Workshop «Education The Net Generation: What is different?»

Gestern fand der Workshop «Education the Net Generation: What is different? How to (re-)design Teaching an d Learning in Higher Education?» mit Diana G. Oblinger am SCIL (Swiss Centre for Innovations in Learning) statt. Bekannt geworden ist Diana G. Oblinger zum einen als Vice President von Educause und ihrem Buch «Educating the Net Generation» .
Schon an dieser Stelle hatte ich einige Gedanken von ihr vorgestellt und war dementsprechend gespannt auf den Workshop.

Der Workshop war in vier Teile untergliedert: «1. The Net Generation», «2. Listening to what we are seeing: Education for our Times:», «3. Expertise and Engagement», «4. Innovations and Implementations»

Kommentierte Zusammenfassung

1. The Net Generation

Diana präsentierte einige Angaben, die man schon aus ihrem Buch kannte, z.B. die Charakterisierung der Net-Generation. Die Net Generation ist vor allem digital, connected, experiental, immediate and social, wobei das digital nicht mit Medienkompetenz gleichgesetzt werden darf. Gerade hier ergeben sich erhebliche Defizite bzw. naive Annahmen auf Seiten der Lernenden. Digital bedeutet, dass vor allem Jugendliche keine Angst mehr vor bzw. mit den Geräten haben, sondern ganz natürlich diese Anwenden (kein Lesen von Gebrauchsanweisungen, keine Angst, etwas kaputt zu machen, …).
Die Net-Generation zeichnet sich durch unterschiedliche Gewohnheiten aus:

– Search online first: google, wikipedia, etc.
– Communication: the internet is the primary communication tool (MSN, IM)
– Social networks: Facebook to meet friends, messaging, blogging, photo
– Online socialisation:
– Multitasking: rapid attention movement
– Time shifting: z.B. zapping am Fernsehen
– Visual: Flickr, You tube
– Geo-Tagging: link physical and virtual worlds
– Augmented
– Games are a way of life

Interessant ist für mich die Fragen, die sie am Ende dieser Session stellte. Zum einen: Is it age or IT? Zur Reflexion stellte sie folgende Fragen:

– How do you write most documents, long-hand or at a keyboard?
– Are you constantly connected? Laptop? PDA? Cell phone?
– How many windows are typically open on your computer?
– Are you a multitasker?
– Do you play video or computer games?
– Do you download music?
– Does your cell phone have a camera?
– Do you prefer immediate responses or are you content to waite?

Man sieht sehr deutlich, dass die Net-Generation nur zu einem kleinen Teil über ihr Alter definiert werden kann, dass es vor allem die Software ist, die alltägliche Prozesse verändert. Doch die Frage ist, wie weit diese Prozesse in der Gesellschaft verankert sind oder nur von einer eher kleinen Minderheit genutzt werden.
Die andere Frage ist: How similar do we need to be? Was haben diese Differenzen zwischen den Generationen für Auswirkungen auf Lernprozesse?Wie stark müssen sich Hochschulen an diese Gewohnheiten der Studierenden anpassen? Müssen sie überhaupt? Hier habe ich noch keine Antwort-

2. Listening to what we are seeing

In dieser Session ging es vor allem um eine schon stattfindende Veränderung in der Kultur, die Oblinger an drei Gewohnheiten anschaulich darstellt. Was ist das jetztige «Verhalten» der Gesellschaft und was sind die Implikationen für Lernen und die Hochschulen? Folgende 3 Prozesse stellte sie vor: «Do it yourself», «Participate», « Socialize»

1. Do it yourself
a. Web as information universe
b. Self-reliant: Viele Dinge erledigt man mittlerweile selbst (online banking, onlinge shoppin, usw). Bei Problemen schaut man schnell selbst im Internet nach (go online for health, news, travel, …). So entwickelt sich die Gesellschaft langsam zu einer culture of informal learner.
c. Finding information: Suchmaschinen sind die No. 1 bei der Suche nach Informationen. Eine erschreckende Zahl: «53% believ information from seachr engines is as trustworth as library information» (DeRosa et al., 2006). Das heisst, obwohl viele Leute digital sind, verstehen sie das Prinzip von Suchmaschinen nicht.
d. Perfect playlist: mittels Podcasts kann man sich sein eigenes Radio zusammenstellen, auch hier: do-it-yourself
e. Media creators: viele Jugendliche erstellen Medien selbst (Websites, Blogs, Podcasts, Videos, …)
f. Personel life remote control: mobile phones als digital repository

2. Participate
a. Blogs: read or write
b. Opinions: Zu allem ist eine Meinung gefragt, sei es bei DSDS oder MeinProf.de, die Bevölkerung möchte mitbestimmen
c. Electronic newsgathering: die ersten Informationen vom Tsunami oder anderen Katastrophen sind mittlerweile private Aufnahmen, Bürgerjournalismus nimmt immer mehr zu (vgl. mobile Reporter der Bildzeitung oder von 20minuten)
d. More ways to participate: Rating von Produkten (amazon, usw.), delicious, usw.

