Stichworte zur Podiumsdiskussion der EduMedia Tagung 2007

Die provokative Frage lautet: «Warum soll eine Gesellschaft eigentlich Wissen teilen?»

Ingo Frost sprach zu Engagement ohne Grenzen in virtuellen Gemeinschaften – gezeigt am Internetlexikon Wikipedia.

Mit dem Enstehen von NGO’s kam es zu einer Evolution auf Basis von zwei Dimensionen: thematische und organisatorische Evolution.
Diese neue Gesellschaft bezeichnet Frost als «WikiCiety» (Wiki + Society): Menschen mit ähnlichem Interesse arbeiten an einer Sache. Dieser Prozess ist im Gegensatz zu gleichen Prozessen in der Zivilgesellschaft im Internet eher neu. Besondere Kennzeichen sind hierbei die Motivation (das klassischem zivilgesellschaftlichem Engagement) verbunden mit der Idee der Generativität: Menschen möchten etwas an die nächste Generation weitergeben. Die Idee des sozialen Vertrauens ist eine wichtige Voraussetzung für Engagement, auch in Online-Prozessen.
Fragen und kritische Aspekte zur Diskussion:
– Was kommt nach Wikipedia?
– Warum gibt es wenig Frauen? Frauenanteil ist bei Open Source und bei Wikipedia eher gering.

РWie steht es mit dem perșnlicher Kontakt?
– Wie steht es mit der Qualität? Wie kann Qualitätssicherung erreicht werden?

Auf dem Podium sitzen:

  • Wolfgang Schmitt (Landesmusikschule Völz): Projekt «Mozart for all»
  • Hermann Fröschl (Salzburger Nachrichten): Einrichtung eines Salzburg Wikis: Idee der Wikipedia auf eine regionale Ebene herunterzubrechen
  • Rubina Vock (FU Berlin, Center für Digitale Systeme): Informationsplattform zu Open Access mit rollenspezifischen Zugänge und fachspezifischen Zugängen mit Expertenforum (= moderierte Mailingliste) zum Erfahrungsaustausch -> Start am 2. Mai
  • Matthias Schindler (Wikipedia Deutschland): Qualität ist nicht quantifizierbar, Daten basieren nur auf Stichproben und persönl. Berichten.
  • Wolfgang Hofkirchner (ict und s): Wozu das Ganze? Es hat gewisse Beschränkungen: Eine Kooperation findet im Internet und für beschränkte Zwecke statt, nicht in der realen Welt. Es geht um die Wiederanbindung der virtuellen Welt an die „Nöte“ der wirklichen Welt.
  • Siegfried Reich (Leiter Salzburg Research): Konsument ändert seine Rolle (Design von Schulen, Planung von Urlaub, Bewertung bei amazon). Wie kann man das nutzen, um auch an realen Problemen zu arbeiten? Andere Seite: unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Kulturen als Diskurs der Gesellschaft. Andere Meinungen sind besser abbildbar.

These aus dem Publikum: Hierarchische und straffe Organisation in Wikipedia können als Hinweis auf das funktionieren von Open Content Projekten gesehen werden. Eine sehr kleine Anzahl von Personen schafft einen riesigen Content. Zum Teil liegt es begründet, dass in den USA viele Beiträge automatisch erstellt wurden (mit statistischen Daten).
Gibt es irgendwann den Crash mit den grossen kommerziellen Institutionen? Wie können freie Bildungsinhalte auch kommerziell genutzt werden?
Kann es zu Machtmissbrauch durch Open Content Initiativen kommen: Bsp: MIT mit der Open Coursware hat grosse Auswirkung auf Lehrbuchmittel der USA.
Matthias Schindler von der Wikipedia Deutschland spricht sich dafür aus, dass universitäre Arbeit nicht wikipedia einbinden sollte, wissenschaftliche Arbeit funktioniert anders.
EIn interessanter Hinweis aus dem Publikum: Bisher teilen wir in der Wikipedia eher Beiträge als Wissen. Das bringt uns zu einer neuen Frage: Was ist Wissen? EIn interessanter Hinweis kommt von Frau Vock: Wissen entsteht über Diskussionen und dieses kann geschehen, indem z.B. Open Peer Review umgesetzt wird.
Wissen ist Fähigkeit zum Handeln und die Frage ist, wie man durch Open Access oder Open Content zum Handeln kommt. Zu untescheiden ist zwischen Wissensressourcen und Wissen, zwischen Produkten und Produktionsmittel. Hier müssen Universitäten weiter aufholen.

Ein weitere Hinweis: Eine Artikelentstehung kann manchmal interessanter sein (im Sinne eines Luhmann’schen Zettelkastens) als der Artikel selber.
Was macht einen geringen Frauenanteil aus? Schulterzucken auf allen Seiten.
Ein Hinweis kam aus dem Publikum: EU bezahlt Forschung dreimal: in der Forschung, in der Publikation und im Kauf der Universitätsbibliotheken.

Drehpunkt weg vom lexikalischen Wissen hin zur Frage: Was ist Bildung? Gibt es nicht einen Gap zwischen Weltwissen, Standardisierung von Wissen vs. Pädagogik der Inividualisierung, Situierung, usw.

Was bleibt: Wissen als Anregung zum Handeln, werden wir diesen Sprung aus der Virtualität in den realen Raum schaffen?

Comments

Zu Recht stellt sich die Frage, ob es einen Sprung aus der Virtualität in den realen Raum braucht, oder ob die virtual reality nicht vielmehr ein Teil unserer „Realität“ ist. Der Sprung suggeriert nicht nur eine Lücke, sondern auch die Notwendigkeit diese zu überbrücken. Ganz im Gegensatz zu dieser Sichtweise ist das was auf der Konferenz diskutiert wird eine (kritische) Reflexion über Realität. Was bleibt: Wissen als Anregung zum Handeln! Ausgang offen …

Die provokative Frage, sollte vielleicht nicht lauten: „Warum sollte…“, sondern eher „Warum machen…“ 🙂

Ich habe mal gelesen (leider weiss ich nicht mehr wo), das nur 0,2% aller Wikipedia Nutzer, Autoren sind. Das ist erschreckend wenig, da in anderen Communities das Verhältnis vom Arbeiter (Motivator, Autor, Lehrer) zum Nutzer (Schüler, Leser) meist bei 10:1 oder 30:1 liegt.

Gruss aus dem Norden
Andreas

Hier ein Nachtrag zu meinem Impulsreferat und zum Begriff WikiCiety: Unter http://www.wikiciety.org steht ab morgen mehr Material dazu bereit.

Für mich spannend, da ich nach und nach mehr Projekte kennenlerne, die schon real das Konzept der WikiCiety umsetzen.

Gruß aus Berlin,
Ingo Frost

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