Lernen mit Podcasts

In meiner Magisterarbeit habe ich den Einsatz von Hörbüchern zum Lernen untersucht. Unter anderem folgende Vor- und Nachteile des auditiven Lernens konnte ich aus der Literatur eruieren:

Vorteile
– Authentizität und Lebensnähe können besser als in schriftlicher Form ausgedrückt werden
– Emotionen sind besser und leichter darstellbar (Grimm & Engelkamp, 1981)
– Größere Ausdrucksmöglichkeit durch die menschliche Stimme
– Schaffung von persönlicher Nähe (durch Wecken von Emotionen, Authentizität, u.ä.); auch in Distance Learning Situationen anwendbar
– Vertraute Lernsituation Schule und Universität (z.B. 74% sind Zuhörsituationen in einer durchschnittlichen Schulzeit von Klasse 1 bis 9, Imhof, 2003)
– Aufmerksamkeitslenkung
– Positive Beeinflussung des Aktivierungsniveaus (Jones, 1983)
– Ein hohes Maß an Akzeptanz: Lesen wird von den meisten Lernern als anstrengend empfunden (Dick, 2000).
– Vorteile für benachteiligte Menschen (Blinde, Analphabeten)
– Zeit- und ortsunabhängig nutzbar

Nachteile
– Geschwindigkeit und Reihenfolge meist festgelegt
– Meist starke Erinnerungseinflüsse
– Kognitive Ãœberlastung
– Erforderung von hoher Konzentration

Heute würde ich auch vor dem Hintergrund des Podcasting noch einige Elemente anfügen:

Nachteilig am Podcasting im Lehr-Lernkontext ist vor allem, dass das Aufgenommene schlecht durchsuchbar ist. Man kann nicht wie in einem Buch schnell mal ein oder zwei Absätze überspringen oder sich in einem Podcast gar nur das Anhören, was man möchte. Es gibt doch die Möglichkeit der Kapitelbildung, mögen Skeptiker jetzt einwenden, aber dies gibt es leider nur bei der Videofunktion. In einem normalen mp3 ist ein gezieltes Navigieren nahezu unmöglich.

Weiterhin benötigt man vor allem, wenn das Tondokument nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch zum Lernen genutzt werden soll, immer etwas zum Schreiben zur Hand, damit Notizen machbar sind. Diese hält man dann wieder in schriftlicher Form fest und wechselt so wieder das Medium.

Ein drittes Element, weswegen Podcast meiner Meinung nach schlecht zur Vermitteln von Lehrtexten geeignet ist (wie es in der Vorlesungsaufzeichnung zum Teil gemacht wird), sondern nur zur Informationsaufnahme eingesetzt werden können, besteht in der sog. «Kompetenzillusion» (Stark, 1999). Podcasts werden meisten nebenbei gehört, beim Zugfahren, beim Abspülen, bei der Hausarbeit. Hierbei besteht aber die Gefahr, dass der auditiv dargebotene Lernstoff nicht richtig elaboriert wird. Somit meint man, etwas gelernt zu haben, das am Ende jedoch nicht fest verankert wird. Das heisst, eigentlich reicht es nicht aus, einen Podcast zu produzieren, sondern auch das Studierendenverhalten während der Rezeption des Pocasts beeinflusst die Informationsaufnahme und muss bei der Herstellung bedacht werden.
Zum Lernen braucht man eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lernstoff, und dies kann man nicht erreichen, wenn man im Tram oder Zug sitzt.

Nicht, dass man mich falsch versteht: ich finde Podcasts eine prima Idee im Lehr-Lernkontext, allerdings muss man meines Erachtens nach aufpassen,wie man sie einsetzt. Ein gutes Beispiel ist der Einsatz von Podcasts von Prof. Stidwill an der Universität Zürich. Er geht nicht wie so viele andere den Weg der Vorlesungsaufzeichnung, sondern produziert eine Zusammenfassung der wichtigsten Elemente seiner Vorlesung. Folien und Ton kommen so zusammen zum Studierenden und können zur Wiederholung dienen. Dies hat ausserdem den Vorteil, dass der Podcast nicht zu lang wird, so dass die Studierenden mittendrin abrechen.

Comments

auch ich habe bereits eine Online-Vorlesungsreihe „besucht“ und möchte dazu eines anmerken: Natürlich war es schön bei Regenwetter nicht aus dem Haus zu gehen und die Vorlesung etwas zeitversetzt als Podcast zu sehen. Aber ein Punkt wird beim E-Learning meiner Meinung nach zu wenig diskutiert: Der informelle Kontakt geht verloren, unter den Studenten zum Beispiel. Ausserdem kann mit E-Kommunikation nicht jede Form der menschlichen Wahrnehmung angesprochen werden. Ich denke, die technischen Probleme sind alle lösbar; die didaktischen in Arbeit aber die emotionale und motivationale Seite des E-Learnings ist mir noch nicht ganz klar.

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