Chomsky und die Kompetenz

Noam Chomsky ist zu zwei Vorlesungen an der Universität Köln. Mal sehen, ob er auch auf die (linguistic) competence eingeht. Schön wäre es ja, obwohl es dieses Anlasses zur Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff  wohl nicht bedarf. Auf der einen Seite mag man den Begriff nicht mehr hören, auf der anderen Seite ist er so zentral in der aktuellen Bildungs!diskussion, dass man einfach nicht umhinkommt. Die Problematik besteht dabei – nach wie vor  – darin, dass es, ähnlich wie beim „informellen Lernen“, keine einheitliche Begriffsdefinition gibt/geben kann. Weiterhin ist der Begriff oft zu wenig durchdrungen bzw. hinterfragt. Das trifft sowohl für Unternehmen zu, in denen der Begriff mit unterschiedlichster Konotation verwendet wird – was zu entsprechenden Problemen in der Vereinheitlichung der damit verbundenen Instrumente führt – als auch für die Wissenschaft, in der man auch oft den Eindruck gewinnen kann, dass bekannte Argumentationmuster und Referenzen kritiklos übernommen werden. Die Definitionen hören sich (oberflächlich) betrachtet auch alle ähnlich und schlüssig an und Differenzen erscheinen (manchmal) marginal. Verführung und Verführbarkeit ergänzen sich hier wunderbar.

Wenn es nicht auch praktisch so bedeutsam wäre, könnte ich mich leicht damit abfinden – es gibt ja viele Beispiele dafür, wie ein Begriff durch seine Popularität an Schärfe verliert. Im Rahmen der Kompetenzerfassung wird das Verständnis von Kompetenz dann (logisch) sehr wichtig und eine Auseinandersetzung unumgänglich (sehr lesenswert dazu auch Kaufhold 2006). Wissenschaftliche „Grabenkämpfe“ sind (zumindest in der beruflichen Bildung) die Folge.

Ich will diese Debatte hier nicht ausführen, dazu gibt es reichlich Literatur und jeder mag sich sein Teil denken, was wie zu messen oder zu bewerten ist. Ich habe in letzter Zeit viel dazu gelesen, wobei mich aber ein Artikel von Matthias Vonken besonders zum Nachdenken angeregt hat (Vonken 2011). Darin betont er, dass dem Begriff der Kompetenz, dem im Gegensatz zur funktionalen! „Qualifikation“ die „Persönlichkeitsentwicklung“ ins Stammbuch geschrieben wurde, sich immer mehr von dieser Komponente wegbewegt, „hin zu einem Konglomerat von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften, die einen ausgesprochen deutlichen Verwertungsaspekt besitzen.“ (Vonken 2011, S. 22). Darüber wäre gerade in Hinblick auf die allseits abgenickte Bedeutung personaler Kompetenzen (siehe nur Finanzkrise) und der allgemeinen Befähigung zum Umgang mit Unsicherheit noch mal nachzudenken.

Vonken versteht Kompetenz  „als etwas, das zur kreativen Benutzung eines umfangreichen Handlungsregelwerks befähigt, um mit sich ändernden Verhältnissen umzugehen … Bei Chomsky war das lediglich auf Sprache bezogen. Sprachkompetenz bedeutet die Verfügung über ein grammatisches Regelwerk zur Erzeugung vielfältiger Sprache und zur Reaktion auf vielfältige Sprechaktangebote. Auf Handeln übertragen heißt das, dass Kompetenz die Erzeugung kreativer Handlungen begründet und das Bewältigen unsicherer bzw. unbekannter Situationen, also Aktion und Reaktion im Bereich des Handelns.“ (ebd., S. 30).

… und amit sind wir auch wieder bei Chomsky angelangt.

 

Literatur

Kaufhold, M. (2006). Kompetenz und Kompetenzerfassung. Analyse und Beurteilung von Verfahren der Kompetenzerfassung. VS Verlag: Wiesbaden.

Vonken, M. (2011). Kritische Anmerkungen zum Kompetenzbegriff. In: Bethschneider, M., Höhns, G. & Münchhausen, G. (Hrsg.), Kompetenzorientierung in der beruflichen Bildung (S. 21-32). W. Bertelsmann Verlag: Bielefeld.

Comments

Interessant wäre ja auch noch der Gegenspieler zur Kompetenz, nämlich Performanz und die Frage, ob ein Scheitern beim Lösen einer Aufgabe (egal ob als Leistungsnachweis gedacht oder im alltäglichen Leben) ein Performanz- oder ein Kompetenzproblem ist. Und dann könnte man überlegen, welchem man wie abhelfen kann. Die Konzentration auf „Kompetenz“ in der Bildungslandschaft verstellt wohl den Blick auf Performanz oder vermischt sogar beides, bin mir im Moment nicht so sicher. Danke für den anregenden Beitrag, ich habe Kompetenz und Performanz zwar auf verschiedene Dinge übertragen, aber man kann das ruhig noch weiter treiben. Wenn sich zum Beispiel jemand auf eine Stelle bewirbt, ist man wohl eher an Performanz als an Kompetenz interessiert.

Cerstin

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