werden (fremde) (Lern)Ziele übergestülpt. Dass kann in manchen Kontexten Sinn machen (z. B. Waldlehrpfade) in anderen aber auch dazu führen, dass das Interesse an der Nutzung z.B. eines Tools verloren geht. So. z. B. wenn Zeiten für das informelle Gespräch am Chuchichäschtli und zu diskutierende Themen vorgegeben werden. Da schmeckt dann auch der Kaffee unter Umständen nicht mehr. In diesen Fällen – und so ist auch die Metapher von Snyder und Wenger zu verstehen – kann man ein Lernen nur unterstützen, wenn es die eigentliche Motivation der Akteure nicht zuwider läuft. In vielen Fällen kann das nur über die Rahmenbedingungen passieren, d. h. z. B. eine gute Espressomaschine hinstellen, damit sich die Mitarbeiter länger unterhalten und die Wahrscheinlichkeit für ein Erfahrungsaustausch (als Lernziel) größer wird oder so komische Sachen wie die hier machen (http://www.it-agile.de/retrospektivenbecher.html).
Was heißt das nun für Blogs in formalen Lernkontexten. Ich würde die Schüler versuchen zu motivieren selbst einen Sinn für den Einsatz von Blogs zu finden und weniger mit konkreten Einsatzszenarien in den Unterricht gehen. Dabei kann dann auch die private Nutzung im Vordergrund stehen. Der Lehrer bietet in dem Kontext vor allem Unterstützung bei der Handhabung. Oder bei Schülern, die bereits einen Blog nutzen zu schauen, wie man diese Blogs in den Kontext des Unterrichts integrieren kann – z. B. einen Blog eines Schülers über Fußball als Grundlage für eine inhaltliche Auseinandersetzung zu nutzen. Aber im Schulkontext kenne ich mich auch nicht so gut aus, da lassen sich sicherlich noch viel bessere Beispiele finde …

… zum Beispiel den Blog über Fussball als Anreiz zu nehmen, sich mit Textgestaltung auseinanderzusetzen, …

Hallo Ben
unüberlegt war der Kommentar auf keinen Fall, und wenn die Beiträge im Weblog zu Kommentaren hinreissen, finde ich das immer gut 😉 Dein Vorschlag, Studierende oder Schüler a) sinnvolle Einsatzmöglichkeiten selbst suchen zu lassen oder b) informelle Blogs ins formelle Lernen einzubetten, klingt für mich sehr plausibel. Es unterstützt auch die These, den Studierenden mehr Freiheiten für ihren eigenen Lernprozess einzuräumen, obwohl dies gerade für Dozierende ein grosser Schritt ist, wie ich immer wieder leidvoll erfahre.
Wenn Studierende selbst einen sinnvollen Einsatz gefunden haben, steigt natürlich die Wahrscheinlichkeit des nachhaltigen Einsatzes. Sozusagen der erste Schritt in Richtung «Personal Learning Environmen».
Dennoch müssen meines Erachtens nach Studierende erst einmal wissen, was ein Weblog ist und wie man es einsetzen kann (und da herrscht zumindest nach meinen Erfahrungen noch Nachholbedarf). Doch dies trifft prinzipiell auf jede (neue) Technologie zu.

PS: Ich glaube, ich brauch einen neuen Kaffeebecher, obwohl dieser doch arg techniklastig ist 😉

Hallo, Frau Schiefner,
da Sie mich schon zitiert haben:
Ich selber habe für drei Funktionen Weblogs getrennt genutzt:
– für die „tägliche“ Kommunikation,
– für die Darstellung von „Ergebnissen“,
– für die Bereitstellung von Arbeitsmitteln und -methoden.
Damit bin ich ganz gut gefahren (am Gymnasium); ich habe die Schüler allerdings zu wenig (oder nicht) aktiviert, ihre Ergebnisse ins Netz zu stellen – die haben wir (etwa ab Kl. 8) gedruckt und dann in der Klasse besprochen.
Gruß, Norbert Tholen

Comments are closed.