3. Socialize
a. Communication is No. 1 use of technolgoy for kids
b. Social networks (MySpace, Facebook, Flickr)
c. Social connections (Xing, …)
d. Share location (z.B. plazes.com)
e. Second Life

→ Oblinger zeichnet hier einen Cultural Shift vor. Zentrale Prozesse sind «Do-it-yourself», «particiapatory», «social processes»: Allerdings gibt es hier zu bedenken, dass es meines Erachtens nach immer noch einen sehr grossen Teil der Bevölkerung gibt, für die die oben genannte Liste (vor allem die der Technologien) eine Ansammlung von unbekannten Fremdwörtern ist. Hier schon von einem Kulturwandel zu sprechen, halte ich ein klein wenig gewagt. Aber es ist sicherlich eine Tendenz in die Richtung, vor allem bei jungen und technikaffinen Leuten feststellbar. Die Frage ist nur: wie weit müssen Hochschulen und Ausbildungsstätten darauf reagieren?

Dabei sind sich laut Oblinger vor allem die Jugendlichen gar nicht bewusst, dass sie Technologien bzw. Tools nutzen. Für sie sind alle oben genannten Dinge «Handlungen» Sie nutzen nicht das Internet, sondern sie kommunizieren, tauschen Photos, usw.

3. Education for our Times: Expertise and Engagement

Doch was soll man nun für die Zukunft lernen? Wie kann man Studierende auf eine sich immer weiter vernetzende Welt vorbereiten?
Hier kommen vor allem überfachliche Kompetenzen ins Spiel, zum einen abgeleitet aus Arbeitsplatzanforderungen, zum anderen abgeleitet aus nationalen Bildungskommissionen.
Wichtig wird vor allem Expertendenken, das Identifizieren und Lösen von Problemen in Theorie und Praxis. «New emphasis for higher education are cognitive flexibility, creativity, knowledge transfer and adaptability».

Folgende Fähigkeiten, über die Studierende verfügen sollen, listet Oblinger auf:

– Interpersonal skills (can communicate and work with others)
– Creativity (is able to see patterns, new alternatives and viable solutions to problems)
– Stategic perspective: seeing the „big picture“ understanding the forces involved, sensing change and identifying opportunities
– Result oriented (develop and implements plans, focuses on achieving positive, contrete results, makes effektive decions)
– Information fluency (define, access, manage, integrate, evaluate, create, communicate)
– Reflection and self-evaluation (z.B. mit E-Portfolios)

4. Innovations and Implementations

Dieser letzte Teil des Workshops stand ganz im Zeichen der Praxis: Diana Oblinger zeigt verschiedene Applikationen, die die Net-Generation in ihrem Lernprozess unterstützen können.
Zum einen durch Beispiele aus dem Internet, zum anderen aber durch eine ganz andere Invervention, nämlich der Schaffung von Lern-Räumen.
Dabei stellte sie eine Bandbreite von Optionen vor, das Lernen zu unterstützen:

– visual: less reading, more visuals
– mixed delivery: mix online, face-to-face
– engagement: involvement similar to problem-solving
– real: capitalize on real world problems; information can be applied in real situations
– social: interaction with others

Es stellt sich für mich die Frage, ob man diese Prozesse in formellen Settings wirklich umsetzen kann, ähnlich wie mit dem Einsatz von Blogs, die Studierende wohl informell sehr nutzen, im formellen Setting aber ignoriert werden. Kann man Prozesse, die im Alltag eingesetzt werden, auch in formellen Lernsettings erzeugen?

Oblinger schlägt vor, Technologie in der Pädagogik einzusetzen, um folgende drei Prozesse zu unterstützen:
1. Using technology to convenience learning: Hier berichtet sie von einem interessanten Projekt. The National Science Digital Library (NSDL) hat ein Learning Object Repository aufgebaut. Damit Studierende auch an die gut rechercheirten und wertvollen Wissensressourcen kommen, haben sie für dieses Repository eine google Toolbar entwickelt, die man anbinden kann. So sucht man nicht nur bei google, sondern kann auch im Repository suchen. Wenn googeln der «normale» Weg der Informationssuche ist, kann man hier versuchen, glaubwürdige Informationen suchbar zu machen. Oblinger bezeichent dies als «getting in the path of students». Ebenso zählt zum Convenience auch der Aufbau von digitalen Archiven und Aggregation: The National Science Digital Library (NSDL) hat Learning Objects in einen Blog (Expert Voices) integriert, der von Experten geschrieben werden und festgestellt, dass diese Kontextualisierung für die Nutzung der Objects extrem wichtig ist.
Auch der Einsatz von Second Life fällt für Oblinger unter den Aspekt des convenience learning, denn man erreiche in SL Menschen, die eh dort «abhängen», auch zu anderen Zeiten. Dies wäre einfach der Ort, an dem Studierende jetzt sind.
Für mich ist dies allerdings kein Argument, Second Life zu nutzen, wie ich hier schon einmal dargelegt habe. Auch Oblinger konnte mir die Frage nach dem Mehrwert ausser mit dem Hinweis auf die Verfügbarkeit von Studierenden nicht beantworten.
2. Using technology to practice: Mit Simulationen, Kognitiven Werkzeugen und virtuellen Experimenten kann man üben und so seine Fähigkeiten verbessern. Dabei steht nicht nur das Fachwissen im Vordergrund, sondern auch z.B. Medienkompetenz.
3. Using technology for authentic learning: z.B. der Einatz von iLab, Virtuelle Betrachtungen von Astronomiebildern, usw.
4. Using technology to participate: Hierunter fallen das Anlegen eines Seminarwikis, in dem z.B. Definitionen gesammelt werden oder ein Tools, in dem Studierende ihre Fragen hinterlassen können. Aber auch Rollenspiele wie Peacemaker (bei dem Studierende die Rollen unterschiedlicher Konfliktpartner übernehmen und so ein Perspektivenwechsel ermöglicht wird) , Rollenspiele, usw.

Resümee:

Was nehme ich mit, neben dem ausführlichen Material? Es ist äusserst spannend, die aktuellen Phänomene in der Gesellschaft zu analysieren und in Verbindung mit Lehr-Lernprozessen zu betrachten. Vor allem einige Verhaltensweisen der Jugendlichen werden auch Auswirkungen auf die (Hochschul)bildung haben, z.B. «Search online first: google, wikipedia, etc» wird ein Problem sein, mit dem vor allem Universitäten betroffen sind. Eine Fähigkeit, die es immer noch zu vermitteln gilt, ist Medienkompetenz. Und damit meine ich nicht nur die Mediennutzung, sondern vor allem die Medienanalyse und Medienkritik. Diese Fähigkeiten werden in Zukunft viel wichtiger werden und sollten schon früh in der Ausbildung vermittelt werden.

Interessant ist für mich weiterhin, dass es einen Unterschied zwischen der Einschätzung gibt, die von formellen und informellen Lernprozessen abhängig ist. Im Alltag nutzen die Studierenden die oben genannten Tools schon, es ist aber die Frage, ob sie diese auch in formellen Lernsettings nutzen werden. Vor allem der Einsatz von Technologie im Unterricht wird oft von Jugendlichen anders angesehen, als erwartet. Für sie ist online lernen bzw. der Einsatz von Technologie in die Lehre ein nettes add-on, aber kein wichtiger Punkt. Oblinger erklärt diese Tatsache so: Am wichtigsten ist und bleibt Face-to-Face Lernen. Ein Charakteristikum der Net Generation ist das Streben nach Abchlüssen, und da sind neue Technologien keine Kernprozesse, die sie dafür benötigen und daher werden sie eher als add-on gesehen. Denn warum sollten Studierende Medien nutzen und Fähigkeiten aufbauen, wenn diese nicht relevant für das Abschneiden des Studiums sind, wenn eine Prüfung sehr traditionell ist und diese Kompetenzen gar nicht misst? Hier analysieren Studierende genau und passen sich dem Verhalten an, was in Prüfungen verlangt wird. Von daher ist es wichtig, nicht nur das Lernen, sondern auch das Assessment zu ändern. Hier liegt oft der missing link in der Veränderung der Lernkultur. Was fehlt, ist authentic learning and assessment with complex problems.
Auch einige Thesen zur Veränderung der Lernumgebung sind nicht wirklich brandneu: lebensnahe, authentische Lernsituationen mit komplexen Problemen werden schon lange gefordert. Allerdings sagte Oblinger etwas, das interessanterweise zu einem Podcast passte, den ich mal gehört habe, nämlich zu der Frage, wieviel man den Lernenden abnehmen darf. Man muss sie viel öfter mit Problemen konfrontieren, und diese auch lösen lassen. Hier werden wertvolle Kompetenzen aufgebaut.

Es war ein sehr intensiver und spannender Workshop, und um fünf brummte mir gehörig der Schädel. Wie Dieter Euler so schön bemerkte: die meisten Fragen sind offen geblieben und laden zum Weiterdenken ein. Und das tu ich bestimmt.
Die Frage, die nämlich offen bleibt, kann meiner Meinung nach gar nicht generell, sondern nur von jedem einzelnen beantwortet werden: «Why do we use this material for which target group for what purpose?»

Comments

Hallo Mandy,

danke für die Zusammenfassung. Ich brüte auch gerade über den Materialien, die ja mittlerweile inder Sphäre der Edublogger die Runde machen. Sie sind nicht nur ausführlich und detailliert, sie sind ein Schatz der Recherchearbeit und Ansätze.

Aber zu Deiner abschließenden Frage: Why? | Which? | For What? sind natürlich Ansätze, die jede Massnahme für sich beantworten muss, doch diese Ansätze transparent mit anderen geteilt, das ergibt doch dann auch die Lerneffekte und die erhofften Synergien, die dann das jeweilige „Erfahrungswissen“ neu und reflektiert aufleben lassen? In diesem Sinne
Bis denne
Andreas Auwärter

Comments are closed.